Leichtbau-Wohnmobile im Test
Mit Leichtigkeit in den Frühling

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Leichtprodukte erobern nicht nur die Lebensmittelregale. Immer mehr Anbieter versprechen besonders leichte Wohnmobile für die 3,5-Tonnen-Klasse. Was steckt dahinter? promobil hat nachgewogen.

Report: Leichtbau-Mobile, News
Foto: Ingolf Pompe, Arthur Braunstein/Fotolia

Ein Blick auf die Waage gehört zu den spannenden Momenten. Das gilt für Menschen, die zum Frühjahr gute Vorsätze gefasst haben, aber auch für die Wiegeaktionen von promobil. Im jüngsten Fall galt die schonungslose Gewichtsermittlung drei Wohnmobile , deren Hersteller mit besten Vorsätzen in das aktuelle Modelljahr gestartet sind. Carthago, Hymer und LMC verstehen sich als Vorkämpfer gegen überflüssige Pfunde.

Im Mittelpunkt: die Integrierten der 3,5-Tonnen-Klasse. Superlightweight nennt Carthago selbstbewusst neue Modelle der C-Tourer-Serie. Hymer verwandelte die kompakteren Starline-Integrierten zu Starlight-Modellen. LMC wirbt mit 3,5-Tonnen-Schildern für den integrierten Explorer II. Sollten damit die Zuladungssorgen vieler Wohnmobilfahrer endlich der Vergangenheit angehören?

Der erste Blick auf die Wiegeergebnisse ernüchtert – ähnlich wie bei Menschen, die sich beim Abnehmen allein auf die Wirkung von Leichtprodukten verlassen. Carthago C-Tourer Superlightweight I 138, Hymer Starlight 595 und LMC Explorer II 625 G liegen mit den ermittelten Gewichten über den Herstellerangaben.

Eine Überraschung ist das nicht. Beim Prospektwert der „Masse in fahrbereitem Zustand“ handelt es sich um ein Idealgewicht, das sogar um fünf Prozent nach oben abweichen darf. Überdies hat es wenig mit einem urlaubsfertigen Zustand gemeinsam. In allen drei Fällen wurden die Werte zwar mit Kraftstoff und Fahrer errechnet, jedoch mit nur einer Aluminiumgasflasche und einem nur teilweise gefüllten Frischwassertank.

So testet promobil die Leichtgewichte

Sonderausstattungen tauchen hier gar nicht auf. Anders bei der Wiegung von promobil.
Alle drei Testexemplare traten mit einer klassentypischen Ausstattung an. Lediglich auf den Anbau einer Markise hatten die drei Hersteller verzichtet. Die Messung selbst fand nach dem bewährten promobil-Standard statt: Diesel- und Frischwassertank werden bis zum Rand gefüllt und je zwei konventionelle Gasflaschen in das vorgesehene Fach gestellt. Der Fahrer steigt vor der Wiegung allerdings wieder aus. So erhält man einen Zuladungswert, der realitätsnah angibt, welche Spanne für Besatzung und Gepäck übrig bleibt – wie in jedem promobil-Test.

Beachtliche 540 Kilogramm dürfen im Explorer II 635 G mit an Bord. Die jüngsten LMC-Fitnessprogramme für den Integrierten hatten offensichtlich Erfolg, was den Explorer II zum Schlankheitsideal seiner Klasse macht. LMC-Geschäftsführer Ulrich Schoppmann beschreibt die Leichtbauphilosophie als stetigen Prozess: „Wir fragen uns in der Entwicklung immer, wo wir auf alternative Materialien zugreifen können.“ Nach den Möbeln war zu diesem Modelljahr der Aufbau an der Reihe: „Wenn Sie das Blech abnehmen würden, sehen Sie eine homogene Konstruktion. Es gibt so gut wie keine Verstärkungsleisten, die Gewicht mit sich bringen.“ Der Aufbau wird wiederum fest mit dem Fahrgestell verklebt, was eine Statik im Verbund und daher ein leichteres Chassis erlaubt. LMC greift auf ein Alko-Fahrgestell mit reduzierter Materialstärke zurück. Ohne Achse wiegt es unter 100 Kilogramm.

Wie stabil kann eine so leichte Wohnmobil-Konstruktion sein?

Der LMC zerstreut schnell alle Zweifel. Im Gegenteil: Der Testwagen wirkte sogar solider und steifer als frühere Exemplare. Das geringere Gewicht macht sich außerdem durch ein Plus an Dynamik beim Fahren bemerkbar. Der 130-PS-Motor reicht für den 635 G völlig aus.

