Reisemobile vor Gericht
Auf dem Rechtsweg

Streitigkeiten rund ums Reisemobil beschäftigen immer wieder die Justiz. promobil erläutert besonders spannende Fälle und zeigt Grundlinien und Fallstricke der Auseinandersetzungen vor Gericht.

Report: Reisemobile vor Gericht
Foto: Giordano Aita/Fotolia, Pompe, Archiv

Das wohl spektakulärste Urteil zu einem Reisemobil hat es nie gegeben. Jener viel zitierte Amerikaner, der in seinem Luxusmobil den Tempomat einschaltete, zum Kaffeekochen aufstand und einen unvermeidlichen Unfall herbeiführte, ist eine Erfindung. Ebenso der anschließende Prozess, in dem der Hersteller Winnebago angeblich zu über einer Million Dollar Schadensersatz verurteilt wurde, weil die Betriebsanleitung nicht vor solchem Fehlverhalten gewarnt hatte. Als gesichert gilt: Landen Fälle rund ums Reisemobil vor Gericht, kommen dabei mitunter kurios oder sogar widersprüchlich anmutende Urteile heraus.
Dennoch geben die Entscheidungen der Justiz wichtige Hinweise auf Rechte und Pflichten von Reisemobilfahrern. promobil hat mit Hilfe von Rechtsanwalt Rüdiger Zipper die Urteile der vergangenen Jahre durchgesehen. Zipper ist selbst oft im Reisemobil unterwegs und berät die Redaktion seit Jahren in Rechtsfragen. Als Jurist orientiert er sich an vorhandenen Urteilen, betont aber gleichzeitig, dass jeder neue Streitfall ganz individuell zu betrachten ist.

Neufahrzeugkauf

Wer ein neues Reisemobil erwirbt, geht davon aus, dass dieses Fahrzeug soeben die Produktionshallen verlassen hat. Aus juristischer Sicht muss das nicht so sein. Der Bundesgerichtshof (BGH) urteilte bereits 2003, dass ein bis zu zwölf Monate altes Fahrzeug auch dann als fabrikneu gilt, wenn der Wagen in dieser Form unverändert gebaut wird und keine Mängel durch die Standzeit aufweist. Bei Reisemobilen geht die Rechtsprechung sogar noch weiter: Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg (Aktenzeichen 12 U 107/07) befand ein Reisemobil als fa-brikneu, dessen Chassis zum Kaufzeitpunkt bereits über eineinhalb Jahre alt war. Wichtig für die vom BGH genannte Einjahresfrist war nach Auffassung des Gerichts allein die Fertigstellung des Aufbaus und damit des gesamten Reisemobils, die in diesem Fall noch keine zwölf Monate zurücklag.
Wenn ein Reisemobil mit dem Hinweis „Vorführwagen zum Sonderpreis mit Zulassung" versehen ist, darf der Käufer erst recht kein Fahrzeug erwarten, das gerade erst vom Fließband gerollt ist. Selbst ein Zeitraum von über zwei Jahren zwischen Fertigstellung und Erstzulassung ist laut dem OLG Karlsruhe (9 U 176/08) unter diesen Vorzeichen nicht als Mangel anzusehen.

Gebrauchtmobile

Worauf können sich die Käufer eines Gebrauchtmobils verlassen? Jedenfalls nicht auf eine Internetanzeige, die ein Reisemobil als „sofort urlaubsklar" deklariert. Laut Amtsgericht München (264 C 1007/09) handelt es sich dabei lediglich um eine werbliche Anpreisung, keinesfalls aber um eine Garantiezusage. Auf die Seite des Käufers stellte sich dagegen das OLG Köln (3 U 14/09), als es um die Angabe „Fahrzeug ist trocken" ging. Der Senat wertete dies als Beschaffenheitsvereinbarung. Was dem frischgebackenen Gebrauchtmobilbesitzer aber wenig half, weil -zuvor ein Gewährleistungsausschluss vereinbart wurde.

