Reise-Tipp Garrotxa
Willkommen im Mittelalter

Orte wie aus alten Zeiten, hohe Berge, tiefe Wälder und rund 40 erloschene Vulkane – Spaniens stille Region Garrotxa im Hinterland der Costa Brava ist ein Traumziel für den schönen Urlaub per Reisemobil.


Mobil-Tour, Garrotxa
Foto: Silke Tokarski, Thomas Zwicker

Neun große, rostige Eisenspitzen unter dem Torbogen der Pont Fortificat zielen bedrohlich auf die Köpfe der Reisenden, die über die mächtige romanische Brücke in den Ort Besalú schlendern – im Mittelalter wurde hier Wegzoll erhoben. Ansonsten aber zeigt sich das 2500-Einwohner-Städtchen, wo schon im 9. Jahrhundert Graf Wilfried der Haarige herrschte, von der allerfreundlichsten Seite. Besucher bummeln über blankes Kopfsteinpflaster durch enge, verwinkelte Gassen, Bougainvillea ranken duftend an sonnenwarmen Bruchsteinmauern empor, in Bars zischt die Kaffeemaschine, von irgendwoher tönt Klaviermusik. Besalú steht komplett unter Denkmalschutz und könnte dem Mittelalter entsprungen sein.

Das Städtchen zählt zu den Schmuckstücken einer grünen, bildschönen Region, die vielen Spanien-Urlaubern bis heute unbekannt ist. Die Comarca Garrotxa (übersetzt etwa „unwegsames Gebiet“) beginnt rund 40 Kilometer hinter den Badestränden der Costa Brava landeinwärts in den südlichen Ausläufern der Pyrenäen mit ihren schneeweißen Gipfeln und ist ein wunderbares Ziel für den mobilen Urlaub – auch wenn dort Reisemobilstellplätze noch Mangelware sind. Auf einer meist bergigen Fläche von 740 Quadratkilometern gibt es jede Menge urige Orte, tiefgrüne Wälder und eine Besonderheit: den Parc Natural de la Zona Volcànica, ein Naturpark mit mehr als 40 Vulkanen, deren letzter seine Lavaspuren vor gut 11.000 Jahren ins satte Grün zeichnete. Damit zählt diese Region neben der Eifel zu den wichtigsten Vulkangebieten Europas, und die bewaldeten ehemaligen Feuerspucker sind heute markante Ziel- und Orientierungspunkte für Wanderer.

Mobil-Tour, Garrotxa
Silke Tokarski, Thomas Zwicker
Lässiges Leben in Olot – der Hauptort der Garrotxa mit seinen rund 32 000 Einwohnern lohnt einen Besuch.

Hauptort der Garrotxa ist nicht das mittelalterliche Besalú samt seiner wehrhaften Brücke, sondern das 30 Kilometer westlich gelegene Olot, 32.000-Einwohner-Gemeinde mit gemütlichem Altstadtkern, der sich unter dem innerstädtischen Vulkan Montsacopa duckt. Im zentralen Viertel Nucli Antic flaniert man geruhsam zwischen noblen Bauten des katalanischen Jugendstils (Modernisme), sehenswerten Museen und Galerien. Auf schönen Plätzen relaxen Jugendliche und Alte, leuchten bunte Kaftane nordafrikanischer Einwanderer, die Arbeit in der hiesigen Textilindustrie suchen. In kleinen Bars werden Tapas vernascht, Restaurants servieren verfeinerte katalanische Küche. Wer direkt im Stadtkern auf den rund 100 Meter hohen Montsacopa-Kegel klettert, hat einen weiten Blick übers Land. Das Reisemobil parkt derweil gut unten beim Riu Fluvià, übernachtet wird auf einem der schönen Campingplätze Lava oder La Fageda ein Stückchen südöstlich der Stadt.

Wanderwege vom Feinsten beginnen nah bei diesen Campingplätzen – durch die Mondlandschaft des Volcà del Croscat etwa, den Buchenwald Fageda den Jorda oder auf den Vulkankegel Santa Margarida, in dessen grünem Talkessel ein Kirchlein alte Feuergeister in Schach hält. Im mittelalterlichen Ort Santa Pau mit guten Parkmöglichkeiten an der Durchgangsstraße sitzt man unter schattigen Arkaden beim Kaffee vor der Bar Menció und schaut über den holprigen Hauptplatz; nebenan führt Carmen Plana ihren Kramladen seit ewigen Zeiten. Der ganze Ortskern wirkt wie eine mittelalterliche Burg, aber nicht museal – bei traditionellen Dorffesten wie der „lebendigen Krippe“ tobt hier der Bär.

Tradition wird großgeschrieben in dieser Region, die mitten im Herzen von Katalonien liegt. In der Geschichte der Garrotxa wimmelt es vor Berichten von Bauernrevolten und Rebellen, die für katalanische Sonderrechte gegen die kastilischen Herrscher gekämpft haben. Heute sprechen mehr als drei Viertel der Bevölkerung Catalá, und auf manch Speisekarte ist urkatalanisch, was uns Urlaubern spanisch vorkommt. Egal wie, schmecken tuts immer.

