Campingreisen in Zeiten von Corona
So beeinflusste das Corona-Virus die Campingwelt

2020 drehte sich alles um das Thema Corona-Virus. Die Infektionskrankheit hatte auf alle Bereiche des Lebens einen Einfluss, auch auf die Camping-Branche. Wie hat sich das Reisen verändert?

Report Corona und Reisemobilbranche
Foto: Stefan Weidenfeld

Plötzlich stand die Welt still. Obwohl Urlaub im eigenen Reisemobil viel individueller und kontaktärmer als Pauschaltourismus gestaltet werden kann, betraf das von der Bundesregierung im Zuge der ersten Pandemie-Welle im März 2020 ausgesprochene Übernachtungsverbot für touristische Zwecke auch alle Stell- und Campingplätze. Nichts ging mehr – und zwar in ganz Europa, und jegliches Reisen rückte in weite Ferne.

Corona und die Wohnmobil-Branche

Wer bis dahin schon seinen Jahresurlaub geplant hatte, kam kaum umhin, umzusatteln. Unklare Reisebedingungen sowie das teilweise dramatische Infektionsgeschehen in anderen EU-Ländern führten dazu, dass viele Camper ihren Reisefokus auf Deutschland legten, so das Ergebnis einer Leserumfrage von promobil. Ab Mitte Mai 2020 kam das Aufatmen, denn die heimischen Plätze durften schrittweise wieder öffnen, aber nur entsprechend den jeweiligen Landesverordnungen. Maximalbelegung, Mindestaufenthalt, Reservierungen – was in Niedersachsen Pflicht war, galt in Hessen noch lange nicht. Das Chaos war groß.

Camping hat sich durch Corona stark verändert

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Wo haben Sie 2020 Ihren Campingurlaub verbracht?

Wer die seit Mai 2020 ständig steigenden, enormen Zulassungszahlen von Reisemobilen sowie die massiv gestiegene Nachfrage nach Mietmobilen dazuaddiert, wird rückblickend verstehen, warum es während der Hauptsaison so eng auf den Plätzen wurde. Um den übergroßen Bedarf zu befriedigen, entstanden Pop-up-Camps, die ungenutzte Flächen vorübergehend in Campingplätze verwandelten – teils zu hohen Übernachtungpreisen angesichts der vielfach rudimentären Sanitär- sowie Ver- und Entsorgungsinfrastruktur. Sogar Privatpersonen vermieteten zeitweilig ihren Platz am See, ihren Hof oder Garten an Reisemobilisten. Ausführlich dazu berichteten wir im Clever-Campen-Podcast:

Ein weiteres Ergebnis der aktuellen Befragung: 80 Prozent der Camper haben sich sicher bis sehr sicher und gut vor Corona geschützt gefühlt. Der Grund dafür: die sorgfältige Umsetzung der Gesundheitsregeln. Denn trotz der gewaltigen Buchungswelle haben die von Stell- und Campingplätzen eingesetzten Hygienemaßnahmen so gut funktioniert, dass sie für immerhin 85,3 Prozent der Urlauber zufriedenstellend bis sehr zufriedenstellend waren.

Klar gewandelt haben sich 2020 die Häufigkeit der Reisen sowie die Attraktivität der heimischen Urlaubsziele: Alleine in den Monaten Juni, Juli und August konnte ein Zuwachs an inländischen Gästen von sieben Prozent verzeichnet werden, wobei die höchsten Steigerungsraten bei Übernachtungen die Bundesländer Sachsen-Anhalt mit 27 Prozent, Sachsen mit 21 Prozent und Brandenburg mit 19 Prozent für sich verbuchten.

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Anzahl von Campingreisen pro Camper 2020.

Seit Herbst nun steigen die Infektionszahlen wieder auf schwindelnde Höhen, und wer sich bereits auf Wintercamping und Skifahren gefreut hat, wird vermutlich auf den Saisonstart noch warten müssen.

Camping- und Stellplätze in Zeiten von Corona

Seit spätestens Ende Mai die Plätze für Camper in ganz Deutschland wieder öffneten, war die Reisefreiheit, zumindest innerhalb des Landes, fast wiederhergestellt. Bei über 18 Millionen Deutschen, die sich laut Umfragen in irgendeiner Weise mit Caravaning beschäftigen – sei es als Besitzer, Mieter, Kauf- oder Mietinteressent –, war es nicht verwunderlich, dass es rasch eng werden würde auf den Stell- und Campingplätzen hierzulande.

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Auslastung der Stell-/Campingplätze am Urlaubsort 2020.

Allein in den Monaten Juni bis August verzeichnete die heimische Campingbranche 23,2 Millionen Übernachtungen. Der Anteil inländischer Campingurlauber stieg im Sommer auf 92 Prozent (plus sieben Prozent im Vergleich zu 2019). "Urlaub auf dem Campingplatz galt im Corona-Sommer als eine der sichersten Urlaubsformen und gewann dadurch laufend neue Anhänger. Social Distancing ist für Camper leicht machbar, da sie ihr Zuhause stets dabeihaben", fasst Maximilian Möhrle, Geschäftsführer des Reise- und Buchungsportals Camping.info, die Situation zusammen.

