Wohnmobil-Tour auf der Île de Ré
Die kleine Insel im französischen Atlantik

„L’Océan“ sagen die Franzosen, wenn sie den Atlantik meinen. Kaum irgendwo lässt sich das ozeanische Lebensgefühl besser erleben als auf der Île de Ré. Eine kleine Insel vor der Atlantikküste.

Hafen von Saint-Martin-de-Ré
Foto: Ulrich Kohstall

Nicht einmal drei Kilometer lang ist die Brücke, die auf die Île de Ré führt. Dennoch hat man bei der Überfahrt – gut 40 Meter über dem Meer – das Gefühl, den Kontinent weit hinter sich zu lassen. Von nahezu jeder Inselstraße aus sieht man das Wasser glitzern, oder man bewegt sich zwischen flachen Häusern mit roten Dächern und großen pastellfarbenen Fensterläden, davor bunte Wildblumen. Als wären die Orte angelegt worden, um Ferienstimmung zu verbreiten. Darüber wölbt sich ein Himmel, endlos wie der Ozean.

Auf der Île de Ré muss man nicht ins Boot steigen, um die Weite des Meeres zu spüren. Steigern lässt sich dieses Gefühl durch den Aufstieg auf einen Leuchtturm am äußersten Ende der Insel. Der Phare des Baleines ist 57 Meter hoch, die größte Erhebung des Eilands gerade 19 Meter.

Der Blick von oben fällt auf lange Dünen und eine Kulturlandschaft mit großen Feldern zur Salzgewinnung. Bei Ebbe bilden breite Wattlandschaften eine unscharfe Grenze zwischen Wasser und Land.

Für zehn Dörfer hat die Insel Platz. Sie haben sich einem sanften Tourismus verschrieben. Statt auf Hotelburgen trifft man auf gastliche Camping- und Stellplätze. Das gilt auch für den Hauptort der Insel, Saint-Martin-de-Ré. Rund um die Hafenbecken gruppieren sich kleine Läden, Cafés und Restaurants – bunte Lebhaftigkeit als willkommener Kontrast zur beschaulichen Naturerfahrung auf der Insel.

Nur im Hochsommer platzen die Orte aus allen Nähten, denn für Franzosen ist die Île de Ré kein Geheimtipp mehr. Dann bilden sich schon auf dem Festland vor der Brücke lange Staus. Will man sommertags die Aussichtsplattform auf der Kirche in Saint-Martin besteigen, heißt es ebenfalls Schlange stehen. Doch der erhabene Blick auf die friedliche Geschäftigkeit entschädigt für die Wartezeit. Man kommt so auch dem Gotteshaus näher, dessen kuriose Architektur von Zerstörung und Wiederaufbau kündet. An hellen Tagen mag man kaum glauben, welch wechselvolle Geschichte die Insel mitgeprägt hat. In Saint-Martin legten auch jene Schiffe ab, die Sträflinge in entlegene Kolonien brachten. Beim Besuch der Zitadelle kann man Namen und Daten nachspüren, die Gefangene an ihren wohl letzten Tagen auf europäischem Boden in die Mauern ritzten.

Doch auch die Festungsanlagen um Saint-Martin gewinnen im Sommer an Leichtigkeit. Sie bilden die Kulisse für Poitou-Esel, die Kinder auf ihren zottigen Rücken tragen. Die traditionell mit einer Art Hosen bekleideten Esel gelten als Maskottchen der Ile de Ré. Passend für eine Insel, die Sympathie, Ruhe und Widerstandsfähigkeit gegen äußere Einflüsse ausstrahlt.