Drei Freunde und ein Hund steigen ein Jahr lang aus Beruf und Alltag aus. Ziel ist der unbekannte Osten mit Kirgistan als entferntestem Punkt. Als Fahrzeug und Unterkunft dient ein historischer Mercedes-Lastwagen, genannt Frau Scherer.
Drei Freunde und ein Hund steigen ein Jahr lang aus Beruf und Alltag aus. Ziel ist der unbekannte Osten mit Kirgistan als entferntestem Punkt. Als Fahrzeug und Unterkunft dient ein historischer Mercedes-Lastwagen, genannt Frau Scherer.
Seit wir – Heppo und Berit – vor fast zehn Jahren den damals noch dunkelblauen Allradlastwagen erstanden haben, träumen wir davon, mit ihm unterwegs sein. Besser gesagt mit ihr: Unser Rundhauber heißt Frau Scherer und ist tatsächlich eine Dame, die kurz vor ihrem 50. Geburtstag steht. Pünktlich zu diesem großen Jubiläum wollen wir ihr und uns etwas gönnen: Zusammen mit unserem Freund Matthias und Hund Sidi möchten wir ein Jahr lang durch Zentralasien reisen.
Die Route führt über Osteuropa und die Ukraine weiter nach Russland, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Usbekistan, Turkmenistan bis in den Iran und zurück. Zwar habe ich so meine Bedenken, ob es gut gehen wird, so lange zu dritt unterwegs zu sein. Aber ein Zurück gibt es irgendwann nicht mehr, denn mittlerweile ist alles für unseren Aufbruch in die Wege geleitet. Immerhin: Matthias hat ein eigenes Dachzelt bekommen. So viel Privatsphäre muss sein. Also starten wir den Motor und sind „on the road“.
Bald schon erreichen wir Montenegro. Wie der Name des Landes verrät, ist es hier sehr bergig. Plötzlich greifen Frau Scherers Bremsen nicht mehr, wir sind entsetzt. Vor unserer Abreise haben Heppo und Matthias die Bremsanlage komplett erneuert.
Bei einer Inspektion stellen wir fest, dass trotzdem der Kupferring am Hauptbremszylinder undicht ist. In Radanovici bedeutet uns der Werkstattbesitzer Stankok, auf die Grube zu fahren, und ruck, zuck ist der Kupferring ausgebaut, abgeschliffen und wieder eingebaut. Doch als der Chef dann persönlich zum Schlüssel greift und die Schraube fest anzieht, hat plötzlich das Gussgehäuse einen Riss. Was für ein Schlamassel. Zum Glück haben wir zu Hause ein Ersatzteil liegen, das uns der ADAC nach Dubrovnik in Kroatien schicken wird. Na toll, unsere Reise fängt ja schon gut an. Ein paar Tage später können wir dennoch endlich weiterfahren.
Wir sind in Russland: An einem See westlich von Moskau feiert Frau Scherer ihren 50. Geburtstag. Wir stoßen mit Sekt an und singen Frau Scherer ein Ständchen. Matthias, unser Hobbyflorist, hat einen wunderschönen Blumenschmuck aus Löwenzahn gezaubert.
Neben den allgegenwärtigen Mücken, den monotonen Birkenwäldern und den schnurgeraden Straßen hat Russland auch viele sehr schöne Seiten. In Susdal am Goldenen Ring glitzern die goldenen Kirchenkuppeln um die Wette, junge Frauen posieren in langen Blumenkleidern vor dem dortigen Kreml und die Männer reißen sich ihre T-Shirts vom Leibe, um prustend durch den Fluss zu kraulen.
Ende Juni reisen wir nach Kasachstan ein. Was haben wir nicht alles für Horrorgeschichten über dieses Land erzählt bekommen. Bereits in Deutschland wurden wir mehrfach vor der angeblichen Dschingis-Khan-Mentalität der Menschen dort gewarnt. Der erste Eindruck ist tatsächlich grausam. Riesige Schlaglöcher drohen Frau Scherer zu verschlingen. Außerdem leiden wir unter den höllischen Temperaturen. Das Laserthermometer zeigt 50 Grad vor der Fahrzeugtür an.
