Mit dem Wohnmobil nach Italien
Das kulinarische Schlaraffenland in Piemont

Staunen und Geniessen: Im Piemont, das sich mit seinen auf- und abwogenden Weinbergen zu Füßen mächtiger Viertausender ausbreitet, kommen Kunstfreunde, Wanderer und Weinliebhaber gleichermaßen auf ihre Kosten.

Nord-Italien, Reise-Tipp
Foto: Udo Bernhart

Gran Paradiso, Monviso, Monterosa: Prominente, über 4000 Meter hohe Felsberge umstehen das Piemont und schaffen die perfekte Szenerie für herrliche Trekkingtouren. Der Weitwanderweg GTA etwa führt den ganzen nordwestitalienischen Alpenbogen entlang vom Monte Rosa bis ans Ligurische Meer. Herrlich für ungestörte Touren sind die einsamen, schluchtartigen Bergtäler nördlich von Cuneo – das Val Maira oder das Val Varaita.

Kulinarische Reise durch Norditalien

Aus diesem Grund starten wir unsere kulinarische Pilgerreise in den Alpen: am Fuß des vergletscherten Monte-Rosa-Massivs, das bis in 4000 Meter Höhe aufragt. In dieser wenig bekannten Ecke Piemonts holen wir uns erst einmal auf einer Bergwanderung durch die einsame Natur tüchtigen Appetit. Stärkung winkt indes bereits unterwegs – zum Beispiel in dem urigen Rifugio Valle Vogna in Sant Antonio bei Alagna. Ausführlich einkehren werden wir dann aber in einem der kleinen Bergdörfer mit ihren pittoresken Walser Holzhäusern, in Alagna Valsesia. Hier steht typisch Alpenländisches auf der Speisekarte: geräucherter Schinken und würziger Bergkäse von den umliegenden Almen.

Kochkunst Piemont
Ingolf Pompe
Am Lago Maggiore kann man außerhalb der Hochsaison die südliche Atmosphäre ohne großen Trubel genießen.

An den Ausläufern der Alpen liegt mit dem Lago Maggiore das zweite Highlight auf unserer Route. Ein Besuch der berühmten Isola Bella mit ihrem Palast und ihren Gärten darf hier nicht fehlen. Wenn die Jahreszeit es zuließe, würden wir am Lago natürlich auch einen Badetag einlegen. Als kleiner Vorgeschmack auf weitere Genüsse der piemontesischen Küche lockt uns ein Aperitivo in einer der vielen Bars in Stresas Altstadt: eine Art italienische Happy Hour, bei der am frühen Abend zu Wein oder Bier kleine Häppchen Käse, Wurst und Pizzastücke gereicht werden.

Turin – Fiat, Fußball und sonst nichts?

Weiter im Süden schließt sich die Poebene mit der größten Stadt und dem Verwaltungssitz der Region Piemont an. Wir kennen Turin als Fußball- und Autostadt – Fiat und der legendäre Club Juventus lassen grüßen. Wir wollen jetzt aber die kulinarischen Schätze der schmucken piemontesischen Metropole kennenlernen. Auf Turins zentraler Piazza San Carlo nehmen wir Platz in demgleichnamigen Traditionskaffeehaus unter den allgegenwärtigen Arkadengängen. Hier wurde 1786 der Wermut zum ersten Mal gemixt. Martini Rosso ist übrigens ebenfalls in Turin kreiert worden. Am hellen Nachmittag wählen wir stattdessen lieber einen Bicerin, ein Kaffeegetränk mit Schokolade und Milch oder Sahne. Dazu naschen wir ein paar der lokal hergestellten Nougatpralinen, Gianduiotti genannt, die von den Turiner Chocolatiers geschaffen wurden.

In den vergangenen 20 Jahren hat sich die piemontesische Hauptstadt von einer arbeitsamen Industriemetropole in ein buntes Zentrum zeitgenössischer Kunst verwandelt – das bedeutendste Italiens. Zwischen barocken Patrizierpalästen, feierlichen Platanenalleen und dem bröckelnden Charme der Industrieruinen aus dem 19. Jahrhundert haben Künstler und Galeristen ein perfektes Habitat gefunden.

