Gerade noch war der Himmel fast vollständig bedeckt, jetzt bläut er wieder blitzblank. Dazu beigetragen hat der muntere „Tramuntana“, der in Böen mit Windstärke sechs von den Pyrenäen her übers Meer fegt. Mannshohe Wogen klatschen gegen die Bordwand, was einigen Passagieren eine unnatürliche Blässe ins Gesicht treibt. Doch wirklich fürchten muss sich niemand, denn das knallgelbe Ausflugsschiff, das um die Medes-Inseln kreuzt, hält tapfer Kurs.
Der Mini-Archipel besteht aus sieben steil aus dem Wasser ragenden Kalkfelsen, allesamt nur rund einen Kilometer entfernt von der Costa Brava, der „wilden Küste“ also. In früheren Jahrhunderten waren diese Inseln bevorzugte Schlupfwinkel von Piraten, heute bilden sie ein geschütztes Rückzugsgebiet für Vögel. Zirka 60 Arten nisten in Nischen und Vorsprüngen. Wir dürfen ein wenig auf „Meda Gran“ herumkraxeln, der größten Insel. Nur auf ihr sind Landgänge erlaubt, außer während der Brutzeit (von März bis Juni).
Die Hauptsehenswürdigkeiten liegen unter Wasser
Nährstoffreiche Strömungen, tiefe Gräben und Abbrüche begünstigen bei Meda Gran eine außergewöhnliche Artenvielfalt. Aber man muss selbst gar nicht hinuntertauchen, um etwa Riesenzackenbarsche zu beobachten, denn die Gästeboote sind in der Regel mit Sichtfenstern unterhalb der Wasserlinie ausgestattet. In einem 75 Meter breiten Streifen rund um die Inselgruppe ist es übrigens strikt untersagt, Wasserski zu fahren, Pflanzen zu entnehmen oder zu fischen.
Nach der Rückkehr in den Hafen von L'Estartit weicht auch bei den letzten Passagieren die Blässe aus dem Gesicht. Man steuert schnurstracks das Restaurant „Club Nàutic“ an – und verlässt den gastlichen Ort nach zwei Stunden wieder gut gesättigt und um die beruhigende Erkenntnis bereichert, dass edle Meeresfrüchte und andere mediterrane Köstlichkeiten auch in gediegener Yachthafenatmosphäre nicht zwangsläufig teuer sein müssen.
Das schönste Dorf der Welt liegt an der Costa Brava
Auch in Cadaqués, dem angeblich „schönsten Dorf der Welt“, finden genussfreudige Urlauber ein weiteres, sehr empfehlenswertes Lokal: das „Compartir“, dessen Küche weithin als ungemein ideenreich gerühmt wird. Drei ehemalige Küchenchefs des legendären „El Bulli“ von Starkoch Ferran Adrià haben es erst im letzten Jahr eröffnet.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zogen Künstler wie Max Ernst oder Pablo Picasso nach Cadaqués. Und Salvador Dalí natürlich – sicherlich auch deshalb, weil sein Vater von hier stammte. Großen Meistern wird man heutzutage in den Gassen mit den blendend weißen Häusern nur höchst selten begegnen. Dafür können wir uns nicht sattsehen zum Beispiel an den überall emporragenden, herrlich rosa blühenden Bougainvillea-Stauden.
Schöne Altstädte und ein Museum mit einem Cadillac
Dalís unglaublicher Schaffensdrang offenbart sich im Teatre-Museu in Figueres, dem nahe gelegenen Handelszentrum. Das Museum, das er selbst schuf und mit dem er sich ein Denkmal setzte, zählt zu den meistbesuchten in Spanien. Es ist weit mehr als eine Sammlung von surrealen Gemälden, denn zu sehen ist hauptsächlich ein Sammelsurium von oft wahnwitzigen, genial arrangierten Objekten. Darunter das skurrile „Regentaxi“ – der vom ihm selbst gelenkte Cadillac mit einer Statue des Wiener Künstlers Ernst Fuchs auf der Haube. Nach dem Einwurf einer Münze fängt es im Oldtimer an zu regnen. Eine separate Abteilung widmet sich Dalís Geschick als Goldschmied.
Bevor wir morgen mit dem Wohnmobil weiter ins Hinterland vordringen, steht ein Bummel durch Gironas wunderbar winklige Altstadt auf dem Programm. Araber, Juden und Christen haben sie geprägt. So erhebt sich zum Beispiel über El Call, dem ehemaligen Judenviertel, die mächtige Kathedrale, die das breiteste gotische Kirchenschiff in der Welt aufweist. In der Llibertat, der Hauptmeile, verlaufen schöne Arkadengänge mit gemütlichen Straßencafés und eleganten Geschäften.
Vulkanlandschaften und Strände
Wie angekündigt geht es am Folgetag in einen entlegenen Winkel: nach Santa in der Vulkangegend La Garrotxa. Direkt auf dem örtlichen Campingplatz steht eine historische Kleinbahn bereit, die mit den Gästen in beschaulichem Tempo durch diese grüne Kraterlandschaft zuckelt.
Wieder am Meer angelangt, verbringen wir die restlichen Ferientage mit süßem Nichtstun. Ein bestens dafür geeigneter Ort ist Calella de Palafrugell, wo die bunten Häuser bis ans Wasser reichen und nette Bars, Restaurants und Läden den Ton angeben. Am Strand liegen alte Fischerboote, und die Wellen tragen nur winzige Schaumkronen, denn der Tramuntana wagt sich gewöhnlich nicht bis hierher.