Mobil-Tour, Garrotxa
Silke Tokarski, Thomas Zwicker
Im Schatten der Berge: Die Pyrenäen im Hintergrund bilden die Grenze nach Frankreich.

Es gibt so viel zu sehen: Castellfollit de la Roca zum Beispiel, handtuchschmaler Ort mit alter Bausubstanz, der messerscharf auf einer 50 Meter hohen Basaltklippe klebt. Wasserfälle und Wanderwege der schroffen Alta Garrotxa im Schatten der Pyrenäen. Die Orte Banyoles mit dem blaugrünen See oder Ripolls berühmte Klosterkirche Santa Maria in den Nachbargemeinden. Die abertausend Grünschattierungen von Wäldern und Wiesen auf dem fruchtbaren Lavaboden. Da ist gut beraten, wer noch einen oder zwei Tage dranhängen kann für den Urlaub in dieser Region. Und Muße findet, die ganz besonderen Augenblicke zu genießen. Im mittelalterlichen Ort Besalú etwa, wenn die Tagesausflügler wieder Richtung Küste abgereist sind. Dann wird es ganz still zwischen dem sonnendurchglühten Gemäuer – und für einen Moment fühlt es sich an, als sei man zurückversetzt in eine längst vergangene Zeit.

Gut und reichlich: Katalanische Küche

Produkte aus der Region bestimmen die katalanische Küche, ihre Rezepte reichen bis ins Mittelalter zurück. Vom knackigen Ensalada Catalana mit Wurst und Schinken über leckere Tapas und Mar i Muntanya, also Gutes von der Küste und aus dem Gebirge, bis hin zur zauberhaft zarten Creme Catalan wird eine große Bandbreite geboten. Als Cuina Volcànica, Vulkanküche, steuert die Garrotxa noch so einige Spezialitäten bei: die heimischen Kastanien und Trüffeln etwa, Wildschwein, zartes Kalbfleisch und Schnecken oder die kleinen, leckeren Bohnen aus Santa Pau. Es werden mutige Kombinationen serviert wie Wildschwein mit Kastanien an Lachs, eine Abwandlung der katalanischen Suppe Escudella oder Schweinsfüße, gefüllt mit Weißfisch, in Rübensauce. Zum Abschluss dann den Kräuterschnaps Ratafia – ein Gedicht!

Ruta Del Carrilet

Mobil-Tour, Garrotxa
Silke Tokarski, Thomas Zwicker
In Olot gibt es viele Einwanderer aus den Staaten Nordafrikas.

Rund 56 Kilometer lang ist der schöne Radweg Ruta del Carrilet, der von Olot durch den Vulkanpark der Garrotxa bis zur Provinzhauptstadt Girona führt. Die Strecke folgt durch die Flusstäler des Riu Fluvià und Riu Ter hauptsächlich der Trasse der alten Bahnlinie Tren dOlot, die 1969 stillgelegt wurde. Sie ist nicht asphaltiert, aber weitgehend in gutem Zustand; es werden 14 Brücken und ein Tunnel passiert. Unterwegs sind einige alte Bahnhöfe zu Infostellen oder Bars umgebaut. Wer mag, kann über Girona hinaus auf den Spuren der alten Schmalspurbahn 40 Kilometer weiterradeln bis Sant Feliu de Guíxols an der Costa Brava.

Reise durchs Herz von Katalonien

Die Orte der Comarca Garrotxa und ihrer Nachbarregionen reizen mit dem Charme vergangener Tage – zudem zeigt sich Katalonien selten so ursprünglich und traditionell wie hier in den südlichen Ausläufern der Pyrenäen.

Ripoll: Das westlich der Garrotxa gelegene Ripoll mit 11.000 Einwohnern ist berühmt für seine ehemalige Benediktinerabtei Santa Maria mit opulentem Westportal, das als eine Perle der romanischen Kunst im nördlichen Spanien gilt. Einst ein wichtiger Ort der Waffenherstellung, hat Ripoll heute einen kleinen, sehr netten Ortskern.

Castellfollit de la Roca: Der alte Ortskern thront hoch auf einer Basaltklippe vulkanischen Ursprungs, der Name des 1.000-Einwohner-Dorfs heißt übersetzt „Verrückte Felsenburg“. Es gibt das kleine Wurstmuseum „Museu del Embotit“, der Campingplatz Montagut in schönster Natur mit großem Swimmingpool liegt nahebei.

Besalú: Die historische Kleinstadt mit 2.500 Einwohnern ist tagsüber beliebtes Ausflugsziel von der Küste oder aus dem zwei Stunden entfernten Barcelona. Neben der mächtigen Brücke aus dem 12. Jh. gibt es ein unterirdisches jüdisches Badehaus, alte Kirchen sowie schöne Bars und Restaurants. Großer Parkplatz direkt vor der Brücke.