Vor Gericht ging ebenso ein Fall, in dem sich das Gebrauchtmobil nach dem Kauf plötzlich als ein ehemaliges Vermietfahrzeug herausstellte. Der Kläger bekam vor dem Landgericht Mannheim (1 O 122/10) Recht. Die nach Auffassung der Richter atypische Nutzung hätte nicht verschwiegen werden dürfen. Daher bekam der Käufer drei Prozent der von ihm bezahlten Summe zurück.

Kritischer wird der Fall, wenn sich ein Gebrauchtmobil als Diebesgut entpuppt. Gerade bei vermeintlichen Schnäppchen erwarten Richter ein gesundes Misstrauen. Wenn zudem nicht alle Fahrzeugpapiere vorliegen, der Verkauf auf einem öffentlichen Parkplatz stattfindet und der Verkäufer kaum in der Lage ist, den Vertrag richtig auszufüllen, dürfen sich Käufer nicht auf ihre Gutgläubigkeit berufen. Nach einem Urteil des OLG Koblenz (5 U 883/10) mussten sie das gestohlene Reisemobil seinem rechtmäßigen Besitzer zurückgeben. Anders jedoch, wenn beim Erwerb keine besonderen Verdachtsmomente vorliegen. Als Käufern eines Gebrauchtmobils gefälschte Ausweise und Fahrzeugdokumente vorgelegt wurden und die Abwicklung üblichen Gepflogenheiten entsprach, ging das OLG München (23 U 434/11) von einem gutgläubigen Erwerb aus. Der neue Besitzer durfte das gestohlene Mobil übernehmen.

Mängel am Fahrzeug

Wenn Reisemobile in Gerichtsakten auftauchen, geht es sehr häufig um festgestellte Mängel. Doch was gilt überhaupt als Mangel, der einen Rücktritt vom Kaufvertrag rechtfertigt? Der Bundesgerichtshof (VIII ZR 202/10) gibt zwar keine exakte Messlatte, entschied aber, dass Käufer ihr knapp 135 000 Euro teures Luxusmobil nicht wegen Kleinigkeiten gegen Kostenerstattung zurückgeben dürfen.

Eine auch nach vier Nachbesserungen schlecht schließende Aufbautür, Luftdruckprobleme eines Reifens und ein Aufbaufenster, das mit der geöffneten Tür kollidiert, reichen nicht für die gewünschte Rückabwicklung des Vertrags.
Wird fehlende Zuladung als Mangel anerkannt? Das kommt darauf an: Das OLG Hamm (11 U 151/07) weist auch dem Käufer eine gewisse Verantwortung zu. Entscheidend sei das Gewicht beim Kauf. Im verhandelten Fall hatte der Käufer durch zusätzliche Einbauten das Leergewicht nachträglich erhöht. Das Gericht sah es als ausreichend an, wenn durch geringeres Befüllen von Frischwasser- und Kraftstofftank ei--ne angemessene Zuladung erreicht wird.

Zurück zum Verkäufer ging allerdings ein Luxusreisemobil, welches das OLG Nürnberg (4 U 372/01) beschäftigte. Hier waren bei einem 7,5-Tonner mit Vier-Personen-Zulassung nur 300 Kilogramm statt der im Prospekt versprochenen 1,6 Tonnen Zuladung übrig. Falls ein Problemreisemobil nicht gleich zurückgegeben werden soll, stellt sich regelmäßig die Frage, wer wo die Mängel beseitigt. Das Amtsgericht München (222 C 19013/10) stellte klar, dass dies auch dann beim Verkäufer stattfinden muss, wenn dieser Händler 1000 Kilometer entfernt liegt.

Gemäß dem Urteil stellt die vom Käufer veranlasste Reparatur in seiner Nähe eine Ablehnung der Nachbesserungsmöglichkeit dar. Nach Auffassung des Amtsgerichts wären die Käufer sogar verpflichtet gewesen, das Fahrzeug selbst zum Händler zu bringen.

