Es tut sich was in der Stellplatz-Szene. In ganz Deutschland entdecken verschiedene Regionen die Wohnmobilfahrer als Zielgruppe. Zeit wird’s, denn das war nicht immer so.
Tatsächlich beherrschte die Meinung über das verstaubte Caravaning lange die Standpunkte der Tourismus-Verantwortlichen. Dessen ungeachtet wuchs die Beliebtheit der Urlaubsform rasant. Gab’s 1970 gerade mal 5500 Wohnmobile in Deutschland, war der Bestand in den alten Bundesländern schon 1990 auf 220.000 gewachsen. Dennoch spielten Mobilreisende für die Touristiker zunächst überhaupt keine Rolle. Erst 1988 konnte eine Expertengruppe dem Tourismusausschuss im Bundestag den Stellenwert des Wohnmobil-Urlaubs deutlich machen.
Weiterhin tauchten Ferienorte in den Stellplatzlisten jedoch nur gelegentlich auf. Bis man sich im Tourismus auf Spezialisierung besann. Zielgruppen-Marketing war das Zauberwort und plötzlich erkannten immer mehr „Ferienmacher“, dass nicht nur Fahrrad-, Wassersport- oder Wandertourismus neue Gäste anlocken. Spezielle Programme wurden ausgearbeitet. Mancherorts wurden zaghafte Bemühungen deutlich, für Wohnmobilfahrer spezielle Angebote zu kreieren.
Tourismusmacher locken Wohnmobilisten mit Themenrouten
Aktuell erkennen immer mehr pfiffige Tourismusmacher, dass Mobilfahrer gerne die Gegend erkunden – möglichst einer Route, einem Thema folgen. Wie zum Beispiel in Oberschwaben. Der Tourismusverband im Hersteller-Dreieck Bad Waldsee, Ravensburg und Isny hat 2012 das Programm „Genießerrouten für Reisemobil-Fahrer“ entwickelt. Geschäftsführerin Daniela Leipelt: „Unsere Stellplätze liegen idyllisch am See, in der Nähe eines Thermalbads, zentrumsnah in der Stadt mit Besichtigungs- und Shoppingmöglichkeiten oder mitten in der Natur. Im Stellplatzverzeichnis sind insgesamt 32 Stellplätze mit unterschiedlicher Ausstattung gelistet.“
Themenrouten bieten heute ein großes Potpourri an Ideen für den Reisemobiltrip. Die Deutsche Fachwerkstraße hat schon länger einen Flyer im Angebot, der Stellplätze in idyllischen Städten von Stade an der Elbe bis Meersburg am Bodensee auflistet. Ein spannendes Thema bietet auch die Deutsche Märchenstraße mit Stellplatz-Tipps. Eine spezielle Broschüre lädt zur Entdeckungsreise in die Welt der Märchen und Sagen: „Auf rund 600 Kilometern erfahren Sie Interessantes aus dem Leben der Brüder Grimm und lernen die Landschaften und Orte kennen, in denen die Märchen und Sagen erzählt wurden und bis in unsere Tage lebendig geblieben sind“, wirbt der Verband.
Unentdeckte Regionen fördern Reisemobil-Tourismus
Diesem Beispiel folgte auch die Prignitz, eine bis dato fast unentdeckte Region in Brandenburg. Der Tourismus-Verband startete 2008 unter Mithilfe eines Stellplatz-Planers und promobil eine Stellplatz-Offensive. Geschäftsführer Uwe Neumann: „Wir haben kommunale und private Betreiber überzeugt, dass nur eine gemeinschaftliche Aktion Früchte tragen kann.“ Er nennt auch Zahlen am Beispiel des Stellplatzes in Wittenberge an der Elbe: „Vor der Aktion kamen im Jahr 2007 genau 1546 Reisemobile auf den Stellplatz, und im Jahr 2014 wurden dort 2948 Mobile gezählt.“ Vor allem macht Neumann deutlich, dass sich der Reisemobil-Tourismus hervorragend mit anderen Themen verknüpfen lässt, wie zum Beispiel mit den Fahrrad-Angeboten. 30 Stellplätze sind heute unter dem Dach des Verbandes zusammengefasst.
