Sicherheitsvorschriften 2014
Neue Regeln bei Erstzulassung von Wohnmobilen

Am 1. November 2014 treten in Deutschland neue Sicherheitsvorschriften in Kraft, die teils auch für die Zulassung von Reisemobilen gelten. promobil erklärt, was sich ändert und warum.

Service: Sicherheitsvorschriften
Foto: Jürgen Bartosch, Archiv, Hersteller

Die Materie ist komplex. Es geht um Definitionen, um Prüfverfahren und um Fahrzeug-Typklassen. Was ist passiert: EU-Vorschriften für die Zulassung neuer Fahrzeuge werden mit den – als Fernziel – weltweit anwendbaren ECE-Regelungen vereinheitlicht.
Aus der rund 60seitigen Verordnung Nr. 214/2014 der EU-Kommission vermögen nur Experten die wenigen Punkte herauszuschälen, die konkrete Änderungen für Wohnmobile vorschreiben. Doch die haben es in sich. Jost Krüger, Leiter Referat Technik und Umwelt des Caravaning Industrie Verbandes (CIVD) hat den Vorgang begleitet und fasst das Ergebnis so zusammen: "Die wichtigste Änderung für die Zulassung neuer Reisemobile ist, dass Rückenlehnen und Kopfstützen von Sitzplätzen in Fahrtrichtung höhere Anforderungen erfüllen müssen."

Rückenlehnen und Kopfstützen auf dem Prüfstand

Tatsächlich wurden bislang nur die Gurtkonstruktionen einem Zugversuch unterworfen. und die restliche Ausführung des Sitzes lediglich auf scharfe Ecken und Kanten untersucht. Nun müssen auch Rückenlehnen und Kopfstützen von Wohnmobilen in einem Druckversuch definierten Prüfkräften standhalten. Damit wird das Zurückprallen des Körpers nach einem Frontal-Crash oder ein Heckaufprall simuliert.

Klaus Roselius, Experte für die Reisemobil-Homologation bei der luxemburgischen Zertifizierungsfirma ATE EL meint dazu aus seiner Erfahrung: "Viele Sitzkonstellationen des Marktes schaffen die Nachprüfung ohne größere Änderungen." Auch weil sich Lehnen und Kopfstützen nicht selten an einer Badwand oder einem Küchenblock abstützen, die ebenfalls Kräfte aufnehmen.

Neu konstruiert werden müssen dagegen frei stehende Lehnen und Kopfstützen, die keine soliden Versteifungen integriert haben. Schon zur Vereinfachung der eigenen Produktionslogistik tun Wohnmobilhersteller aber gut daran, generell auf Bankkonstruktionen zu wechseln, die unabhängig vom Grundriss die neuen Anforderungen erfüllen.

"Für Sitzplätze gegen die Fahrtrichtung gibt es dagegen keine Verschärfung der Vorschriften. Hier genügt weiter ein Beckengurt", so Dieter Saffran, Geschäftsführer bei ATE EL, die neben einigen Pkw-Marken auch viele Wohnmobilhersteller bei der Genehmigung neuer Modelle betreuen. Ein echtes Ärgernis der Neuregelung ist dagegen, dass die 2007 EU-weit verbotenen Seitensitze wieder als Fahrplätze zulässig sein könnten. "Dieses Schlupfloch soll aber möglichst schnell wieder geschlossen werden, bevor es sich wirklich auftut", beteuert Jost Krüger.

Nutzfahrzeuge werden weniger strikt behandelt

Beim Studium der EU-Verordnung entdeckt der aufmerksame Leser noch weitere Punkte, die für Fahrzeuge zur Personenbeförderung – sogenannte M1-Fahrzeuge, zu denen auch Reisemobile gehören – nun vorgeschrieben sind. "Das gilt aber nicht für die typischen Wohnmobile", erklärt Experte Roselius. "Diese bauen meist auf N1- oder N2-Fahrzeugen auf und müssen darum auch nur die weniger strikten Vorgaben dieser Nutzfahrzeugklassen erfüllen. Ausnahmen sind nur die als Komplettfahrzeug homologierten Modelle wie vor allem VW California, Mercedes Marco Polo und Ford Nugget."

Doch durch die Hintertür profitieren auch die Wohnmobile von den neuen Pflichtausstattungen der "echten" M1-Fahrzeuge, wie ESP, Isofix-Kindersitz-Befestigungsösen, Reifendruck-Kontrollsystem und Gangwechselanzeige. Denn in vielen Fällen werden diese Punkte, wenn nicht serienmäßig, so doch als Option in den Preislisten auftauchen, da sie etwa für Pkw-Versionen des Basisfahrzeugs ohnehin entwickelt werden mussten.

Einige Reisemobilhersteller nehmen dies offenbar zum Anlass, ihre Sitzplätze generell in puncto Sicherheit zu verbessern. Gut so, auch wenn das nicht immer ganz ohne Preis- und Gewichtszuschläge geht.

Vereinfachung – ja, aber!

Kommentar von promobil Test- und Technik-Redakteur Jürgen Bartosch

Der Ansatz ist begrüßenswert: EU-Vorschriften werden mit den im Prinzip weltweit geltenden ECE-Regelungen der UN-Wirtschaftskommission harmonisiert. Das soll die Zulassung neuer Fahrzeugmodelle in verschiedenen Ländern vereinfachen. Wenn aber wichtige Wirtschaftsnationen wie USA und China gar nicht mitmachen und obendrein die neuen, einheitlichen Regeln komplizierter und in manchen Punkten sogar ein Rückschritt sind, fragt man sich schon, was das Ganze soll. Wichtig für den Reisemobilsektor ist aber vor allem, dass dadurch neue Impulse zur Verbesserung der Passagiersicherheit gegeben werden.