500 Jahre Reformation: ein guter Anlass, mit dem eigenen Wohnmobil Martin Luthers wichtigste Wirkungsstätten zu erkunden. Denn in jedem dieser Orte wohnt ein Stück deutscher Geschichte.
500 Jahre Reformation: ein guter Anlass, mit dem eigenen Wohnmobil Martin Luthers wichtigste Wirkungsstätten zu erkunden. Denn in jedem dieser Orte wohnt ein Stück deutscher Geschichte.
„Aus einem verzagten Arsch fährt kein fröhlicher Furz.“ Solche Luther-Zitate rufen noch heute Schmunzeln oder Nachdenken hervor. Vor allem aber haben die 95 Thesen des Jahres 1517 die Welt verändert, indem sie das christliche Kirchenbild reformierten. Und Dr. Martin Luthers Bibelübersetzung ab 1521 verhalf ganz nebenbei auch einer hochdeutschen Sprache zu weiter Verbreitung.
Ob die 95 Thesen tatsächlich an der Wittenberger Schlosskirche prangten, ist ungewiss. Aber Luther hat jedenfalls viele Jahre in dieser Stadt gelebt und gewirkt. Wer sich der „Lutherstadt Wittenberg“, wie sie seit 1938 offiziell heißt, mit dem Reisemobil nähert, muss zunächst enttäuscht feststellen, dass es hier bislang noch keinen ausgewiesenen Stellplatz gibt. Bleibt nur der Campingplatz an der Elbe, der sich indes bald als praktisch gelegen und gastfreundlich erweist.
Wittenberg trägt seit 2014 auch noch den Ehrentitel „Reformationsstadt Europas“. Sie liegt im Land Sachsen-Anhalt, das sich auf den touristischen Hinweistafeln an der Autobahn als „Land der Reformation“ bezeichnet – ungeachtet der Tatsache, dass just dieses Bundesland heute in Deutschland den prozentual geringsten Anteil an Kirchenmitgliedern hat.
Da stellt sich bald auch die Frage, warum eigentlich außer evangelischen Christen auch Andersgläubige und Konfessionslose die Stätten und Veranstaltungen der Reformation besuchen und erleben sollten. Antwort: weil sie alle ein prägsames Stück deutsche Geschichte erfahren können, gut erhaltene Kirchenarchitektur im weiteren Sinne zu besichtigen ist und reichlich Gelegenheit zur Begegnung und zum Gespräch geboten wird. Die Ausrichter des Jubiläums sehen die Reformation als Teil der Freiheitsgeschichte der Neuzeit. Die Ministerpräsidenten der deutschen Länder würdigten sie sogar mit einem bundesweiten Feiertag am 31. Oktober 2017.
Einen Einblick in die Welt zur Zeit der Reformation gewährt das neue 360-Grad-Zeitreise-Panorama „Luther 1517“ in Wittenberg mit zehntausenden Einzelbildern auf 15 mal 75 Meter Leinwand. Nicht neu, aber restauriert präsentiert sich die Schlosskirche mit der Tür, an die die 95 Thesen angeschlagen worden sein sollen. Alles andere Historische ist ebenfalls für das große Fest herausgeputzt worden.
Wittenberg lebt 2017 aber nicht nur über ihre alten Gemäuer, sondern durch zahlreiche Veranstaltungen zum Mitmachen, Zusehen oder Zuhören. Vieles davon konzentriert sich auf das letzte Drittel des Monats Mai, in dem einige Ausstellungen eröffnen, der „Kirchentag auf dem Wege“ in der Stadt ankommt und den gewohnten Kirchentag selbst erlebt. Zwar wird der Campingplatz just zu diesem Termin gesperrt, aber immerhin gibt es einen Ausweichplatz. Begegnungsfeste bringen unterschiedliche Gruppen zusammen, und die Stadt feiert wie jedes Jahr im Juni Luthers Hochzeit nach.
Luthers Bedeutung wäre eine geringere gewesen, hätte er sich im April 1521 auf dem Wormser Reichstag nicht geweigert, vor Kaiser Karl V. seine Schriften zu widerrufen. Er schied vom Reichstag mit den Worten „Ich bin hindurch“ – und nicht mit „Hier stehe ich und kann nicht anders“.