In diesem Punkt haben andere Gerichte schon verbraucherfreundlicher entschieden. Rechtsanwalt Rüdiger Zipper geht von einem Kilometergeld in Höhe von 30 Cent aus.

Nutzungsentschädigung

Nach einem unverschuldeten Unfall steht Pkw-Fahrern eine Entschädigung für den Nutzungsausfall zu. Reisemobilfahrer gehen hingegen leer aus, urteilte der BGH (VI ZR 248/ 07). Da die Freizeitgestaltung hier im Vordergrund stehe, entzieht sich die Reisemobilnutzung einer vermögensrechtlichen Bewertung. Zuvor hatte jedoch das OLG Celle (14 U 100/03) im Sinne eines Reisemobilbesitzers entschieden, der sein Fahrzeug als tägliches Transportmittel einsetzt.

Umgekehrt muss der Besitzer eines Freizeitfahrzeugs auf jeden Fall für die Nutzung bezahlen, wenn es um die Rückabwicklung eines Kaufvertrags geht. Das OLG Nürnberg (4 U 372/01) hat dafür folgende Rechnung aufgestellt: Man multipliziert den Kaufpreis mit den gefahrenen Kilometern und teilt das Ergebnis durch die zu erwartende Gesamtkilometerleistung.

Versicherungsschutz

Für viele Schäden am Reisemobil kommt eine Versicherung auf. Weigert sie sich, geht die Sache oft vor Gericht. Oft entscheidet das Kleingedruckte im Vertrag über die Regulierung. So sah das LG Frankfurt/Main (2/15 S 2/00) die Teilkaskoversicherung bei einem im Winterquartier beschädigten Reisemobil nicht in der Pflicht. Die Begründung: In den Bedingungen steht, dass nur das bewegte Fahrzeug versichert ist.

Fehlt ein solcher Hinweis, sieht die Angelegenheit wieder anders aus. Das OLG Schleswig (16 U 143/08) gab einem Reisemobilfahrer Recht, der sein Fahrzeug mit Saisonkennzeichen auf einem umfriedeten Privatparkplatz überwintern ließ. Seine Teilkaskoversicherung musste für einen -Einbruch in der Ruhezeit aufkommen.Apropos Einbruch: Auch wenn eine Hausratversicherung andere Gebäude wie etwa eine Ferienwohnung mit umfasst - für Diebstähle von Gegenständen aus dem Reisemobil steht sie nicht ein. Das entschied das LG Coburg (33 S 146/01).

Zu juristischen Streitigkeiten kommt es außerdem oft, wenn die Versicherung grobe Fahrlässigkeit vermutet und deshalb nicht bezahlen will. In einem solchen Fall zog ein Reisemobilfahrer vor dem OLG Oldenburg (3 U 107/05) den Kürzeren, der mit seinem über drei Meter hohen Alkovenmobil in eine nur 2,50 Meter hohe Unterführung fuhr.

Chancenlos stehen Reisemobilfahrer den Argumenten der Versicherung aber nicht gegenüber, wie ein früherer Streit zeigt, der bis vor den BGH (IVa ZR 187/84) ging. Der Reisemobilfahrer hatte im Fahrzeug Kerzen entzündet, war auf dem Fahrersitz unbeabsichtigt eingeschlafen und erst wieder aufgewacht, als das Wagenheck in Flammen stand. Das Gericht sah hier keine grobe Fahrlässigkeit, weil die sachgemäß aufgestellten Kerzen nicht alleine im Raum gelassen wurden und der Besitzer nicht zu Bett gegangen war.

Über das Schlafen im Reisemobil und die versicherungsrechtlichen Konsequenzen urteilte auch das OLG Hamm (9 U 174/95): Beifahrern, die es sich unterwegs auf einer Liegefläche bequem machen, wird bei einem Unfall ein Mitverschulden von 20 Prozent zugerechnet.

