Haben Sie sich schon mal gefragt, wo Filme wie „Der Marsianer“ gedreht werden? Science-Fiction-Streifen mit geradezu absurd eindrucksvollen Landschaften? Klar, viel entsteht heute am Computer, aber wie beim Marsianer greift man auch gerne auf echte Landschaften, in diesem Fall Jordanien, zurück. Warum ich das erwähne, wenn diese Reise doch nach Namibia geht? Weil genau hier, am Felskoloss von Mirabib, auch so eine irrwitzige Marslandschaft ist, in der Mark Watney sein Überleben auf dem Mars kinoreif hätte inszenieren können. Kinoreif ist es aber auch ohne ihn. Viel mehr ist weit und breit gar kein Mensch. Nur ich.

Gestern waren wir noch zu fünft. Zusammen mit Freunden konnte ich das legendäre Dünental des Sossusvlei erkunden, durch den derb-verspurten Tiefsand am Deadvlei fräsen und in Solitaire den vermutlich wüstenhaftesten Apfelkuchen des Planeten vertilgen. Der Reiseplan der Freunde sah allerdings Botswana und Südafrika vor, und ich wollte weiter durch Namibia reisen. Vier herzliche Umarmungen und ein paar Stunden Pistenfahrt später bin ich in Mirabib. Über dem namensgebenden Felsen schüttet der tiefblaue Nachthimmel eine Million Sterne aus. Nur im Weltall selbst kann es noch beeindruckender sein.
Auf der Suche nach den „Little Five“
In Swakopmund, der Stadt mit der eigenwilligen deutschen Vergangenheit, bin ich mit Chris Nel verabredet, um die „Little Five“ zu suchen und zu besuchen. Sein Motto: „Die Big Five kennt jeder, aber die wahren Wunder sind die Little Five.“ Für die meisten Augen verborgen, leben sie im Sand von Swakopmunds grandioser Dünenlandschaft. Weil die Gegend zum Dorob Nationalpark gehört, lasse ich den Landcruiser stehen und klettere in Chris’ Land Rover. Im Schritttempo kurvt er zwischen den Dünen umher, hält da und dort an, steigt hin und wieder aus. Uneingeweihte fragen ihn gerne, was er da treibt und was er eigentlich sucht. Bis er plötzlich abrupt in der Nähe eines Buschs mit dicken Blättern anhält. „Wir werden beobachtet“, grinst er und beobachtet mich, wie ich zunächst hilflos den Sand scanne. Dann sehe ich eine Spur, S-förmige Linien, die untereinander keine Verbindung haben. In der Sahara habe ich ähnliche gesehen. Von Sandvipern. Die Spuren führen zu dem dickblättrigen Strauch, einem Dollarbusch. Darunter, eins geworden mit den Sandkörnern, hat es sich auch hier eine Sandviper gemütlich gemacht. Chris bläst den Sand behutsam von ihrem Körper, bis sie völlig frei liegt. „Sie wartet auf ein Chamäleon, vielleicht das da drüben.“ Da drüben? Bevor ich irgendwo ein Chamäleon orte, hat Chris die Schlange wieder mit Sand bedeckt, damit sie nicht von Vögeln attackiert wird. Das Chamäleon spotten wir wenig später. Fehlen noch drei der „Little Five“. Aber auch die findet Chris. Das Minikrokodil, das eigentlich Schaufelnasenechse heißt, den Wüstengecko mit Augen so groß wie ein Farbfernseher und den Fitzborrow-Skink. Diese blinde Mini-Echse mit einer Haut aus Glas schwimmt durch den Sand und erkennt ihre Beute an Vibrationen im Sand.

