Ratgeber
SaisonrückblicK 2004: Im Fluss der Zeit

Inhalt von

Die Stellplatz-Szene zeigt sich im Jahresrückblick trotz einiger Rückschläge lebendig wie nie zuvor.

SaisonrückblicK 2004: Im Fluss der Zeit

Ein gutes war das vergangene Jahr für den Reisemobiltourismus, vielleicht sogar das beste überhaupt. Nicht nur die Zahl der Stellplätze hat ein neues Rekordniveau erreicht, sondern auch bisher noch nicht sonderlich gut versorgte Regionen wie das Land Brandenburg schicken sich an, den Vorsprung anderer Reiseregionen aufzuholen. Kein Zweifel: Der Reisemobiltourismus hat sich zu einer anerkannten Größe im deutschen Feriengeschäft gemausert. Auch die hauptamtlichen Touristiker nehmen den vor einigen Jahren noch belächelten Nischenmarkt inzwischen zur Kenntnis – die gut besuchte Diskussionsveranstaltung auf dem jüngsten Caravan-Salon in Düsseldorf, aber auch Workshops zum Thema Reisemobiltourismus in Ostholstein, im Weserbergland und im Land Brandenburg sprechen Bände. Erfreuliche Kunde kommt auch von jenseits der deutschen Grenzen. Was vor kurzem noch undenkbar schien, im vergangenen Jahr wurde es wahr: Wenn selbst in Tirol nach jahrelanger Eiszeit Tauwetter ausbricht und pfiffige Campingplatzbetreiber mit außergewöhnlichen Stellplatz-Projekten und gutem Beispiel vorangehen, dann darf man hoffen, dass sich weitere schwierige Destinationen öffnen werden. In Südtirol zeichnet sich eine ähnliche Verbesserung ab. Im Herzen der Dolomiten, in St. Vigil im Gadertal, geht der erste privat geführte, winterfeste Reisemobilhafen mit einer Kapazität für mehr als 100 Mobile in seine erste Ski-Saison. Bei entsprechender Nachfrage dürfte dieses Geschäftsmodell in den Alpen Schule machen. Doch auch die deutsche Campingwirtschaft bewegt sich. Zwar noch nicht einheitlich und auch nicht ohne Widerstände, aber immerhin.

Guter Wille ist bei Gesprächen mit einzelnen Campingplatzbetreibern zu spüren, die sich stärker als früher mit speziellen Angeboten dem Wettbewerb stellen. Auch auf der politischen Ebene, bei den Verbänden der Campingwirtschaft, ist hie und da Aufbruchstimmung zu spüren. So machte sich auf einer Tagung in Brandenburg Georg Spätling, Vorsitzender des bayerischen Landesverbandes der Campingplatzbetreiber, vor seinen Kollegen aus Preußen für Stellplätze stark: „Ich kann jedem nur raten, selbst einen Stellplatz anzulegen, bevor ein anderer ihm zuvorkommt.“ Verhärtete Fronten dagegen in Hessen. Hardi Limmeroth, der Landesvorsitzende der hessischen Campingplatzunternehmer, wird nicht müde, gegen Stellplätze zu polemisieren und auch noch den Bund der Steuerzahler für seine Angelegenheit zu instrumentalisieren. Erschreckend sind dabei nicht so sehr die seit vielen Jahren bekannten Vorwürfe, erschreckender ist die Unkenntnis des Marktes, in dem sich Limmeroth seit Jahrzehnten selbst bewegt. Nur ein Beispiel: Der Mann aus Nordhessen beklagt vor allem einen verzerrten Wettbewerb durch angebliche Gebührenfreiheit auf Stellplätzen, die durch Steuergelder finanziert würden. Ein Blick auf die promobil-Leserwahl zur Gemeinde des Jahres hätte ihn eines Besseren belehrt: Die zehn erstplatzierten Stellplätze sind allesamt gebührenpflichtig. Erst auf Rang 16 folgt die erste Gemeinde, die statt mit einer Gebühr mit einem Spendenstein operiert. Die Gebührenfreiheit spielt bei der Beliebtheit eines Stellplatzes also nicht mehr die entscheidende Rolle, vielmehr geben Faktoren wie Lage oder Stellplatzkonzeption den Ausschlag. Limmeroth und seine Mitstreiter übersehen Entscheidendes: Die Stellplatz-Szene ist nämlich stark im Wandel. Immer mehr private Investoren werden den Markt mit großen, gut ausgestatteten und gebührenpflichtigen Stellplätzen in Richtung Qualität verändern. Apropos Qualität.

Einer der besten deutschen Stellplätze, der Reisemobilhafen an der Marina Alte Fahrt Fuestrup bei Greven im Münsterland, konnte nach einigen Monaten seine Tore wieder öffnen, und das ist eine der vielen guten Nachrichten der vergangenen Monate. Kummer bereiteten vielerorts auch die kleinen Unstimmigkeiten. Bei vielen Stellplätzen, die ihre Gebühr per Parkscheinautomat einziehen, erregt ein Malheur die Gemüter. Auch wer nur für einen Kurzaufenthalt mangels geeigneter Parkflächen den Stellplatz ansteuert, muss oft die gesamte Stellplatzgebühr bezahlen – die Automaten sind so programmiert, dass die Stellplatzgebühr gleichzeitig auch die Mindestabgabe darstellt. Probleme verursachte auch die zunehmende Zahl von Trailern. Nur wenige Stellplätze, allen voran Manfred Heros Platz in Klüsserath an der Mosel, verfügen über so viel Rangier- und Parkraum, dass Gespanne von Reisemobil mit Anhänger gut unterkommen. Auf anderen Plätzen sorgten sie ebenfalls für Probleme – so auch im ostfriesischen Detern. „Kaum war der Stellplatz eröffnet“, berichtet Manfred Klinkenborg vom Landkreis Leer, „kamen die ersten Gespanne, und schon gingen die Diskussionen los.“ Einige Gäste fühlten sich vom Hin und Her genervt, andere beklagten die Enge, die durch Trailer verursacht werde. Klinkenborg: „Wir haben das Problem so gelöst, dass wir auf einem nahen Parkplatz einen Bereich für Trailer ausgewiesen haben, seitdem herrscht Ruhe.“ Damit einher geht ein anderes Dauerproblem der vergangenen Saison. Dürfen auch Caravans auf Reisemobil-Stellplätze? „Fast täglich“, seufzt Michael Bertsch vom Reisemobilhafen Bad Dürrheim, „rufen Caravaner bei mir an und erkundigen sich, ob sie auf dem Stellplatz willkommen sind – und wenn ich sie auf den Kurcampingplatz verweise, sind lange Diskussionen die Folge.“ Der Blick nach vorn, auf die nächste Reisesaison, verheißt weitere Veränderungen, noch mehr Bewegung in der Stellplatz-Szene. Ob in Bingen oder in Eich am Rhein, in Berlin oder in Travemünde, allerorten entstehen neue Projekte, die geeignet sind, die Akzeptanz des Reisemobiltourismus weiter zu erhöhen – auf dass ein gutes neues Jahr ins Haus stehe.