4.000 Kilometer Piste – mit Kindern im Geländewagen samt Dachzelt? Langeweile kommt hier nicht auf. Auf dem Programm stehen Trekkingtouren im Fishriver Canyon, Dünensurfen in der unendlichen Wüste Namib und Begegnungen mit Elefanten, Giraffen und Löwen in der weltberühmten Etosha-Pfanne.
Die letzten Kilometer Sandpiste zum Fishriver Canyon sind selbst für unseren Landcruiser eine harte Nuss. Der Toyota bockt wie ein wildgewordenes Zebra in den kniehohen Sandrinnen. Hoppelt heftig über Bodenwellen. In unseren Haushaltskisten tanzen Töpfe und Geschirr lautstark Polka. Eine kilometerlange Staubfahne verfolgt uns hartnäckig. Doch der Mageninhalt bleibt drin, die Mundwinkel der Besatzung zeigen nach oben, die Kids finden es klasse.
Aber alles der Reihe nach: Namibia ist groß. Da passt Deutschland gut zweimal rein. Wir haben nur drei Wochen Zeit und einen simplen, aber effizienten Plan. Der Startschuss ertönt in Windhoek. Im Uhrzeigersinn drehen wir eine komplette Runde durch Namibia und reihen die Sehenswürdigkeiten wie Perlen an einer Kette aneinander. Auf längere Fahrstrecken folgt immer wieder Aktion. Zum Glück kommt bei nur knapp zwei Millionen Einwohnern kein Rummel auf, und der Mix aus Asphalt und gut präparierten Sandstraßen ermöglicht ein ordentliches Stundenmittel. Campingplätze sind gebucht, die geführten Outdoor-Trips organisiert. Abenteuer ja, aber gut dosiert und nicht zu anstrengend – eben kindgerecht.
So wie der Klip-Springer-Muletrail durch den Fishriver Canyon. Guide George beugt sich zum Flussufer hinunter und deutet auf Leopardenspuren. „Der Jäger ist heute Nacht hier langgestreift. Aber keine Bange, die Raubkatzen sind nachtaktiv und äußerst scheu“, klärt der Guide vom Volk der Nama auf. Seit zwei Tagen schon trekken wir durch eine der größten Schluchten der Welt am Südrand Namibias. Stapfen stundenlang durch Flusskieselfelder, klettern über Felsplatten, folgen George auf Sanddünen. Wandern zu Hause ist ja schnell mal doof, doch diese Tour ist „cool“. Mal fetzt sich eine ganze Affenbande am Abgrund und sorgt für eine bühnenreife Show. Dann finden wir die riesigen Hörner einer Impala-Antilope. Übernachtet wird in Zelten und Hütten, Tee und Kaffee am Lagerfeuer zubereitet – diese Tour schmeckt nach Abenteuer, da kommt Pionierstimmung auf.
Die Sandpiste fräst sich schnurstracks Richtung Horizont. Westwärts, über Helmeringhausen, nähern wir uns der Wüste Namib, einem eigenen Kosmos aus rotem Sand. In der Duine Ranch treffen wir auf Richardo Tjiho. Der 31-jährige Tourguide vom Volk der Herero begleitet uns die nächsten drei Tage auf dem Tok Tokkie Trail. Dieser touristische Leckerbissen führt mitten durch die älteste Wüste der Welt. Die großartige Kulisse dazu liefert das Namib Rand Nature Reserve, ein 200.000 Hektar großes Schutzgebiet. Eine Welt mit eigenen Hauptdarstellern, hoch spezialisierten Profis. Diese sind zwar kleiner als Löwe & Co, meist auch weniger beliebt – aber deswegen noch lange nicht uninteressant.
Das Wüstenfieberhat uns voll am Wickel. Da kommt uns der Namib-Naukluft-Park, nur drei Fahrstunden weiter nördlich, gerade recht. In diesem, mit fast fünf Millionen Hektar größten Schutzgebiet Afrikas erreichen die Sanddünen monumentale Höhen von bis zu 300 Metern. Der extrem wärmebeständige Spezialasphalt der Parkstraße glänzt wie ein metallenes Band. Bei Kilometer 45 thront „Dune 45“ wie eine mustergültige Pyramide über diesem knallroten Sandkasten. Schon beim Aufstieg surfen die Jungs immer wieder über den Grat, rutschen auf dem Hosenboden die Hänge hinunter, johlen vor Freude.