Das gilt genauso für den Carthago C-Tourer I 138 Superlightweight. Auch er beweist, dass Diät bei der Konstruktion und gefühlte Solidität nicht im Widerspruch stehen. Die promobil-Wiegung bescheinigt dem Superlightweight eine Zuladung von 450 Kilogramm. Dass er nicht den Wert des gleich langen LMC erreicht, liegt wohl auch an seinem Doppelboden. Carthago-Geschäftsführer Bernd Wuschack: „Wir setzen auf Leichtbau ohne Abstriche an der Aufbaukonstruktion und ohne Einbußen beim Komfort.“ Und was ist der Schlüssel dazu? „Es ist keine Einzelmaßnahme, es geht um die Summe, das gesamte Konzept.“ Dazu tragen beim Superlightweight etwa ein geändertes Hubbett und ein neuer Tischfuß bei. Nicht zuletzt auch hier das neue Alko-Fahrgestell mit dem von 2,5 auf 2 Millimeter reduzierten Blech.

So etwas kennt der Hymer Starlight 595 nicht. Mit seinem Mercedes-Chassis gehört er zu den Ausnahmeerscheinungen in der 3,5-Tonnen-Liga. Ein Leiterrahmen und fast sieben Meter Länge verhindern Gewichtsrekorde. Für diese Rolle ist unter den Hymer-Integrierten der von promobil bereits getestete Exsis-i zuständig.

Der Hymer Starlight beweist vielmehr, dass es überhaupt möglich ist, einen Integrierten auf Mercedes in dieser Gewichtsklasse anzubieten. Die beim Testexemplar ermittelte Zuladung von 180 Kilogramm zeigt aber auch die Grenzen auf.

Im Hymer Starlight steckt bereits einiges an Gewichtszüglern, wie etwa eine leichte Bodenplatte, die am Heck ohne Rahmenverlängerung auskommt. Und es geht ums Detail. Jörg Reith-meier, Geschäftsführer von Hymer: „Mit einer geänderten Möbelfolie kann man zum Beispiel fünf Kilogramm einsparen.“ Reithmeier sieht das Thema Leichtbau inzwischen als Kernkompetenz der Marke: „Mit dem Exsis-i haben wir Neuland betreten. Andere Modelle profitieren jetzt von diesen Erfahrungen.“ Sind die Möglichkeiten damit ausgereizt? Reithmeiers Geschäftsführerkollege Robert Sala lenkt den Blick auf das Chassis: „Bislang bauen wir auf Nutzfahrzeuge auf. Da ist noch vieles überdimensioniert.“

Auch bei anderen Marken erkennt man noch kein Ende für die Schlankheitskur. LMC-Geschäftsführer Ulrich Schoppmann: „Potenzial sehe ich noch bei Zulieferern. Kühlschrank, Kocher und Heizung sind noch nicht gewichtsoptimiert.“ Carthago-Geschäftsführer Bernd Wuschack deutet Grenzen an: „Man muss sehen, was produzierbar und bezahlbar ist.“

Der Käufer kommt dabei ebenfalls ins Spiel. Wuschack: „90 Prozent unserer Kunden fahren zu zweit, aber alle wollen vier bis fünf Gurtplätze.“ Ohne Gurtböcke ließen sich schnell 20 Kilogramm einsparen. Zweifellos hängt die Zuladung letztlich auch von den Ansprüchen der Reisemobilfahrer ab. Doch in diesem Punkt ist bislang keine Trendwende in Sicht. Wenn die Bemühungen um weniger Gewicht große Kompromisse im Alltag fordern, kommen erfahrungsgemäß nur wenige damit klar. Da verhält es sich nicht anders als bei den guten Vorsätzen zum Jahreswechsel.

Der Vorreiter: Carthago C-Tourer I 138 Superlightweight

Mit dem Chic C-Line fing 2008 alles an. Erstmals entwickelte Carthago einen Integrierten spe-ziell für die 3,5-Tonnen-Klasse. Zahlreiche Gene des C-Line erbte der 2011 präsentierte C-Tourer, der nun als Superlightweight abermals gewichtsoptimiert wurde. Den besten Wert erreicht der kurze I 138. Es gibt aber auch geräumiger-e Varianten mit dem identischen technischen Konzept. Für den C-Tourer I 143 Superlightweight mit Einzelbetten und knapp sieben Meter Länge rechnet Carthago mit einem zusätzlichen Gewicht von 30 Kilogramm. Der im Testwagen eingebaute 150-PS-Motor ist übrigens gewichtsneutral; der 160-Liter-Kühlschrank ist Teil des 57 Kilogramm schweren Komfortpakets.

