„Die Zeit ist reif“, übersetzt unser Tischnachbar im Café in Roses in bestem Deutsch den Namen, den sich die katalanische Unabhängigkeitsbewegung gegeben hat, und redet sich in Rage. Wenn es nach ihm gehe – da schmunzelt er spitzbübisch –, solle Katalonien dem Zwergstaat Andorra den Krieg erklären, sofort kapitulieren und sich von Andorra annektieren lassen. Die Andorraner betrachtet er als Brüder, mit denen man einen gemeinsamen Staat bilden könne – bloß weg vom ungeliebten Spanien!
Schrille Ideen und kleine wie größere Ungereimtheiten prägen die Costa Brava auch sonst irgendwie. Bleiben wir in Roses: Das lebhafte Städtchen schmiegt sich, gut vor den Unbilden der Witterung geschützt, an den nördlichen Bogen der weit ausholenden Bucht von Roses. Dass der Tourismus hier wilde Blüten getrieben hat, bezeugen die schachtelförmigen Hotelbauten, die die Strandpromenade säumen. Andererseits: Die Hafenanlage, die Promenade und der Strand selbst sind gepflegt und hübsch mit Palmen und Blühendem bepflanzt – und vom Café aus nimmt sich die Szenerie ohnehin entspannt und freundlich aus.
Bausünden am Strand, Naturpark im Hinterland: Im Rücken von Roses, nach Norden und Nordosten hin, erhebt sich eine Berglandschaft: Wie ein Bürzel ragt da das äußerste Ende der Pyrenäen ins Meer hinein und bildet das Cap de Creus. Hier werden wir ein paar Tage wandern und mountainbiken, die Vielfalt der Flora, die Ruhe des Naturparks und die tollen Ausblicke aufs Meer genießen. Klar, dass wir auch Cadaquès mit seinem schönen, blendend weißen Ortsbild sehen wollen.
Im Hafen von Roses heuern wir auf einer Segelyacht an und leisten uns eine gemüt¬liche Partie entlang der Felsen der Halbinsel Cap de Creus (www.sailingcapdecreus.com). Zum Mittagessen ankert Kapitän Pau in der Bucht vor dem Restaurant La Pelosa (www.restaurantlapelosa.com).
Nach einem formidablen Fischmenü geht es weiter nach Port Lligat, wo wir Salvador Dalís Haus besuchen wollen. Tickets haben wir uns schon eine Woche vorher unter www.salvador-dali.org beschafft, damit wir die zahllosen schönen Schrillheiten im zeitweiligen Wohnsitz des weltberühmten katalanischen Surrealisten auch wirklich zu Gesicht bekommen.
Mitten in der Bucht von Roses, gleich hinter Camping L’Amfora, erwartet uns eine Naturbegegnung, ganz anders als die auf dem Cap de Creus. Zwischen den Mündungen der Flüsse Muga und Fluvià ins Meer gibt es ein Sumpfgebiet, wo sich in Reisfeldern, über dem Weideland und im Röhricht vielerlei teils seltene Vögel tummeln. Das Informationsbüro des Parks El Cortalet, links an der Straße von Castello d’Empuries nach Sant Pere Pescador, ist der Ausgangspunkt unserer Wanderung (http://parcsnaturals.gencat.cat).
Ein etwa acht Kilometer langer, felsiger, schwer zugänglicher Küstenabschnitt trennt die Bucht von Roses von der nächst südlicheren zwischen Estartit und Pals. Wenige Kilometer im Hinterland schlendern wir durchs entzückende Peratallada, dessen touristische Bedeutung uns schon beim Parken auf dem gebührenpflichtigen Besucherparkplatz deutlich wird. Aber es lohnt sich! Allein der Anblick der Kirche Sant Esteve aus dem 13. Jahrhundert ist den Besuch wert. Das Schloss, das heute als Luxushotel dient, stammt aus dem 11. Jahrhundert. Und so romantisch wie hier kann man an der Costa Brava sonst nirgendwo bummeln gehen – vielleicht noch im Zentrum von Pals oder in Calella de Palafruguell, wo der Küstenwanderweg GR 92 auch zu Tagestouren einlädt.
Welche Orte lohnen einen Ausflug?
In einen Mantel des Schweigens hüllen wir Palamós, Sant Antoni de Calonge und Platja d’Aro, um deren Hotelbauten es im Falle einer Invasion der Andorraner vielleicht nicht schade wäre. Doch dann kommt das Sahnestückchen unserer Tour: der Küstenabschnitt zwischen Sant Feliu de Guixols und Tossa de Mar. Auf dem Sträßchen GI 682 schlängeln wir uns gut 20 Kilometer den wildesten Abschnitt der Costa Brava entlang – und brauchen viele Stunden dazu, weil wir hinter jeder zweiten Kurve anhalten müssen, um den immer wieder neuen Blick auf die atemberaubende Landschaft zu genießen.
Jetzt drängt es uns nach Blanes mit seiner bunten Einkaufspassage im Zentrum. Da werden wir uns tüchtig eindecken – wer weiß, wie lange man in Katalonien noch mit Euro bezahlen kann ...