Olot: Rund um die 32.000 Einwohner zählende Hauptstadt der Comarca Garrotxa gibt es einige Industriebetriebe. Die Innenstadt samt ihrer Vulkane ist jedoch sehenswert, mit herrschaftlichen Bauten und Bürgerhäusern im Stil des Modernisme. Der größte städtische Vulkan Montsacopa hat einen Kraterdurchmesser von 120 Metern.

Santa pau: Der rund zehn Kilometer östlich von Olot gelegene Ort mit etwa 1.600 Einwohnern ist meist nur am Wochenende als Ausflugsziel frequentiert. Mit massiver Stadtmauer und efeuumrankten Bruchsteinhäusern wirkt er wie ein Relikt aus dem Mittelalter. Besser an der Hauptstraße parken und zu Fuß ins enge Stadtzentrum gehen.

Banyoles: Ein paar Kilometer östlich der Comarca Garrotxa lohnt der Ort Banyoles (17.000 Einwohner) mit kleiner Altstadt einen Besuch schon wegen des warmen, zwei Kilometer langen Sees. Der Estany de Banyoles wird von unterirdischen Quellen gespeist, hat einige Badeplätze und war bei der Olympiade 1992 Schauplatz der Ruderwettkämpfe.

Sehenswertes

Museu Comarcal de la Garrotxa: Das Regionalmuseum von Olot residiert in einem neoklassizistischen Gebäude aus dem 18. Jh. und bietet einen Überblick über Wirtschaft und Kultur der Region. Montags geschlossen.
Adresse: E-17800 Olot, C. Hospici,8, Telefon 0034/9 72 2711 66, www.olot.cat/cultura

Museu dels Volcans: Im wunderschönen Botanischen Garten von Olot informiert das Vulkan-Museum umfassend zu Geologie und Ökosystem der feurigen Region. Montags geschlossen.
Adresse: E-17800 Olot, Av. St. Coloma, 43, Telefon 0034/9 72 2667 62, www.olot.cat/cultura

Museu Can Trincheria: Mitten in der Altstadt wird in diesem alten Herrenhaus mit antikem Mobiliar sowie schönen Decken- und Wandgemälden gezeigt, wie die reichen Leute einst lebten.
Adresse: E-17800 Olot, C. St. Esteve, 29, Telefon 0034/9 72 2727 77, www.olot.cat/cultura

Restaurants

Cal Sastre: Nahe am Hauptplatz von Santa Pau unter schattigen Arkaden. Gehobene katalanische Küche und heimische Leckerbissen wie Bacallà amb crema de fesols (Kabeljau mit Bohnen) oder Quark mit Honig. Montags geschlossen.
Adresse: E-17811 Santa Pau, Pl. dels Balls, Telefon 0034/9 72 6804 21, www.calsastre.com

Information

Anfahrt und Auskunft: Anfahrt über die A 7 Richtung Barcelona, Abfahrt Figueres oder Girona. Informationen gibts zum Beispiel beim Oficina Municipal de Turisme im Zentrum von Olot.
Adresse: E-17800 Olot, C. Hospici, 8, Telefon 0034/9 72 2601 41, www.olot.org/turisme

Camping

Camping Ecològic Lava: Ein angenehmer Platz nahe beim mittelalterlichen Ort Santa Pau, ideal gelegen direkt im Grünen am Volcà del Croscat, guter Ausgangspunkt für Wanderungen. Schattige Stellplätze, gute Sanitäranlagen, Restaurants. Ganzjährig nutzbar.
Standort: E-17811 Santa Pau, Ctra. Olot a Santa Pau, km 7, GPS 42°09’09”N, 02°32’48”O.
Telefon 0034/9 72 6803 58, www.i-santapau.com

Camping Montagut: In schönster Landschaft über dem Ort Mon-ta-gut zwischen Besalú und Castell-follit de la Roca liegt dieser ruhige Platz mit Restaurant, Bar und Pool. Ebenfalls gut geignet für Ausflüge in die Alta Garrotxa. Geöffnet April bis Mitte Oktober.
Standort: E-17855 Montagut, Ctra. Montagut a Sadernes, km 2, GPS 42°14’43”N, 02°35’58”O, Telefon 0034/9 72 2872 02, www.campingmontagut.com

Camping La Fageda: Ein kleines Stück südöstlich von Olot gelegener, weitläufiger Platz mit Swimmingpool, Restaurant, Bar. Guter Startpunkt für Wanderungen, Ausgangspunkt für Kutschfahrten durch den Vulkanpark. Ganzjährig geöffnet.
Standort: E-17800 Olot, Ctra. Olot a Santa Pau, km 4, GPS 42°09’27”N, 02°30’60”O.
Telefon 0034/9 72 2712 39, www.campinglafageda.com

Die aktuelle Ausgabe
Promobil 10 / 2023

Erscheinungsdatum 13.09.2023

172 Seiten