Der etwas andere Ansatz: Hymer Starlight 595

Zum Modelljahr 2013 ging die Starlight-Baureihe aus gewichtsreduzierten Starline-Modellen hervor. Beim getesteten 595 handelt es sich um die kürzeste Ausführung, die gleichwohl ein stattliches Format erreicht. Serienmäßig ist das Mercedes-Fahrgestell mit einem 163 PS starken Vierzylinder ausgerüstet, der im Fall des Testwagens mit einer Fünfgang-Automatik gekoppelt war. Das Wandlergetriebe bringt zusätzliche 36 Kilogramm Gewicht auf die Waage, ist aber für Freunde gehobenen Antriebskomforts auf jeden Fall eine Empfehlung. Reizvoll erscheint auch der 190-PS-Sechszylinder in Verbindung mit einer neuen Siebengang-Automatik – macht zusammen 6880 Euro und 68 Kilogramm.

Der Konsequente: LMC Explorer II 635 G

Mit dem Start der zweiten Explorer-Generation im Sommer 2012 erhielten die LMC-Integrierten eine neue, leichtere Aufbaukon-struk-tion. Die Möbel wurden bereits zwei Jahre zuvor bis ins Detail gewichtsoptimiert. LMC nutzt auch sonst manchen Kniff, um die theoretische Zuladung zu maximieren. Serienmäßig gibt es nur einen 60 Liter großen Dieseltank. Im Gaskasten lässt sich nur eine Flasche befestigen. Außerdem ist der Explorer II besonders flach gebaut. Dadurch fällt die Kopffreiheit im Hubbett spürbar geringer aus als bei vielen Wettbewerbern. Durch solcherart konsequente Gewichtseinsparung kann LMC auch 7,45 Meter lange Explorer II mit Einzelbetten oder Queensbett als 3,5-Tonner anbieten.

Klare Zahlen bitte

Ein Kommentar von Testredakteur Ulrich Kohstall

Die Wohnmobilhersteller haben den Leichtbau entdeckt. Dieser Trend ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Gleichzeitig haben sie aber auch herausgefunden, wie man das Leergewicht auf dem Papier drücken kann. Da wird nur mit 20 Litern Wasser und einer Gasflasche gewogen; da wird übliche Ausstattung in Extrapakete ausgelagert und damit herausgerechnet. Und dann behalten sich Hersteller noch eine Toleranz von immerhin fünf Prozent vor. So manches Datenblatt quillt über vor lauter Fußnoten und Kleingedrucktem. So stiftet man Verwirrung. Dabei braucht das Thema Gewicht vor allem eines: belastbare Zahlen.

Fazit

Hymer Starlight 595: Ein Integrierter auf Mercedes als 3,5-Tonner? Das funktioniert auch beim Leichtbau-Hymer nur mit Kompromissen: maximal zwei Personen und sorgfältige Auswahl bei Extras und Gepäck. Große Tanks für Diesel und Wasser sorgen für eine starke Abweichung von der Hymer-Gewichtsangabe. Wer den passenden Führerschein hat und mit Einschränkungen wie Lkw-Überholverboten leben kann, wählt besser das 4,2-Tonnen-Fahrgestell. Damit genießt man hohe Zuladungsreserven und reist stressfreier.

LMC Explorer II 635 G: 540 Kilogramm – eine so hohe Zuladung ist bei Integrierten der 3,5-Tonnen-Klasse schon eine kleine Sensation. Kleine Einschränkung: Durch seinen langen Radstand wird der Explorer II 635 G etwas frontlastig, was die Zuladungsmöglichkeit an der Vorderachse auf gerade noch akzepta-ble 270 Kilogramm einschränkt. Sonst halten sich die konzeptbedingten Kompromisse in vertretbaren Grenzen. Wenn es bei Integrierten wirklich um jedes Kilo Nutzlast geht, kommt man am LMC Explorer II kaum vorbei.

Carthago C-Tourer I 138 Superlightweight: Das von promobil ermittelte Leergewicht liegt ein gutes Stück über der Werksangabe. Ein Grund für die Abweichung sind zahlreiche Extras, die Carthago in aufpreispflichtige Pakete packt: In der Praxis dürften sie wohl immer an Bord sein, aber für den Prospektwert spielen sie keine Rolle. Doch auch unter realistischen Bedingungen kann sich der kurze C-Tourer als Leichtgewicht mit hoher Zuladung profilieren. Das passt zum vollwertig wirkenden Grundriss, der auch für vier Reisende geeignet ist.