Leise surrt die Straßenbahn über den Quai de la Douane, vorbei an der barocken Seebörse und den feudalen Händlerpalais mit ihren steinernen Neptunfiguren und Antillenschönheiten, schmiedeeisernen Balkongittern, Balustraden und pompösen Giebeln. Der Blick geht von der eleganten Uferfront in Bordeaux hinunter zur Garonne, wo die Fontänen des Miroir d'Eau lässig plätschern. Junge Leute stehen barfuß im seichten Wasser des Beckens, das nahtlos in den Fluss überzugehen scheint. Kaum zu glauben, dass noch vor wenigen Jahren Lagerhäuser und Parkplatzbrachen die Ufer säumten und den Blick auf die prachtvolle Seite der Stadt verstellten.
Zehn Jahre hat der Umbau der Stadt gedauert. Hunderte von Palais wurden sandgestrahlt, Altstadtquartiere saniert, die Garonne-Kais zur Flaniermeile umgewandelt, Baudenkmäler, mit denen Bordeaux reichlich gesegnet ist, beleuchtet. Heute ist in der Hauptstadt Aquitaniens alles im Fluss. Auch auf der zentralen Place de la Comédie, die noch vor kurzem ein Niemandsland war, nimmt das Kommen und Gehen kein Ende. Doch das eigentliche Leben spielt wieder am Fluss. Ganz Bordeaux strömt wenigstens einmal am Tag an die Kais. Über vier Kilometer zieht sich die Uferpromenade hin, beginnend mit dem mittelalterlich verschachtelten Quartier St-Pierre bis zu den ehe-maligen Hangars im Norden, wo Loungemusik über die Philippe-Starck-Liegen angesagter Clubs rieselt.
Von Weingebieten, Winzerinnen und Workshops
Bordeaux – dieser Name steht auch für ein prestigeträchtiges Weingebiet. „Départementale 2“ heißt die verbummelte Landstraße offiziell, die sich von Bordeaux bis St-Vivien-de-Médoc durch das Médoc schlängelt. Als „Route des Châteaux“, Schlösserroute, zieht das Sträßchen Weinliebhaber aus aller Welt an. Dorfnamen wie Margaux oder Pauillac stehen für weltberühmte Grands Crus, die ihre Kraft der Cabernet-Sauvignon- und ihre Geschmeidigkeit der Merlot-Rebe verdanken. Dem Ruf der langlebigen, granatroten Rotweine entsprechend, sind die Schlösser im Médoc imposant. Keine Stilrichtung, vom antikisierenden Säulenportikus bis zur Belle-Époque-Überdrehtheit, ließen die Baumeister aus.
Auch das Château Paloumey in Ludon-Médoc kann sich sehen lassen: Es ist ein stattliches Bürgerschloss aus dem 19. Jahrhundert, zudem eins, in dem eine Winzerin den Ton angibt. Martine Cazeneuve ist eine von vier Médocaines. Die Winzerinnen brechen mit viel Spaß an der Sache mit dem Klischee versnobter Médoc-Winzer, die man hinter ihren hohen Schlossportalen nicht zu Gesicht bekommt. Auf den Schlössern der Damen darf man in Workshops seinen eigenen Médoc aus den Rebsorten des Anbaugebiets mischen und sogar an der Weinlese teilnehmen. Nur eins wird man nicht erleben: Niemals würde Martine einen jungen Médoc öffnen. „Médoc-Weine brauchen ein paar Jahre Zeit, um sich zu entwickeln. Alles andere wäre Kindermord!“ sagt sie und lacht dabei freundlich, aber bestimmt. Da ist wirklich nichts zu machen.
Ein beinah melodramatisch-wundervolles Baskenland
Hinter den Reben beginnt der Strand. Von der Gironde-Mündung bei Le Verdon-sur-Mer bis zur spanischen Grenze reihen sich auf 240 Kilometern die unberührten Sandstrände der Côte d'Argent. Belle-Époque-Sommerfrischen wie Arcachon wechseln mit Surferhochburgen wie Mimizan-Plage. Wo Reben nicht gedeihen, breiten sich hinter dem Dünenkamm die endlosen Kiefernwälder des flachen Landes aus.
Bei Bayonne ändert sich das Bild. Grollend rollt der Atlantik gegen die von Felsen gerahmten Buchten von Biarritz und St.Jean de Luz. Die See wirft salzige Nebelwolken an die Côte Basque und zieht sich dumpf grollend wieder zurück. Über die schmale Küstenstraße von St. Jean de Luz nach Hendaye fegen sogar Gischtfetzen hinweg. Das Baskenland gibt sich auf seinen letzten Kilometern vor der spanischen Grenze melodramatisch. In atemberaubenden Windungen folgt die Küstenstraße den Klippen. Während sich in der Tiefe der Atlantik heute von seiner wilden Seite zeigt, weht wenige Meter weiter landeinwärts ein laues Lüftchen. Denn im Südosten schützen die Ausläufer der Pyrenäen das sich nur einen Steinwurf hinter den Stränden und Steilklippen ausbreitende Bauernland.
Schwarzbunte Kühe ruhen auf saftiggrünen Wiesen. Eine Schafherde wird gerade nach Hause auf das stattliche Gehöft getrieben. In Dörfern wie Ascain oder Sare ist das für die Gegend typische rot-weiße Fachwerk herausgeputzt. Der Atlantik? Liegt plötzlich Welten entfernt.
Radtour durchs Entre-Deux-Mers
„Voie Verte“ heißt die 50 km lange Piste von Bordeaux bis Sauveterre-de-Guyenne. Diese „grüne Spur“ folgt einer stillgelegten Bahntrasse, auf der jedweder motorisierte Verkehr ausgeschlossen ist. Über viele Kilometer taucht die Voie Verte in einen Blättertunnel ein, den der Wald über der alten Bahntrasse geschaffen hat. Vor Créon thront die Abbaye de La Sauve-Majeure auf einem Hügel. Schlangenwesen und Sirenen bevölkern die Säulen der romanischen Benediktinerabtei, in Stein gehauene Weintrauben hängen im Chor über den Köpfen. Das Beste kommt aber noch: In einem Nebengebäude bietet die Maison des Vins de l´Entre-Deux-Mers eine Auswahl fruchtiger Rosés, frischer Weiß- und heiterer Rotweine an, die den Ruf des Anbaugebiets Entre-Deux-Mers ausmachen. www.entredeuxmers.com
Feste Burgen
Frankreichs berühmtester Festungsbauer hieß Sébastien Le Prestre de Vauban (1633-1707). Im Auftrag des Sonnen-königs hat der gebürtige Burgunder die Küsten der Aquitaine mit Zitadellen und Forts befestigt, so auch an der Gironde, vor deren Mündung regelmäßig spanische und englische Kriegsschiffe auftauchten. Zu den spektakulärsten Werken gehören die 18 Hektar große, sternförmige Zitadelle von Blaye und am gegenüberliegenden Ufer Fort-Médoc. Beide zählen zum Unesco-Welterbe.
www.vauban.asso.fr/fortifications.htm