Megatest Basisfahrzeuge
Welches Wohnmobil fährt am sichersten?

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Die Hersteller locken mit immer ausgefeilteren elektronischen Assistenzsystemen. Für ein sicheres Ankommen sind jedoch Bremsen und Handling die wichtigste Grundlage.

Vergleichstest, Basisfahrzeuge, Sicherheit
Foto: Karl-Heinz Augustin, Jürgen Bartosch

Wer schon mal aus vollem Lauf sein Wohnmobil zum Stehen bringen musste, ist hinterher oft ziemlich kleinlaut. Denn allzu leicht verschätzt man sich, meint, ähnlich rasch wie Pkw stoppen zu können, vergisst, dass der Bremsweg meist fünf bis zehn Meter mehr beträgt. Da kann jeder Meter, den eine moderne, passend dimensionierte Bremsanlage spart, zwischen Wohl und Wehe entscheiden.

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Basisfahrzeuge im Megatest
Stabile Fundamente
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Der ams-Bremstest

Daher gehört der sogenannte ams-Test, den die promobil-Schwesterzeitschrift auto, motor & sport einst entwickelte, natürlich auch zum Programm des Basisfahrzeug-Vergleichstests. Zehn Vollbremsungen aus Tempo 100 hintereinander verlangen den Bremsen alles ab, zumal bei Transportern, die bis an die zulässige Grenze beladen sind. Für die Beurteilung wird nicht nur der Durchschnittswert der zehn Versuche herangezogen, sondern auch die Streuung der Einzelwerte zwischen kürzestem und längstem Bremsweg.

Für spontane Stopps weniger gut vorbereitet zeigt sich dabei der Renault. Bei den Bremsentests erzielt er nicht nur den schlechtesten Wert im Schnitt, sondern zeigte auch die größte Bandbreite. 5,53 Meter Unterschied zwischen dem besten und dem schlechtesten Bremsweg ist mehr als die Länge einer Mittelklasse-Limousine. Damit wird eine Vollbremsung zum gefährlichen Roulette-Spiel. Möglich, dass die etwas abweichende Bereifung des Renault hier mit hineinspielt. Die Bremsspuren der Pneus auf der Fahrbahn sprechen aber dafür, dass das ABS des Renault zu lange Regelphasen hat, in denen die Bremse geschlossen bleibt. So kommt das Fahrzeug immer wieder kurz ins Rutschen, bevor die Bremse wieder öffnet.

Der VW hat den besten Bremsweg

Als Klassenbester schließt der VW Crafter die Bremsversuche ab. Wie gut Transporterbremsen zupacken können, zeigt ein durchschnittlicher Bremsweg von 43,20 Meter bei einer Varianz von 1,41 Meter über alle zehn Versuche. Damit bremst der VW bei seinem schlechtesten Versuch noch besser als der Renault bei seinem besten.

Die kleinste Streuung der Bremswege erreichte der Ford Transit mit nur 1,03 Meter bei einem ebenfalls guten Durchschnittswert von 44,50 Meter – klarer zweiter Platz in dieser Prüfung. Fiat und Mercedes folgen nur wenig dahinter auf immer noch passablem Niveau. Fahren im Grenzbereich gehört sicher nicht zu den alltäglichen Herausforderungen eines Reisemobils. Doch im Notfall, müssen alle Systeme die maximale Leistung abrufen können. Das sollen die fünf Kontrahenten auf dem Fahrsicherheitsgelände der Verkehrswacht Bielefeld unter Beweis stellen.

Mehreren Fahrdisziplinen ermitteln das sicherste Fahrzeug

Dort heißen die Disziplinen: Doppelter Spurwechsel mit Tempo 60 auf trockenem Untergrund, Slalom durch eine Pylonengasse mit 50 km/h sowie Ausweichen und Bremsen auf einer bewässerten Gleitfläche. Schon nach wenigen Runden unter diesen extremen Bedingungen teilt sich das Feld in zwei Gruppen.