Neben multiethnischen Stadtvierteln wie San Salvario oder Porta Palazzo mit ihren Ateliers, in denen „off“-Kunst-Events stattfinden, verdienen Institutionen wie das Savoyerschloss von Rivoli Beachtung, das heute eine angesehene Sammlung zeitgenössischer Kunst beherbergt. Mit anspruchsvollen Ausstellungen lockt die Stiftung Sandretto Re Rebaudengo das Publikum in eine ehemalige Fabrikhalle im Vorort San Paolo. Die Lichtinstallationen „Luci d’ Artista“ stammen aus der Hand internationaler Künstler – und verleihen der Stadt zwischen November und Januar einen besonderen Zauber.

Monferrato – Entspannung und stilles Durchatmen

So verwöhnt, kann die Reise weitergehen in Richtung südliches Piemont, in das eigentliche Mekka der Schlemmer – das Langhe und Monferrato.

Das Meer der tausend Hügel: So werden Monferrato und Langhe genannt. Hier im südöstlichen Piemont, zwischen dem Po im Norden und den Gebirgsketten des Apennin im Süden, schlägt das Herz der Region. Nichts als Hügelkuppen und Täler und wieder Hügel, bunt getupft mit Weinbergen und Wiesen, Äckern und Haselnussbüschen.

Kochkunst Piemont
Ingolf Pompe
Das Dorf Serralunga d’Alba liegt im Weinanbaugebiet Langhe. Hier auf den sanften Hängen reift der berühmte Barolo-Wein.

Das Monferrato eine Landschaft, in der man schon deshalb entschleunigt, weil die Sträßchen, die die Wellentäler im Hügelmeer auf- und abklettern, so schmal und kurvig sind, dass man es besser nicht eilig hat. Doch auch wer das typisch italienische (klein-)städtische Leben sucht, wird im Monferrato fündig. Hier locken Städte wie etwa Casale Monferrato, ein munteres Barockstädtchen mit einer eindrucksvollen Basilika oder Acqui Terme mit seinen römischen Ausgrabungen und seinem bekannten Thermalbad.

Auf den Hügelspitzen Monferratos sitzen historische Dörfer wie Castagnole delle Lanze, eng herumgebaut um meist barocke Pfarrkirchen, deren rötliche, unverputzte Backsteinfassaden so typisch sind für das Piemont. Fast jedes Dorf hat sein „Belvedere“, einen oft mit Schatten spendenden Platanen umstandenen Aussichtsplatz, von dem der Blick in die Ferne bis hin zu der steil aufragenden Kette der Westalpen besonders prächtig ist.

Namen wie Barolo, Alba und Asti lassen das Genießerherz höher schlagen. Qualität und Hingabe sind die Ingredienzien dieses Schlaraffenlandes – das spüren wir im Langhe überall. Wein, Wurst, Käse, Pilze, Schnecken, Schokolade, Nüsse und vieles mehr sind hier vom Allerfeinsten. Der Slow-Food-Tempel Osteria del Boccondivino in Bra war die Antwort von Carlo Petrini und seinen „Freunden des Barolo“ auf das erste Fast-Food-Restaurant in Rom in den 1980ern.

Wein, Schnecken und Trüffel für Genießer

Eine Weinprobe in einem der malerischen Weindörfer wie La Morra oder Serralunga wollen wir natürlich auf keinen Fall versäumen. Der Barolowein, der zu 100 Prozent aus Nebbiolotrauben gekeltert wird, zählt zu den Spitzenprodukten italienischer Winzer. Dabei handelt es sich um einen anspruchsvollen und tanninreichen Roten, den schon die Savoyerfürsten zu schätzen wussten und der nur im südöstlichen Piemont, in elf Winzergemeinden rund um das 900-Seelen-Dorf Barolo, gekeltert werden darf. Ganz billig ist dieser Rebensaft nicht, wie überhaupt das kulinarische Angebot der Region seinen Preis hat. Wir wollen deshalb ein bisschen genauer wissen, was es mit der Qualität der Weine auf sich hat, und besuchen das Weinbaumuseum im Castello Falletti in Barolo.

Kochkunst Piemont
Ingolf Pompe
Weingut Camerano in Barolo: Der Kellerchef selbst prüft den Gehalt seines edlen Tropfens.

