Wir blicken in einen Abgrund. In diesem Schacht stand noch bis 1987 eine einsatzbereite sowjetische Interkontinentalrakete mit Atomsprengkopf. Heute gehört die Raketenbasis bei Plokstine am Plateliaisee zu einem Museum über den Kalten Krieg. Eines der vier Raketensilos nebst Kommandostand und Versorgungseinrichtungen ist der Öffentlichkeit zugänglich.
Riga: Start der Tour
Angenehmere Emotionen weckt ein Besuch im Schloss Tiskevicius in Palanga mit Bernsteinmuseum und ausgedehnter Parkanlage. Am Vortag sind wir nachmittags in der litauischen Hafenstadt Klaipeda von der aus Kiel kommenden Fähre gerollt und nach Norden zur lettischen Hauptstadt Riga durchgestartet. Wir wollen auf einer Route in Form einer großen Acht herausfinden, ob sich der weite Weg ins Baltikum für eine Tour von zwei oder drei Wochen lohnt.
Der nächste Tag beginnt auf dem Campingplatz Verbelnieki an der Ostsee bei Liepaja mit einer besonderen Begegnung. Wir kommen mit dem badischen Bernsteinsammler und Hobbykünstler Lothar Lasch ins Gespräch, der mit seiner Frau seit vielen Jahren hier die Sommer verbringt – auf der Suche nach dem „Gold der Ostsee“. Stolz zeigt er uns die kleinen Kostbarkeiten, die er aus teils winzigen Bernsteinkörnern anfertigt.

Die Hansestadt Riga lockt uns mit ihren zahlreichen Jugendstilbauten. Hier könnten wir – wie auch in Tallinn und Vilnius, den Hauptstädten Estlands und Litauens – tagelang durch Gassen voller Leben bummeln, Museen und Cafés besuchen und in die wechselvolle Geschichte des Baltikums eintauchen. Deutschland, Dänemark, Schweden, Russland und Polen haben die Region durch die Jahrhunderte beherrscht und geprägt. Die Spuren baltisch-deutscher Geschichte, von den Ordensrittern über die Wohlstand bringende Hanse bis zu den Nazis, sind allgegenwärtig. Fast 50 Jahre Knebelung durch die sowjetischen Besatzer wurden erst durch die „singende Revolution“ 1989 und die Unabhängigkeitserklärungen1990 abgeschüttelt.
Tallinn: Weiter geht's nach Estland
Uns zieht es weiter ins mittelalterlich geprägte Tallinn. In der estnischen Hauptstadt leben Hanse und Hightech nebeneinander. Die Altstadt wurde 1997 in das Weltkulturerbe aufgenommen. Verwinkelte Gassen, Kunst und Kultur satt, zahlreiche Restaurants und ausgiebiges Shopping vermischen sich zu einem spannenden Gesamterlebnis – mit teils anspruchsvollen Preisen.

An der estnischen Nordspitze, auf der Halbinsel Juminda mit ihren mystisch wirkenden Mooren, wendet sich unsere Route wieder nach Süden. Auf dem Weg durch ausgedehnte Wald-, Fluss- und Seenlandschaften, zum Beispiel im Gauja-Nationalpark, bieten sich zahlreiche teils sehr reizvoll gelegene Campingplätze, auf denen es sich sehr gut ein paar Tage aushalten lässt. Hier haben wir bei Ausflügen mit dem Kanu, zu Fuß und mit dem Fahrrad die idyllische Natur oft ganz für uns alleine. Enstpannender kann der Urlaub nicht mehr werden.

Vilnius, die Hauptstadt Litauens, ist unser letzter Wendepunkt. Die Stadt konkurriert wegen ihrer über 50 meist barocken Kirchen und der erzbischöflichen Basilika mit Byzanz oder Istanbul um den Titel „Rom des Ostens“. Besonders sind diese faszinierenden Bauten in der mittealterlichen Altstadt von Vilnius zu finden. Nach eine ausgiebigen Sightseeingtour durch die Gassen und Straßen der Stadt, führt uns der Weg wieder nach Westen, entlang der Memel zurück nach Klaipeda. Damit sind wir wieder am Ostseestrand mit seinen Hunderten von Kilometern weißem Sand und mächtigen Dünen – und am Ende unserer Tour.