Vibrationen ganz anderer Art bringen mich zur Spitzkoppe. Feines Wellblech rüttelt am stoischen Landcruiser. Die Spitzkoppe, Namibias bekanntesten Inselberg, hatte ich schon von weitem gesehen. Wie ein ockerfarbenes Matterhorn überragt er eine endlose Ebene. Hier kann man wunderbar übernachten, aber mein heutiges Ziel ist die Omandumba-Farm der Familie Rust am Rande des Erongo-Massivs. Im letzten Büchsenlicht laufe ich ein und bekomme von Harald und Deike Rust einen Stellplatz zwischen kugeligen Felsen angeboten. Obwohl das Farmgebäude nicht weit ist, höre ich keine Menschenseele. Die Feuerstelle ist schon bereitet, das Dachzelt schnell ausgeklappt und eine Flasche eiskaltes Windhoek Lager geköpft. Herz und Geist, was willst du mehr?
Felsarchitektur vom Feinsten
Mit der Aussicht auf das Brandberg-Massiv, Namibias höchste Erhebung, starte ich zu einer eher haarigen Etappe. Östlich des Brandbergs verläuft die Hauptroute nach Norden. Was nicht heißt, dass es dort wie auf dem Kölner Ring zuginge. Nein, die Route ist nur spärlich befahren. Die Westumfahrung des Brandbergs dagegen ist wie ausgestorben. Allein dort unterwegs zu sein ist keine kluge Idee. Warum tue ich es trotzdem?
Es ist die Sehnsucht nach Weite, nach Einsamkeit und nach landschaftlicher Unberührtheit. Dazu gehört eine ordentliche Portion Vorsicht. Denn wer Brandberg-West befährt, darf nicht auf spontan auftauchende Hilfe bauen. Auf Handyempfang schon gar nicht. In Uis, dem letzten Ort, fülle ich alle Reserven. Da ich im Fall der Fälle nicht wie Mark Watney Ewigkeiten auf Hilfe warten möchte, melde ich mich zu Hause ab. Wenn ich mich nicht in spätestens zwei Tagen wieder melde, weiß man dort, dass etwas nicht stimmt – und sollte Hilfe organisieren.

Das markige Brandberg-Massiv immer zur Rechten, weht schnell eine ordentliche Staubfahne hinter dem Landcruiser her. Erst der Abstieg zum Ugab River wird etwas knackiger. Über grobes Geröll klettert die Piste abwärts, um den trockenen, aber sandigen Ugab zu queren. Aus dem Wagen entdecke ich Elefantenspuren im Flussbett. Zu sehen ist allerdings keiner. Das behagt mir auch besser. Denn im engen und steilen Tal des Ugab gäbe es bei einer Spontanbegegnung weder für sie noch für mich schnelle Rückzugsmöglichkeiten. Aber Spannung ist von jetzt an ohnehin mit an Bord.
Durch verwinkelte Canyons rumpelt die fordernde Piste bergan, bis sie auf einem Plateau wieder ans Tageslicht tritt. An freie Fahrt wie noch vor dem Ugab ist aber noch nicht zu denken. Zu hakelig ist der Weg, und man muss ständig auf Sendung sein. Scharfkantige Steine, krakende Felsnasen und derbe Absätze wollen dem Landcruiser den Weg madig machen. Über eine letzte Kuppe hinweg sehe ich dann Twyfelfontein. Die Gegend um die gleichnamige Lodge beherbergt zahlreiche Felszeichnungen aus der Frühzeit des Landes.
In der Lodge selbst kann der Körper wieder auftanken, das Auto nicht. Die nächste Tankmöglichkeit gibt es erst in Palmwag. Das Gute daran: In und um Palmwag stromern jede Menge Giraffen, Oryx-Antilopen und Elefanten umher. Und da ist mehr Platz als im Ugab.