Umweltzonen

Selbst wenn Bewohnern einer Umweltzone ein älteres Reisemobil als einziges Fahrzeug zur Verfügung steht, ist das kein Grund für eine besondere Ausnahmeregelung. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Stuttgart (6 K 1387/09) sind bestehende Ausnahmen ausreichend und Umwege im Sinne der Luftreinhaltung zumutbar.

Mietmobile

Wer ist schuld, wenn ein gemietetes Reisemobil durch Fehlbedienung beschädigt wird? Jüngste Urteile fallen mieterfreundlich aus. Vor dem LG Frankfurt/Main (2-24 S 141/09) ging es um einen vermeintlichen Kraftstoffkanister, der Wasser statt Sprit enthielt. Als es nach dem Einfüllen in den Tank zum Motorschaden kam, sah das Gericht den Mieter nicht in der Haftung.

Häufiger ist der umgekehrte Fall: Die versehentliche Befüllung des Wassertanks mit Diesel. Ein Mietkunde bemerkte das Missgeschick schnell und entleerte den Tank sofort. Dennoch stellte ihm der Vermieter mit Hinweis auf seine Geschäftsbedingungen rund 5000 Euro für den Austausch der gesamten Wasseranlage in Rechnung. Das Amtsgericht Hersbruck (1 C 1327/10) erklärte die entsprechende Klausel in den AGB des Vermieters für unwirksam und stellte fest, dass der Schaden auch mit geringerem Aufwand zu reparieren gewesen wäre. Vermutlich wird dieser Streit aber erst in einem Berufungsverfahren entschieden. Das zeigt erneut: Der Rechtsweg ist für Reisemobilfahrer nicht immer eine gerade, klar erkennbare Straße.

Gut versichert

Braucht man eine Rechtschutzversicherung, um zu seinem Recht zu kommen? Verbraucherschützer zählen den klassischen Privatrechtschutz nicht zu den relevanten Versicherungen. Peter Grieble, Experte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, hält eine spezielle Verkehrsrechtsschutzversicherung für sinnvoller. Einerseits kann es im Straßenverkehr schnell zu hohen Streitwerten kommen, andererseits bleibt der Jahresbeitrag (ab etwa 100 Euro pro Jahr) vergleichsweise günstig. Die Leistungen der Angebote variieren jedoch deutlich. Einige beziehen sich auf ein Fahrzeug, andere auf eine ganze Familie. Viele zahlen nur bei Streitfällen im Straßenverkehr, manche auch bei Unstimmigkeiten mit der Werkstatt. Davon abgesehen rät Peter Grieble zu einem Verkehrsrechtsschutz mit einer hohen Deckungssumme und empfiehlt die Höhe des Selbstbehalts genau abzuwägen. Wichtig bei Neuverträgen und absehbaren Auseinandersetzungen: Oft werden Wartezeiten von drei Monaten festgeschrieben.

Kommentar: Recht haben, Recht bekommen

Während der Recherchen war ich ein wenig überrascht, ausgerechnet aus dem Mund eines Juristen den Satz zu hören: Der vermiedene Rechtsstreit ist der beste Rechtsstreit. Damit hat der zitierte Anwalt Rüdiger Zipper nur allzu Recht - in finanzieller Hinsicht und grundsätzlich: Reisemobile sollen Spaß machen, nicht Gerichte beschäftigen. Dass es mitunter anders kommt, liegt oft an vermeidbaren Umständen. Marktteilnehmer spielen nicht mit offenen Karten, verletzen als sicher geglaubte Gebote der Fairness. Da erscheint der Rechtsstreit als einziger Ausweg. Anhand der hier gezeigten Urteile erkennt man aber schnell, dass Rechtsempfinden und Rechtsprechung keinesfalls identisch sein müssen.