Auch ganz oben an der Küste hat man diese Zielgruppe erkannt und macht Angebote, die über einzelne Standorte hinausgehen. Die Wirtschaftsförderung Wesermarsch bietet einen speziellen Flyer an, in dem alle Plätze aufgelistet sind. Tourismus-Leiterin Julia Güdde: „Unsere Kommunen stehen diesem Thema offen gegenüber und errichteten seit 2006 neue Stellplätze und wollen dieses Angebot auch ausbauen.“ Der Bau von Stellplätzen wurde hier wie andernorts sogar im Rahmen eines Förderprojektes unterstützt.
Auch in der Region Mittelweser fordert die Tourismus-Gesellschaft heute attraktive Plätze. Denn die 15 Kommunen von Nienburg an der Weser bis Bremen, die in einem Flyer zusammen werben, haben seit 2005 beste Erfahrungen gemacht. Geschäftsführer Martin Fahrland zu seinem Lieblingsthema: „Diese Gäste haben Zeit, genießen unsere Angebote, und sie lassen in der heimischen Wirtschaft nicht unerhebliche Geldbeträge liegen.“
Reisemobil-Tourismus ist Thema im Bundestag
Um den Wirtschaftsfaktor Reisemobiltourismus ging es auch in einer Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Jahr 2014 in Berlin. Gefragt wurde nach den wirtschaftlichen Effekten des Reisemobiltourismus und nach Förderprogrammen. Die Politik in der Hauptstadt hat also die Bedeutung dieser Tourismusform erkannt. Sogar der Chef von VisitBerlin hat festgestellt, dass die Hauptstadt ein bevorzugtes Ziel ist. Burkhard Kieker beobachtet hohe Zuwachsraten: „Immer mehr Wohnwagen und Reisemobile steuern die Hauptstadt an. In Berlin gibt es elf Campingplätze mit einer Kapazität von insgesamt rund 5000 Schlafgelegenheiten, und es gibt acht spezielle Stellplätze für Reisemobile in Berlin.“
Reisemobil-Aktionen im Süden der Republik
Auch im Süden der Republik tut sich etwas. Die Touristikgemeinschaft Heilbronner Land sieht sich prädestiniert für den Wohnmobil-Tourismus und gibt ebenfalls eine spezielle Karte heraus. Geschäftsführerin Tanja Seegelke wünscht sich noch mehr Stellplätze in ihrem Verantwortungsbereich und lobt: „Vor allem mit den Themen-Routen Burgen und Schlösser, Limes, Wein und Fahrradurlaub bieten wir ideale Bedingungen für den Individual-Urlaub.“ Außerdem wird hier der Schulterschluss mit den Nachbarn gesucht.
Richtung Stuttgart tut sich da schon etwas. Seit 2014 wird unter der Federführung der Stadt Backnang ein Masterplan für den Landschaftspark Murr-Bottwartal entwickelt. Der Plan sieht vor, in dem betreffenden Gebiet Stellplätze zu schaffen, die unterschiedlich strukturiert sein sollen. Der Leiter des Stadtplanungsamtes Backnang, Stefan Setzer: „Wir haben erkannt, dass die Reisemobilisten ein unentdecktes Potenzial darstellen, um unsere Region touristisch zu befruchten.“ Seit 2015 wird dieses Konzept stufenweise umgesetzt und gilt als Pilotprojekt, welches auch die Region Stuttgart mit einbeziehen soll.
Deutschland hat ein gutes Stellplatz-Netz
Auch wenn die deutschen Großstädte noch Nachholbedarf haben, ist die Stellplatz-Landschaft Deutschland sehr gut aufgestellt. Es entstehen heute immer wieder sehr attraktive Stellplätze. Neukirchen/Knüll, Friedrichstadt, Schleswig und Eckernförde sowie Stralsund sind nur einige Beispiele der jüngst in Betrieb genommenen Stellplätze. Und die Entwicklung geht weiter. Die Stellplatz-Angebote im Land werden weiter wachsen. Gute Gründe und gute Aussichten für einen Reisemobil-Urlaub in Deutschland.