Barolo und Barbaresco, aber auch Barbera und Dolcetto, Gavi und Moscato: Das Piemont zählt zu den besten Weinanbaugebieten der Welt, weshalb dort auch fast nur Qualitätsweine gekeltert Aber auch Geheimtipps wie der kirschrote, leichte Grignolino oder die unkomplizierten Nebbioloverschnitte Ghemme oder Gattinara lohnen ein Gläschen.  Auch der Roero Arneis, ein fruchtiger, trockener Weißwein, den es nur in dieser Region gibt, ist bei Weinliebhabern in aller Welt sehr begehrt. Bei den meisten Winzern kann man direkt kaufen – und zuvor natürlich erst einmal probieren

In Cherasco schauen wir beim internationalen Institut für Schneckenzucht vorbei, dem Istituto Internazionale di Elicicoltura in der Via della Pace. Mehrmals pro Monat finden hier Schulungstage, Verkostungen und andere Events statt (Info: www.istitutodielicicoltura.it, telefonische Anmeldung: 00 39/01 72 48 93 82).

Für Kenner des weißen Trüffels ist die Trüffelmesse in Alba ein Muss. Im Oktober und November wird die Stadt am Fluss Tanaro zum globalen Zentrum der Trüffelwelt. Die Kostbarkeit wird mit Trüffelhunden gesucht, die Fundorte sind ein gut gehütetes Geheimnis – verständlich, 100 Gramm des weißen Goldes bringen bis zu 400 Euro ein. Für einen erschwinglichen Genuss genügt es, etwas von der Knolle auf ein Spiegelei zu raspeln. Tolles Aroma!

Wer unter all den Schnecken, Weinen und Trüffeln noch kein geeignetes Geschenk für die naschhaften Daheimgebliebenen gefunden hat, greife wie wir einfach zum bekanntesten und erschwinglichsten Produkt aus Alba: Nutella. Der Schokobrotaufstrich wird dort mit den Haselnüssen aus der Umgebung hergestellt.

Schlemmen im Piemont

Kochkunst Piemont
Ingolf Pompe
Stolz präsentiert eine Händlerin ihre Riesenpilze auf dem Markt von Alba.

Nirgends isst man so gut und üppig wie in dieser Region, in der eine Köchin, die auf sich hält, ihren Pastateig mit 15 Eigelb pro Kilo Mehl knetet. Ob sie daraus dann Tajarin formt, schmale Bandnudeln, oder Agnolotti, mit Braten und Wirsing gefüllte Teigtäschchen, die mit Parmesan serviert werden – der Gast, und sei es in der unscheinbarsten Trattoria, wird auf alle Fälle glücklich. Weitere Glücksfälle der piemontesischen Küche, in der Fisch so gut wie keine Rolle spielt, sind Antipasti wie gefüllte Zucchiniblüten oder gegrillte Paprikaschoten, die mit der Knoblauch-Sardellen-Sauce bestrichen sind, Tatar oder Schmorbraten aus dem Fleisch der „Razza Piemontese“, einer besonders wohlschmeckenden Rinderart.

Tipps für die Region

Palio Degli Asini
Ein historischer Umzug mit Reiterspielen und prestigeträchtigem Pferderennen ist der alljährlich im Spätsommer stattfindende Palio di Asti. Weit weniger ernsthaft geht es Anfang Oktober bei seiner Verballhornung, dem Esel-Palio in Alba, einher: Die den Reitern zugelosten, meist störrischen Tiere machen die Wetten auf den Sieger endgültig zu einem Glücksspiel. Manch ein Esel muss schon über die Startlinie gezerrt werden. Ein sehr unterhaltsames Spektakel ohne ernsten Ausgang. http://langhe.net

Kunst unter freiem Himmel
Dieses zeitgenössische Museum kennt keine Öffnungszeiten – denn die bunten Bilder wurden direkt auf die Häuser des Dörfchens Maglione gemalt. www.macam.org

Borromäische Inseln
Am Lago Maggiore vor Stresa liegen drei Inseln, die die Grafen Borromeo in bildschöne Ensembles aus Gärten, seltenen Pflanzen, Statuen und Barockpalästen verwandelt haben. Von Stresa aus setzen Boote über.

Alle Infos für eine Reise in das Piemont

Anreise
Am schnellsten erreicht man das Piemont von Norden aus über die Schweiz in Richtung Mailand. Von dort geht es auf der A 4 weiter Richtung Turin.

Italienische Zentrale für Tourismus (ENIT)
Auf der Website der Tourismus-Zentrale findet man umfangreiche Informationen zu Themen wie Reiseziele, Essen & Trinken, Kunst & Kultur, Märkte, Wellness und vieles mehr.

Italienische Zentrale für Tourismus
(ENIT), Barckhausstraße 10,
60325 Frankfurt am Main,
Telefon 069/23 74 34,
www.enit.de

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