Für Freunde der Architektur hält Lettlands Hauptstadt Riga einen besonderen Leckerbissen parat. Etwa zehn Gehminuten von der Altstadt entfernt liegt Klusais centrs, das „stille Zentrum“. Hier findet sich die Mehrzahl der oft aufwendig restaurierten rund 800 Rigaer Jugendstilbauten. In Riga hat sich unter den Architekten Konstantins Pekšens, Eižens Laube und Michail Eisenstein eine eigenständige Ausprägung des Jugendstils entwickelt, die Natur, Volkskunst und Architektur verschmelzen will. Das Jugendstilmuseum in der Alberta iela 12 wartet unter anderem mit einem prächtigen Treppenhaus auf. www.jugendstils.riga.lv
Infos zu Anreise, Verkehr & Infrastruktur im Baltikum
Die Wirtschaft in Estland, Litauen und Lettland boomt. Das prägt auch die Entwicklung des Campingtourismus. Die Infrastruktur hat sich in den letzten Jahren entscheidend verbessert. Die promobil-Stellplatz-Radar-App verzeichnet mehr als 50 Reisemobilstellplätze in den baltischen Staaten, hinzu kommen etwa 170 Campingplätze, wobei die Übergänge zwischen beiden fließend sind. Viele Campingplätze haben eher Stellplatzcharakter, es ist jedenfalls alles da, was der Reisemobilfahrer braucht – oft liebevoll angelegt, in teilweise traumhafter Umgebung und mit freundlichen Gastgebern. Die Verständigung klappt meist problemlos auf Englisch oder auch Deutsch, in allen drei Ländern zahlt man mit dem Euro.
Lichtpflicht auch tagsüber herrscht übrigens in allen drei baltischen Staaten. Die Fernstraßen sind überwiegend in gutem Zustand, einige geschotterte Nebenverbindungen treffen wir aber auch noch an. Auf die je nach Land unterschiedlichen Geschwindigkeitsbegrenzungen und strengen Promillegrenzen achten wir penibel.
Und Achtung: Autobahnen in Litauen dürfen auch von Fußgängern, Radlern und Kutschen benutzt werden. Maut wird nur in Litauen in Neringa auf der Kurischen Nehrung erhoben. Ansonsten entrichtet Straßengebühren, wer über Tschechiens und Polens Autobahnen anreist.
Anreise:
Wer Zeit hat, fährt über Dresden oder Prag und Warschau (ab Stuttgart ca. 1500 km). Bei knappem Zeitbudget empfiehlt sich – besonders aus der Nordhälfte Deutschlands – die Fährverbindung mit DFDS von Kiel nach Klaipeda (www.dfdsseaways.de/baltikum) in rund 20 Stunden je nach Richtung, Zeitverschiebung 1 Stunde. Auch eine Kombination der beiden Varianten ist möglich. Auf der Fähre gibt es keine Stromversorgung für das Reisemobil und nur spärliche Hilfestellung/Einweisung bei der Verladung, DFDS arbeitet indes an Verbesserungen. Zwei Personen zahlen mit Reisemobil und Zweibett-Innenkabine ab etwa 250 Euro pro Fahrt, je nach Saison.
Info:
Litauen: c/o BZ.Comm GmbH, Gutleutstr. 16a, 60329 Frankfurt, Telefon 0 69/2 56 28 88 68
Lettland: 2 Perses Street, LV-1442 Riga
Estland: Kleine Reichenstraße 6, 20457 Hamburg, Telefon 0 40/30 38 78 99
Campingplatz-Tipps Lettland, Estland, Litauen
LT-93121 Neringa, Nida
Nidos Kempingas: Anlage im Kiefernwald und auf einer Lichtung, 100 Plätze auf Naturboden, teils Rasengitter, großteils parzelliert. Ordentliche Sanitäranlagen. Ortszentrum und Strand 1 bis 1,5 km entfernt. 23 bis 34 Euro (2 P./Mobil) inkl. Strom. Ganzjährig.
E. A. Jonušo 11, GPS 55°17’54”N 20°58’56”E, Telefon 0 03 70/46 95 20 45
LT-74465 Šiline
Kempingas Medaus Slenis: Weitläufiges, gepflegtes Wiesengelände mit Teichen. 100 Stellplätze auf Wiese, nicht parzelliert. Gepflegte Sanitäranlagen. Eigene Imkerei. 17 Euro (2 P./Mobil) inkl. Strom. Ganzjährig geöffnet.
Raseiniu g. 19, GPS 55°05’31”N, 22°57’50”E, Telefon 0 03 70/64 03 21 28
LV-4146 Cesis