Solitaire, nördlich an der Kreuzung der Straßen C 14 und C 19, ist ein wichtiger Knotenpunkt mit Tankstelle, Campingplatz, Restaurant. Vollgetankt starten wir zum Westschwenk bis Walvis Bay. Dort sorgt der eiskalte Benguela-Strom zwar nicht gerade für Badetemperaturen, aber bietet auch heute noch optimale Lebensbedingungen für Fisch und Plankton. Optimale Voraussetzungen auch für die größten Meeressäuger, die Wale. Sie haben die Gegend einst berühmt gemacht und ihr zu ihrem klangvollen Namen verholfen. Walfang ist heute zum Glück kein Thema mehr. Eine ausgedehnte Stadtrunde durch Swakopmund ist ein Muss. Ob Brauhaus, Restaurant zur Weinmaus oder Hotel Schütze: Die Kolonialvergangenheit Deutschlands, als das damalige Südwest-Afrika noch deutsches Protektorat war, wird an zahlreichen Bauten und Schriftzügen mehr als offenkundig.
Durch den Morgennebel tuckern wir auf der C 34 nordwärts. Entdecken an der Skelettküste so manches Schiffswrack. Vorbei am monumentalen, über 2500 Meter hohen Brandbergmassiv bei Uis steuern wir nach Twyfelfontein und staunen über die ältesten Felsgravuren und -malereien Afrikas.
Der Endspurt dieser 450 Kilometer langen Etappe führt uns in das Damaraland zum Stellplatz der Mowani Mountain Lodge. Die riesigen Plätze zwischen hausgroßen, kreisrunden Steinbrocken bekommen die Bestnote. Die allabendliche Arbeitsverteilung in der Wildnis klappt mittlerweile vorbildlich. Bennett sorgt für glimmende Holzscheite, Yannick klappt die Dachzelte aus. Wir kümmern uns um die Küche, und ruckzuck brutzeln frische Straußensteaks auf dem Grillrost. Für die Nachspeise sorgt wieder einmal die Milchstraße mit ihrem Sternschnuppenhagel.
Das Damaraland ist auch die Heimat der Himba. Die letzten Hirtennomaden Namibias sind immer noch ihren uralten Traditionen verbunden. Die Frauen verhüllen ihre Brüste nicht und reiben ihre Körper mit einer Paste aus Rotholzpulver und Fett ein. Nur dann glänzt die Haut so schön wie das Fell von jungen Kälbern, den heiligen Tieren der Himba. Bis zum Galton Gate, der Westpforte zu Namibias Top-Attraktion, dem Etosha-Park, sind es nur noch 60 Kilometer.
Schon auf der ersten Anhöhe kommt uns eine Herde mit mehr als hundert Zebras entgegen. Flankiert von Dutzenden Gnus und ein paar Springböcken ziehen sie in einer kolossalen Staubwolke Richtung Sonnenuntergang – wow! Wir bleiben die erste Nacht im Camp von Okaukuejo. Dort bietet das Wasserloch gleich nach Sonnenuntergang bestes Safarikino. Giraffen bücken sich gleichermaßen grazil und umständlich zum Trinken. Ein Schakal schleicht vorbei. Zwei Nashörner donnern mit ihren Schädeln aneinander, weil das Revier scheinbar zu klein ist. Die vereinte Tierwelt Afrikas ist durstig. Spät nachts noch hören wir die Löwen brüllen. Trotz des fast fünf Meter hohen Zauns rings um das Camp kräuseln sich bei diesem Bass die Nackenhaare. Mit den ersten Sonnenstrahlen sind wir wieder auf der Piste. Wir sind noch keine zehn Kilometer gefahren, da liegen Herr und Frau Löwe zum Liebesspiel mitten auf der Straße.
Wir steuern gen Osten in Richtung Halali-Camp. Sabbernde Tüpfelhyänen kauern auf der Straße. Giraffen ragen turmhoch aus dem Dickicht hervor. Auf der Zusatzschleife bei Ngogib huscht ein Leopard über die Schotterpiste. An einem versteckten Wasserloch planscht eine ganze Herde Dickhäuter. Der monströse Bulle nimmt zuerst ein ausgedehntes Schlammbad und schlendert dann seelenruhig an unserem Geländewagen vorbei.
Zurück nach Windhoek sind es noch mal knappe 450 Kilometer, doch mit solchen Erlebnissen im Gepäck sitzen wir die auf einer Pobacke ab.
Übersicht: Geländewagen-Tour durch Namibia