Fiat und Renault - eher negativ

Während Ford, Mercedes und VW alle Disziplinen ohne größere Probleme bewältigen, fielen Fiat und Renault mit teilweise eigenwilligen Reaktionen auf. Ein Grund dafür lag in der Beladung der Fahrzeuge. Wie vorgegeben beluden die Hersteller ihre Fahrzeuge bis zum zulässigen Gesamtgewicht minus 200 Kilogramm. Dabei war die Art und Position der Ladung den Herstellern überlassen. Ford, Mercedes und VW platzierten bodennah Gewichte gleichmäßig bis über die Hinterachse. Von Fiat und Renault kamen Testfahrzeuge mit relativ hohen Lastboxen, die zudem weit vorn kurz hinter der Trennwand verzurrt waren. Der Fahrzeugschwerpunkt lag damit höher und eher vorn, was sich auf auf die Fahrdynamik negativ auswirkt.

Doch die Beladung ist nur ein Aspekt, warum Fiat und Renault die hinteren Plätze belegen. Es ist in beiden Fahrzeugen schwierig, die richtige Sitz- und Lenkposition zu finden. Während Renault sich bei der Lenkradverstellung auf die Höhe beschränkt, bietet Fiat nur eine Weitenverstellung an. Das ist in beiden Fällen eine Hypothek, weil das Lenkrad im Handling-Parcours nicht optimal bedient werden kann.

Hinzu kommt, dass es den Fahrwerken an der nötigen Linientreue für schnelle Kurvenwechsel fehlt. Hier macht der Fiat noch die bessere Figur, weil er weniger nachwankt als sein französischer Wettbewerber, dafür aber früh untersteuert. Der Renault kommt nur mit dem Ausweichtest auf trockenem Untergrund zurecht.

Beim Slalom ist spätestens nach der dritten Pylone Schluss. Dabei bringt nicht nur die Arbeitsweise des Fahrwerks den Fahrer aus dem Konzept. Bei schnellen Kurvenwechseln mit hohem Tempo hakt auch die Lenkung massiv. Das macht präzise Lenkeinschläge in der Hütchengasse fast unmöglich.Auf nassem Untergrund bereitet zudem der ESP-Eingriff des Renault einige Schwierigkeiten. Das System regelt erst bei einer Querbeschleunigung von 7,1 m/s² und damit recht spät und hart ein. Zu diesem Zeitpunkt schiebt das Fahrzeug aber schon über die Vorderachse aus der Kurve. In Kombination mit dem weich abgestimmten Fahrwerk wird das Ausweichen auf der Gleitfläche so zu einer echten Herausforderung.

Ebenfalls spät, aber dafür etwas eleganter greift das ESP beim Fiat ein. Der Ducato bleibt insgesamt besser in der Spur. Dass es trotz spätem ESP-Eingriff möglich ist, das Fahrzeug zu kontrollieren, stellt der Ford unter Beweis. Das Fahrzeug bewältigt alle drei Disziplinen mit der höchsten Agilität im Testfeld und bleibt dabei stabil in der Spur. Minimale Schwächen sind allenfalls auf nassem Untergrund bei hoher Geschwindigkeit auszumachen.

Keine Zweifel an Stabilität bei Mercedes und VW

Etwas bedächtiger als der Ford agieren der Mercedes und der VW. Fast emotionslos bewältigen die Halbbrüder die fahrdynamischen Tests. Bei einer relativ niedrigen Querbeschleunigung von im Schnitt 6,7 m/s² greift das ESP bei beiden Fahrzeugen ein und lässt nie Zweifel an der Stabilität aufkommen. Leichte Vorteile liegen beim Sprinter mit seinem etwas strafferen Fahrwerk, das die Fahrten auf nassem Untergrund wie auf Schienen erscheinen lässt.