Die Fortschritte in der Stellplatzlandschaft und das Angebot für uns Reisemobilisten sind beachtlich. In Deutschland hat der Reisemobil-Tourismus heute einen Stellenwert erreicht wie nie zuvor. Genau wie im Hotelgewerbe finden mobile Gäste hierzulande den für sie passenden Stellplatz. Große und kleine, gebührenfreie und kostenintensive Plätze stehen zur Wahl. Einfachste Ausstattungen sind oft ebenso willkommen wie komplette Wohnmobilhäfen. Die aber kosten Geld; es war schon immer etwas teurer, in guten Gegenden zu wohnen. Und: Der Reisemobil-Tourismus ist aus dem Schatten der Reisebranche herausgetreten. Viele Tourismus-Experten haben die Bedeutung heute bereits erkannt und werben mit maßgeschneiderten Angeboten um Reisemobile. Das ist eine gute Entwicklung. Verbote für Reisemobile gehören der Vergangenheit an. Weiter so!
Die Karten sind gemischt
Regionen und Gemeinschaften werben seit Jahren gezielt um Wohnmobile und verknüpfen diese Angebote mit ihren touristischen Themenvorschlägen. Diese gute Entwicklung erleichtert das Reisen und bringt den mobilen Gast auf vollkommen neue Reise-Ideen.
„Wohnmobilstellplätze entlang der Deutschen Fachwerkstraße“
Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte e.V., Propstei Johannesberg, D-36041 Fulda, Telefon 0661/43680, www.deutsche-fachwerkstrasse.de
Deutsche Märchenstraße e.V.
Kurfürstenstraße 9, 34117 Kassel, Telefon 0561/92047910, www.deutsche-maerchenstrasse.de
„Genießerrouten – Oberschwaben mit dem Reisemobil“
Oberschwaben-Tourismus GmbH, Neues Kloster 1, 88427 Bad Schussenried, Telefon 07583/331062, www.oberschwaben-tourismus.de
„Reisemobil-Stellplätze an der Mittelweser“
Mittelweser-Touristik GmbH, Lange Straße 18, 31582 Nienburg, Telefon 05021/917630, www.mittelweser-tourismus.de
„Weserdreieck Reisemobil-Stellplätze“
Wirtschaftsförderung Wesermarsch GmbH, Touristikgemeinschaft Wesermarsch, Poggenburger Straße 7, 26919 Brake, Telefon 04401/856110, www.NordseeJadeWeser.de
„Prignitz Reisemobil-Landschaft“
Tourismusverband Prignitz e.V., Großer Markt 4, 19348 Perleberg, Telefon 03876/30741920, www.dieprignitz.de
„Reisemobilfreundlicher Niederrhein“
Niederrhein Tourismus GmbH, Willy-Brandt-Ring 13, 41747 Viersen, Telefon 02162/817903, E-Mail info@niederrhein-tourismus.de
„Wohnmobil- und Entdecker-Touren“
Touristikgemeinschaft Heilbronner Land e. V., Lerchenstraße 40, 74072 Heilbronn, Telefon 07131/9941390, www.HeilbronnerLand.de
„Wohnmobil-Konzept im Murr,- Bottwartal“
Stadt Backnang, Stadtplanungsamt, Stiftshof 16, 71522 Backnang, Telefon 07191/894259
„Stellplatz-Übersicht im Internet“
Stuttgart-Marketing GmbH, Rotebühlplatz 25, 70178 Stuttgart, Telefon 0711/2228240, www.stuttgart-tourist.de
Die Historie: Vom Parkplatz zum Mobilpark
Die Entwicklung: Der Herstellerverband VDWH (heute CIVD) listete in seiner ersten „Karte für Motorcavaner“ 1987 genau 72 Städte und Gemeinden auf, in denen es Stellplätze gab. Da waren in Deutschland 200.000 Mobile registriert. Durch kontinuierliche Aufklärung in Gemeinden und bei Touristikgemeinschaften kletterte die Anzahl der Stellplatzangebote bis 1992 – dann wurde aus der Karte ein kleines Büchlein mit 230 Adressen. Danach wanderte diese Aufgabe zu promobil. Die mit dem VDWH produzierte Karte nannte 1999 insgesamt 1497 Stellplätze für Reisemobile. Heute nennt die Statistik rund 450.000 Reisemobile, und der Reisemobil-Tourismus präsentiert sich im promobil-Stellplatz-Atlas und der promobil-App mit 3500 Stellplätzen in einer Vielfalt wie nie zuvor.