Mit Karmanjab erreiche ich wieder belebtere Gebiete. Der Etosha-Nationalpark mit seinem Wildreichtum liegt vor der Nase. Den Ausflug dahin kann ich mir nicht verkneifen – auch den zu den Löwen von Mount Etjo nicht. Aber ich habe in den Tagen so viel fast Außerirdisches gesehen, dass ich mir das Mark-Watney-Gefühl noch ein bisschen erhalten möchte. Und richtig! Da ist ja auch noch das östliche Erongo-Gebiet, das Khomas Hochland und und und …
Reise-Infos Namibia
Anreise/Einreisebestimmungen: Mehrere Linien fliegen Namibias Hauptstadt Windhoek an. Flugzeit ca. 10 Stunden. Deutsche benötigen einen gültigen Reisepass und ein Visum (erhältlich an allen offiziellen Grenzstellen (Flughafen) für 90 Tage).

Fahrzeugmiete/Fahren in Namibia: Einer der renommiertesten Verleiher von Geländewagen mit Campingausrüstung ist ASCO-Car Rental. Der Fuhrpark umfasst vor allem die robusten Toyota Hilux und Landcruiser. An Bord sind Dachzelt, Matratzen mit Überzug, Kühlschrank, Gaskocher, Tisch, Stühle und Küchenequipment. Die Fahrzeuge sind für max. 5 Personen geeignet. Der Entleiher muss mindestens 25 Jahre alt sein und einen internationalen Führerschein vorweisen. Viele Hauptverkehrsverbindungen sind nicht asphaltiert, aber in gutem Zustand. Trotzdem ist beim Fahren Vorsicht geboten. Plötzliche Senken, querende Trockenflussbetten oder aufgewirbelte Steine können für unangenehme Fahrunterbrechungen sorgen. Wer noch nie abseits befestigter Straßen gefahren ist, dem wird ein Offroad-Fahrkurs empfohlen.
Kosten Fahrzeugmiete/Flug: Geländewagen mit Campingausrüstung saisonabhängig ab 77 Euro pro Tag. Direktflug nach Windhoek ab 700 Euro, in der Hochsaison auch über 1300 Euro. Früh buchen lohnt.
Camping in Namibia: Namibia ist sehr gut auf Individualreisende eingestellt. Viele Lodges und auch Farmen unterhalten Campingmöglichkeiten. In einigen Lodges kann man deren Pool, Bar und Restaurants mitbenutzen.
Zahlungsmittel/Preise: In Namibia wird mit Namib-Dollar gezahlt. Durch die Währungsunion mit Südafrika ist der Namib-Dollar immer gleich viel wert, wie der Südafrikanische Rand. Aus vielen Geldautomaten kommen sowohl Namib-Dollar als auch Rand. Mit beiden kann bezahlt werden. 1 Euro entspricht ca. 16 Namib-Dollar. Die Spritpreise liegen etwas unter dem deutschen Niveau.
Einkaufen/Verständigung: In jedem größeren Ort gibt es Supermärkte mit europäischem Warenangebot. Besonders Fleisch hat in Namibia einen hohen Qualitätsstandard. Grillfreunde werden es schätzen. Unbedingt probieren: Kudu und Springbock. Neben Afrikaans ist Englisch eine der Verkehrssprachen Namibias. In vielen touristischen Einrichtungen und in Swakopmund kann man aber sogar auch auf Deutsch Sprechende treffen.
Beste Reisezeit: Von Mai bis Dezember herrscht Trockenzeit, was viele Tiere zu den Wasserlöchern treibt und Beobachtungen leicht macht. Juni und Juli sind kalt, in Hochlagen muss man sogar mit Frostgraden rechnen. Von November bis April kann es sehr warm werden, und die Regenzeit (je nach Lage ab Ende Januar) kann abgelegene Wege unpassierbar machen.
Infos/Reiseführer/Veranstalter: Für geführte Touren, auch in entlegene Gebiete, bietet sich www.gravel-travel.de an. Besitzer Ralf Möglich ist seit über 25 Jahren in Namibia und kennt das Land wie seine Westentasche. Sicherheit wird bei ihm großgeschrieben. Wer lieber auf eigene Faust fahren möchte, findet im Iwanowski-Reiseführer einen sehr kompetenten Begleiter.