Das Thema Sicherheit proklamiert Mercedes für sich vor allem im Hinblick auf die Assistenzsysteme. Neben ABS und ESP tummeln sich hier inzwischen allerlei weitere elektronische Helferlein. Mercedes-exklusiv sind bislang der Totwinkelwarner, der auf versteckte Verkehrsteilnehmer beim Spurwechsel aufmerksam macht.

Innovativ ist auch der, sogar serienmäßige, aber nur beim Kastenwagen verfügbare  Seitenwind­assistent. Er beruht auf einem weiter verfeinerten ESP und sorgt mittels gezieltem Bremseingriff dafür, dass eine Böe das Fahrzeug nicht aus der Spur drückt.

Der Notbremsassistent, den es auch im Ford und VW gibt, warnt den Fahrer vor drohenden Gefahrensituationen und bremst im Notfall das Fahrzeug bis zum Stillstand ab. Mit optischen und akustischen Systemen melden sich manche der Transporter beim ungewollten Abkommen von der Fahrspur oder warnen vor drohender Müdigkeit des Fahrers. Fernlichtassistenten erkennen den Gegenverkehr und blenden die Scheinwerfer automatisch ab. Um solche Investitionen in die Sicherheit zu würdigen, honoriert die Redaktion alle verfügbaren sicherheitsrelvanten Assistenzsysteme mit je zehn Punkten im Gesamtergebnis.

Ladungssicherungs-Test auch für Wohnmobile wichtig

Die Ladungssicherung bildet den Abschluss des Kapitels. Für den Aus- oder Umbau zum Wohnmobil ist ihre Bewertung insofern wichtig, als sie etwas über die Sorgfalt der Hersteller bei der Konstruktion und Ausführung sicherheitsrelevanter Punkte aussagt.

Im Mercedes und VW sind die Befestigungsmöglichkeiten für Zurrgurte vorbildlich gelöst. Es finden sich zahlreiche Ösen im Boden und an der Trennwand. Zudem sind verschiedene Zurrschienen eingebaut. Welche Kraft die einzelnen Zurrpunkte halten ist sehr gut dokumentiert. Etwas weniger Zurrpunkte und eine knappere Beschreibung findet sich im Ford. Die Angabe der maximalen Zurrkräfte prangt aber auch hier – wie nach Norm gefordert – als Aufkleber gut sichtbar im Laderaum. Und die Zurrösen sind kräftig ausgeführt und verschweißt.

Nachbesserungsbedarf gibt es bei Fiat und Renault. Es findet sich keine Kennzeichnung im Laderaum und die zehn Zurrösen im Fiat und 16 im Renault machen keinen so stabilen Eindruck. Alle Ösen sind nur gesteckt und nicht verschweißt. Beim Renault riss während der Fahrdynamiktests sogar eine Öse aus. Dekra-Messungen ergaben dabei eine Zurrkraft von 444 daN. Laut Betriebsanleitung sollte die Öse aber 625 daN aushalten.

Das Sicherheitskapitel entscheidet der Mercedes insgesamt für sich. Dahinter liegen VW und Ford praktisch gleichauf. Der Fiat folgt mit etwas Abstand, liegt aber noch klar vor dem Schlusslicht Renault.

Bremsen-Test auf Conti-Reifen

Für die Bremsentests, aber auch zur Beurteilung des Handlings im Grenzbereich sollten alle Testfahrzeuge auf dem gleichen Reifenmodell an den Start rollen. Als guter Standardpneu für diese Fahrzeugklasse wurde der Vanco 2 von Continental ausgewählt, der unter nassen wie trockenen Bedingungen mit guten Allroundeigenschaften aufwarten kann.

Vier der fünf Hersteller konnten der Vorgabe entsprechen und montierten einen Satz Vanco 2 im für das Fahrzeug passenden Serienformat. Lediglich Renault musste passen und zog stattdessen vier Reifen vom Typ Conti Van-Contact 100 auf.

Dieses Reifenmodell ist laut Conti mehr auf hohe Effizienz, Laufleistung und Widerstandsfähigkeit ausgelegt, weniger auf ein gutes Handling und optimale Haftung bei Nässe.