Mit diesem Mut Luthers avancierte Worms zu einer Kernstätte der Reformation. Ausdruck findet diese Bedeutung in einem der größten Reformationsdenkmäler, das ihm die Nachwelt in Worms schenkte. Es ist nach dem Sinn des Lutherliedes „Ein feste Burg“ gestaltet und zeigt den Reformator auf dem Hauptpostament inmitten von Persönlichkeiten seiner Zeit. Weitere Reformationsgedenkstätten sind die Dreifaltigkeits-, Friedens- und Lutherkirche.
Im nahen Speyer stellten sich 1529 sechs Fürsten und 14 Reichsstädte gegen die über Luther verhängte Reichsacht. In der Folge hießen die Anhänger der Evangelisch-Lutherischen Kirche Protestanten. Zur Erinnerung an dieses Ereignis wurde um die Jahrhundertwende 1899/1900 die Gedächtniskirche der Protestation errichtet.
Zurück ins Jahr 1521: Luthers Abgang vom Wormser Reichstag machte ihn zu einem Vogelfreien. Aber er hatte einen Gönner, den Kurfürsten Friedrich den Weisen, der ihn aus der Schusslinie nimmt und auf die Wartburg bringen lässt. Dort begann der Mönch 1521 mit der Bibelübersetzung ins Deutsche. Er war nicht der Erste damit, aber der Beste. Er schuf eine Sprache, die bald so viel Anerkennung fand, dass sie als die Mutter einer deutschen Einheitssprache gilt. Legendär sein angeblicher Wurf eines Tintenfasses gegen den Teufel. Sicher ist nur die permanente Erneuerung des Tintenflecks in der Lutherstube der Vogtei der Burg.
Auf der Wartburg lebte die später heilig gesprochene Elisabeth von Thüringen, forderten deutsche Studenten auf dem ersten Wartburgfest 1817 einen deutschen Nationalstaat.Sie ist heute ein nationales Symbol wie der Kölner Dom oder die Frankfurter Paulskirche. Eisenach selbst beherbergt das Bachhaus, die „Automobile Welt Eisenach“ und weitere Sehenswürdigkeiten.
Neben den drei herausragenden Aktivposten im Leben Luthers ist aber auch jene Stadt einen Besuch wert, wo er nur passiv in Erscheinung trat: Eisleben. Hier wurde er 1483 geboren, hier starb er 1546. Seine letzte Ruhestätte fand er jedoch in Wittenberg unter der Schlosskirche. Die Lutherstadt Eisleben gedenkt seiner mit einer Dauerausstellung in seinem Geburtshaus, das 1689 bei einem Stadtbrand zerstört und wieder aufgebaut wurde. Sein Sterbehaus erfuhr in den Jahren 2010 bis 2013 eine umfängliche Renovierung und kann heute besichtigt werden.
Die Reformation spiegelt sich in weiteren Städten, darunter Augsburg, Coburg, Erfurt, Heidelberg, Magdeburg, Marburg, Mansfeld, Schmalkalden und auch Torgau. Sie wie auch die Weggefährten, die Mitstreiter und Gegner Luthers mussten aus Platzgründen auf dieser knappen Wegbeschreibung außen vor bleiben.
Schließlich ist auch eine Nicht-Luther-Stadt 2017 durchaus eine Reise wert: Berlin. Dort ist im weltweit bekannten Ausstellungstempel, dem Martin-Gropius-Bau, eine Ausstellung zu erleben, die zeigt, dass die Reformation mehr als ein reines Kirchenereignis ist. Sie lockt Besucher mit einem großen Versprechen: „Als erste Ausstellung zeigt ‚Der Luthereffekt’ die globale Wirkung, die die Reformation durch die Jahrhunderte erzielte, aber auch die Konfliktpotenziale des Protestantismus zwischen den Kulturen.“
Allgemeine Informationen zum Reformationsjubiläum: Telefon 0 34 91/6 43 46 00, https://r2017.org