In Öskemen parken wir vor der neuen Moschee am Fluss. Matthias und Heppo wollen in die Stadt, Fußball gucken. Als sie gegen halb zwei Uhr morgens nach Hause kommen, ist ihnen ein betrunkener junger Mann aus der Kneipe gefolgt, der nun zu stänkern beginnt und zu Matthias aufs Dach klettert. Ich stehe mit gezücktem Pfefferspray bereit und zittere am ganzen Körper. Mit gutem Zureden schaffen wir es, den Rowdy fortzuschicken. Gefahr gebannt. In der Nacht schlafe ich aber nicht ganz so gut wie sonst.
Gut, dass ich an dieser Stelle noch nicht weiß, dass Kasachstan noch ein paar Überraschungen für uns bereithalten wird, sonst wäre ich wahrscheinlich auf der Stelle nach Hause geflogen. So bin ich ein paar Wochen später einfach nur froh, dass wir einen nächtlichen Steppenbrand, das Versumpfen in einem Salzsee und eine Massenschlägerei vor unserer Türe, ohne Schaden zu nehmen, überstanden haben und es weiter nach Kirgistan geht.
Die Zöllner an der kirgisischen Grenze sind entspannt. Bei der Gesichtskontrolle spiele ich dann den Clown vor der Videokamera: Posieren. Mit oder ohne Hut? Das finden alle lustig und schon sind wir im Land. Über Community Based Tourism haben wir ein Pferdetrekking gebucht. Fünf Tage wollen wir, obwohl allesamt gänzlich unerfahren, im Alai-Gebiet zum Reiten gehen. Heppo und Matthias sind jedoch die geborenen Cowboys. Sie traben sofort los und fühlen sich sichtlich wohl so hoch zu Ross. Ich bin etwas vorsichtiger. Steil geht es bergauf und bergab, über Geröllfelder und durch Bäche und Flüsse hindurch.
Das Mittagessen nehmen wir am Besh Kol ein, einem türkisblauen See auf knapp 4.000 Metern, am Fuße weißer Gletscher. Weiter geht es nach Süden, in Richtung Pik Lenin, dem zweithöchsten Berg Kirgistans. Mit stolzen 7.134 Metern liegt dieser im Grenzgebirge zu Tadschikistan, dem Pamir. Wir reiten über eine Hochebene auf die schneebedeckten Gipfel zu. Erst kurz vor Sonnenuntergang kommen wir am Jurtencamp an, das in einer magischen Hügellandschaft am See Tulpar Kol liegt.
Dieser schillert in allen Farben und die umgebenden Berge sind tatsächlich rot und grün und blau. Über uns kreist ein Adler und die Murmeltiere pfeifen und spielen Verstecken mit unserem Hund. Es ist wirklich schön hier. Doch bald sehnen wir auch alle das Ende des Trekkings herbei. Unsere Gesichter sind von der Höhensonne rot und verbrannt und unsere Glieder schmerzen höllisch. Aber unterm Strich sind wir alle sehr glücklich und zufrieden. Besonders Sidi hatte eine prima Zeit.
Wir sind ja nun schon einiges gewohnt, aber das hier ist kaum zu glauben. Mehrere Male fotografieren wir entsetzt die kaputte Piste, die die einzige Verbindung zwischen Kirgistan und Tadschikistan darstellt. Kein Wunder, dass wir für die 40 Kilometer am Ende vier Stunden Fahrzeit benötigen. Die erste Nacht in Tadschikistan verbringen wir in kompletter Einsamkeit am Salzsee Karakul, auf knapp 4.000 Metern, in einer der schönsten Landschaften der Welt, einer Steinwüste, die in allen Farben leuchtet.
4.655 Meter sind wir über dem Meeresspiegel, als wir tags darauf den Ak-Baital-Pass passieren, den höchsten Punkt unserer Reise. Jetzt im September beginnen nachts bereits die Bäche und Seen einzufrieren. Der nahende Winter ist nun schon deutlich spürbar. Es wird auf jeden Fall Zeit, aus den Bergen herauszufahren. Fast werde ich melancholisch in dieser extremen Landschaft. Matthias wird uns in Duschanbe verlassen und alleine weiterreisen. Ein halbes Jahr lang zu dritt auf zehn Quadratmetern zu leben war dann doch etwas viel für alle. Glücklicherweise trennen wir uns im Guten. Die Hälfte unserer Reise liegt hinter uns und rein rechnerisch befinden wir uns bereits auf dem Rückweg. Doch der Weg ist das Ziel, und vor uns liegen noch schöne Monate mit wunderbar exotischen Ländern wie Usbekistan, Turkmenistan, Iran und Oman.