Apalkalns Kempings: Sehr schön gelegenes, welliges Wiesengelände am See, Plätze Pflaster/Asphalt mit jeweils eigener Holzterrasse. 50 Stellplätze, sehr ruhig. Etwa 6 km nach Cesis. Gepflegte Sanitäranlagen. 20 Euro (2 P./Mobil) inkl. Strom. Geöffnet Mitte April bis Anfang September.
Raiskums/Raiskuma ez, GPS 57°19’03”N, 25°08’53”E, Telefon 0 03 71/29 44 81 88
LV-3113 Engure
Camping Abragciems: Sehr gepflegtes Wiesengelände, einsame, ruhige Lage direkt am Strand. 20 nicht parzellierte Stellplätze für Reisemobile, daneben zahlreiche Bungalows; moderne, beheizte Sanitäranlagen, sehr sauber. Preis 15 bis 25 Euro (2 P./Mobil) inklusive Strom. Geöffnet von Mai bis Oktober.
Engures pagasts, Engures novads, GPS 57°11’47”N, 23°12’26”E, Telefon 0 03 71/63 16 16 68
LV-3473 Perkone bei Liepaja
Camping Verbelnieki: Zwei große Wiesenbereiche, einer auch als Sportplatz genutzt; ruhige Lage, durch ein Waldstück vom Strand getrennt; 100 Stellplätze, nicht parzelliert; einfache Sanitäreinrichtungen, begrenzte Strom-anschlüsse. 19 bis 21 Euro (2 P./ Mobil) inkl. Strom. Ganzjährig.
Nicas novads, Nicas pagasts, GPS 56°25’39”N, 20°59’54”E, Telefon 0 03 71/29 13 85 65
EW-43405 Lääne-Virumaa
Mereoja Seaview Caravan & Camping: Gepflegter, liebevoll neu angelegter Platz unmittelbar am Meer. Terrassiertes Wiesengelände, wenig Schatten, Zugang zum Kies- und Sandstrand. Etwa 70 Stellplätze, noble Sanitäreinrichtungen, Waschmaschine, Spielplatz, Sauna und mehr. V+E mit Bodeneinlass. 16 bis 20 Euro (2 P./Mobil) inkl. Strom. Geöffnet von Mai bis September.
Uuskõrtsi Kõrkküla Viru-Nigula vald, GPS 59°26’03”N, 26°57’15”E, Telefon 0 03 72/59 08 41 96
EW-76407 Saue Vald
Vanamoisa Karavanipark: Neu angelegter, sehr gepflegter Platz, kein Schatten, Plätze Pflaster/Asphalt. Ruhige Lage, 20 km von Tallinn, Bahnverbindung zur Altstadt 30 min. 80 parzellierte Stellplätze; gepflegte, beheizte Sanitäranlagen. 16 bis 22 Euro (2 P./Mobil) inkl. Strom, je nach Aufenthaltsdauer. Geöffnet Mitte Mai bis Oktober.
Vabaohukeskuse tee 18, GPS 59°19’47”N, 24°32’33”E, Telefon 0 03 72/58 66 66 96