Die Verblüffung war komplett. Da kam einer mit dem Wohnmobil, einem wendigen Van, auf den Platz, später gesellten sich zwei Radfahrer dazu. Am nächsten Morgen fuhren zwei mit dem Rad weiter und einer machte Wagen- und Platzdienst, um dann ebenfalls weiterzufahren. Aber das war nicht der Lenker vom Vortag!
Dieser Wechsel hatte Methode. Drei Freunde im schönsten Rentenalter wollten eine größere Radtour machen und dabei auch noch die Flexibilität eines Reisemobils nutzen. Sie einigten sich auf einen Rhythmus, bei dem immer zwei radeln und einer das Wohnmobil bewegt. Und das im Bäumchen-wechsle-dich-Stil. Die Idee machte den drei Aktiven große Freude und fand bei den Beobachtern auf Reisemobilstell- und Campingplätzen zwischen Cuxhaven und Pirna entlang der Elbe Anklang.
Stimmen sollte dabei zunächst die Chemie. Nicht die in der Sanitärzelle, sondern die im Kopf, im Herzen und im Bauch. Wenn sich solch eine stimmige Gruppe findet, gleich, ob aus Freunden, Verwandten oder Kollegen bestehend, kann die nächste Frage angegangen werden: Traut sich jeder zu, ein Reisemobil zu fahren? Zu prüfen ist weiter, ob man eine Versicherung hat, die es erlaubt, dass jedermann mit dem Fahrzeug fahren darf.
Das Reisemobil kann nicht groß genug, die Packmoral nicht streng genug sein. Da der Radfahrer zu den normalen Sachen spezielle Kleidung benötigt und diese auch als Wechsel dabei haben sollte, braucht man eine Menge Stauraum.
Der Elbe-Radweg als erklärtes Beziehungsziel
Ein Radweg entlang eines Flusses verspricht Fahren in der Ebene. Diese Annahme erfüllt sich bei der Elbe voll. Doch die meiste Zeit sieht der Radler von dem Fluss nichts. Das liegt an den umfangreichen Deichsystemen, die sich von der Mündung bis hinauf nach Dresden erstrecken. Stellenweise wird auch mal auf oder vor der Deichkrone gefahren, meist jedoch dahinter.
Der Radweg führt, mal links- mal rechtselbig, mitunter auch beidseitig durch eine Landschaft verblüffender Schönheit. Die weiten Flächen, die dem Fluss zugestanden werden, wenn er Hochwasser führt, und die deshalb nicht bebaut sind, erschließen sich einem Radfahrer in besonders erträglicher Weise: Er kommt voran und kann trotzdem noch ein Auge auf die Pflanzen- und Tierwelt (Störche über Störche!) richten.
Neben der Natur hat die jüngere deutsche Geschichte einen unfreiwilligen Beitrag zur Erhaltung dieser Flusslandschaft beigetragen. Die Elbe war über Jahrzehnte Teil der brutalsten Grenze in Europa, von Lauenburg bis fast nach Wittenberge. Das Grenzregime blockierte auf beiden Seiten, aus unterschiedlichen Gründen, eine wirtschaftliche Erschließung.
Stromab- oder stromaufwärts radeln? Bei einem Höhenunterschied von lediglich 146 Metern auf über 800 Kilometer ist nicht die Fließrichtung das Argument, sondern der Wind. Und der pflegt eher aus nördlichen und westlichen denn aus südlichen und östlichen Richtungen zu kommen.
Außer der Natur bietet der Elbe-Radweg jede Menge Kultur in Gestalt sehenswerter Städte und anderer Zeugnisse menschlichen Tuns. Das beginnt im Norden mit der Stadt Stade, in der das Leben prächtig pulsiert. In Hamburg führt der Radweg über den Fischmarkt entlang der Landungsbrücken mit den freien Blicken auf Teile des Hafens und hinüber zum Neubau der Oper. Wer sich den Gag leisten will, einmal mit dem Fahrrad die Reeperbahn entlang zu radeln, kann das ohne großen Umweg tun. Am Rande Boizenburgs und auf den anschließenden Kilometern erinnern kleine Museen und Gedenktafeln an die Situation zwischen 1945 und 1989. Die Vereinigung hingegen bezeugen einige Brücken über die Elbe, die nach 1990 neu, zusätzlich oder wieder aufgebaut wurden, etwa bei Dömnitz, Tangermünde, Wittenberg, Mühlberg oder Pirna. Ein Meisterstück, eine Welteinmaligkeit, ist das Wasserstraßenkreuz Magdeburg nahe Hohenwarthe.
Wer noch nicht genug von der Elbelandschaft hat, genießt im Wörlitzer Park bei Dessau-Roßlau ein weiteres Schmankerl in Grün mit Wasser. Nach dem schönen Dresden finden sich noch Kleinode wie das Schloss Pillnitz und die Städte Wehlen und Bad Schandau, die zum Verweilen einladen.
In der Ausschilderung hat der Elbe-Radweg noch Reserven
Besonders im nördlichen Teil fehlt schon mal das blaue E mit der Welle. Die Durchquerung von größeren Städten ist ohne weitere Hilfe wie Kartenmaterial und Navigationsgerät kaum möglich.
Die Wegeauszeichner waren bemüht, vielbefahrene Straßen zu meiden. Das ist ihnen gelungen. Der größte Teil des Elbe-Radweges verläuft auf asphaltiertem Untergrund. Unbefestigte Wege sind selten. Bei der Wahl der Stellplätzenlätze wird die Länge der Tagesetappen den Ausschlag geben. Wir radelten im Durchschnitt etwas mehr als 100 km pro Tag. Um das zu schaffen, muss man im Alltag regelmäßig trainieren. Zumindest, wenn man keine 25 mehr ist.
Schwitzen wird man in jeder Alterslage, so dass auch das Vorhandensein von Duschen bei der Stellplatzwahl eine Rolle spielen kann. Zusätzlich müssen weitere Plätze für den Fall ermittelt werden, dass der Fahrplan nicht eingehalten werden kann. An dem Tag, an dem die längste Etappe mit 124 Kilometer geplant war, erwischte uns ein heftiger Gegenwind. Wir fuhren nur 80 Kilometer, verlängerten die Reise um einen Tag und strukturierten die restlichen Etappen neu.
Das Reisen „zwei plus eins“ hätte es auch ermöglicht, den Ausfall eines Fahrrades zu überbrücken. Und wenn einer von uns einmal geschwächelt hätte, wäre er hinters Lenkrad gesteckt worden und ein anderer dafür in den Fahrradsattel gestiegen. An manchen Tagen trafen wir uns zum Mittag- oder Eisessen, wenn wir uns mittags per Handy über den weiteren Tagesverlauf abstimmten. Manchmal war der Fahrer so früh am neuen Stellplatz, dass er den Radlern mit seinem Rad ein Stück entgegenfuhr.
Auf der Schlussetappe stellten wir das Reisemobil am späten Vormittag auf dem Campingplatz Pirna-Copitz ab, fuhren zu dritt mit den Rädern bis an die tschechische Grenze und dann zur Abwechslung mit einem Raddampfschiff von Bad Schandau nach Pirna zurück.
Alternativen zum Dreigespann, alle Infos und Stellplätze rund um den Elbe-Radweg finden Sie auf der nächsten Seite.