Den ohnehin schon vielen Bestandsfahrzeugen plus den bis Ende August neu zugelassenen 58 700 Reisemobilen und 22.690 Caravans standen allerdings nur bedingt genügend Stell- und Campingplätze gegenüber. Laut Bundesverband der Campingwirtschaft in Deutschland gibt es im eigenen Land gegenwärtig 3055 Campingplätze mit rund 230.000 angebotenen Parzellen, das sind nur 60 Plätze mehr als vor drei Jahren. Wohnmobilstellplätze werden mit 4677 (Quelle: promobil-Stellplatz-Radar-App) beziffert, immerhin gut 1000 Plätze mehr als 2017. Dennoch hält auch das wachsende Angebot dem Caravaning-Boom kaum stand.

Viel los auf den Stellplätzen: Reservierung empfohlen

Dazu schrieb uns promobil-Leser Siegfried Mittl vor ein paar Wochen: "Nachdem wir schon dieses Jahr auf der Suche nach freien Camping- und Stellplätzen umherirrten, weil wir ‚die Freiheit des Reisens‘ ohne Reservierung und Ziel genießen wollten, stellt sich angesichts der rasant steigenden Zahl an neuen Wohnmobilen die Frage: Wohin 2021?"

So wie Mittl haben in diesem Jahr viele Camper die Spontanität vermisst, einfach loszufahren und damit maximale Freiheit zu genießen. Denn während noch im letzten Jahr über 40 Prozent der Camper ohne Reservierung unterwegs waren, lösten die verschiedenen Beherbergungsvorgaben der Bundesländer eine riesige Reservierungsflut auf den Stell- und Campingplätzen aus, besonders in der Hauptsaison. Dazu erzählt Sigrid Stümpel, Betreiberin des Wohnmobilhafens Twistesee in Bad Arolsen, von ihren Erfahrungen: "Wir wurden förmlich überschwemmt mit E-Mail-Anfragen. Ich habe wochenlang bis spät in die Nacht gearbeitet, um dem Ansturm Herr zu werden. Alle hatten Angst, keinen Platz zu bekommen."

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Reisemobilhafen Twistesee
Volle Stellplätze waren in diesem Sommer keine Seltenheit. Deshalb blieben viele Camper auch länger an einem Ort.

Und noch etwas hat sich in diesem Jahr klar verändert: die Länge der einzelnen Reisen. Dazu Sigrid Stümpel: "Die meisten Gäste sind weniger herumgetingelt, sondern lieber da geblieben, wo es schön war und sie einen Platz hatten. Wenn noch 2019 ein Camper im Schnitt zwei bis drei Tage blieb, waren es in diesem Jahr durchaus zwei bis drei Wochen."

Selbst wenn der Bundesverband der Campingwirtschaft in Deutschland wegen der Beherbergungsverbote insgesamt ein kleines Branchenminus von unter fünf Prozent erwartet, hat sich das Corona-Jahr für Stümpel positiv ausgewirkt: "Wir hatten 2019 rund 40.000 Übernachtungen. 2020 dagegen – wo wir vier Monate komplett zuhatten – waren es etwa 42.000."

Ausgaben von Reisemobilisten

Reisemobilisten geben gut 530 Euro pro Person und Urlaubswoche im Zielgebiet aus. Insgesamt belaufen sich die Umsätze durch Reisemobilisten, die auf Stellplätzen oder frei übernachten, auf etwa 1,4 Milliarden Euro. Dazu kommen die Umsätze durch Fahrtkosten von Reisemobilen in Höhe von rund einer Milliarde Euro.

Fazit

Mit Abstand die beste Urlaubsform – 2020 war ein Jahr, das wir nicht so schnell vergessen werden. Die Pandemie hat so viele Aspekte des täglichen Lebens in einer Weise verändert, die noch vor einem Jahr unvorstellbar war. Auch die Touristik erlebte einen enormen Rückschlag. Dass die Caravaning-Branche vergleichsweise sehr gut durch die Krise kam, ist vor allem der Reiseform selbst zu verdanken: Individuell im Familienverbund reisen, autark und flexibel sein, wenn nötig Abstand halten – all dies ist im Mobilurlaub machbar.

Kein Wunder also, dass die Hersteller enorme Zuwächse verbuchten und unsere Urlaubsform neue Fans dazugewonnen hat. Anzeichen für eine Umkehr dieses Trends sind nicht in Sicht. Umso wichtiger ist der weitere Ausbau der Stellplatz-Infrastruktur.

Wie es 2021 mit der Corona-Pandemie und dem Reisen weitergeht? Hier geht's zu unserer Prognose.

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Promobil 06 / 2023

Erscheinungsdatum 03.05.2023

148 Seiten