Reise-Tipp Seiser Alm mit dem Wohnmobil
Immer mit der Ruhe

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Erholsame Winterfrische statt Rummel und Massengedrängel, keine Pistenraser, sondern Platz für Familien und Genießer – willkommen zum Campingurlaub auf der stillen Seiser Alm.

Reise: Seiser Alm
Foto: Aufmacher: Südtirol Marketing/Clemens Zahn, Udo Bernhart (9), Seiser Alm Marketing/Helmuth Rier (1), Südtirol Marketing/Laurin Moser (1) Camping Seiser Alm/Mokka Ès M·rk (3), Camping Moosbauer (1), Südtirol Marketing/Udo Bernhart (1)

Kurz vor Seis, obwohl es nur noch wenige Kilometer bis zu unserem Campingplatz sind, müssen wir einfach anhalten. Und aussteigen. Und gucken. In was für einer Winterwunderwelt wir hier gelandet sind. Vor uns ragt senkrecht der gewaltige Felsklotz des Schlern empor. Darunter dunkler Fichtenwald, tief verschneite Wiesen und, mittendrin, das schöne Zwiebelturm-Kirchlein von Sankt Valentin. Von irgendwo klingt Ziegengemecker herüber, sonst ist es ganz still.

Wummernde Après-Ski-Bars und polternde Pistenheimkehrer sucht man vergebens. Hier herrschen Ruhe und Frieden, nur diese großen, blau glänzenden Kugeln passen nicht recht ins Bild. Wie Perlen an einer Schnur, die die Hand eines Riesen zwischen Seis und der Seiser Alm gespannt hat, gleiten sie in einiger Entfernung auf und ab. Es sind die Kabinen der Umlaufbahn, die uns zu den Pisten hochbringen wird. Bevor vor zehn Jahren die „Seiser Alm Panoramabahn“ den Betrieb aufnahm, krochen in den Wintermonaten täglich bis zu 4000 Autos die sieben Kilometer lange Kurvenstraße von Seis und Kastelruth zum Hochplateau der Seiser Alm empor und abends wieder hinunter.

Abgasschwaden wogten über die Bergwiesen. Auf dem riesigen Parkplatz oben auf der Alm glitzerte ein Meer aus Autokarosserien in der Sonne und lenkte vom Langkofel und den anderen Dolomitengipfeln ab, die hier so unvergleichlich prachtvoll in den Himmel ragen. Der Anblick war umso absurder, als die Seiser Alm mit ihren über 50 Quadratkilometer Fläche (es handelt sich um die größte Hochalm Europas) selbst ein geschützter Naturpark ist, in dem Autofahren nicht erlaubt ist. Weiter als bis zum großen Eingangsparkplatz am Compatsch durfte man schon lange nur mit Sondergenehmigungen fahren. Die Bahn auf die Alm wurde gebaut, um die Natur zu schützen, und damit man dabei nicht allein auf den guten Willen der Gäste angewiesen war, sperrte man gleichzeitig die Zufahrtsstraße. Mit dem Auto kommt der Individualreisende seither nur noch vor neun Uhr früh und nach fünf Uhr abends hinauf.

Und das ist gut so. Mit der Umlaufbahn reist es sich wunderbar gemütlich. Wenn wir morgens so gegen elf Uhr nach einem guten Frühstück im Wohnwagen per Bahn in Richtung Gipfel hinaufgleiten, ist die große Mehrzahl der Skifahrer längst über alle Berge. Und wir haben eine blaue Kugel ganz für uns alleine. 16 Personen passen theoretisch in solch eine Kabine, die mit einer umlaufenden Sitzbank und Panoramafenstern ausgestattet ist. In knapp 15 Minuten schweben wir 800 Höhenmeter nach oben, wie schwerelos den imposanten, bleichen Felstürmen der Dolomiten entgegen.

So sorglos und entspannend ist die Fahrt, dass wir sie den Lesern hier gerne als Alternative zu den Relax-Behandlungen der Wellnessanlagen empfehlen möchten. Eine Bergfahrt kostet mit 9,50 Euro deutlich weniger als ein ayurvedischer Ölguss und ist ganz umsonst, wenn man einen gültigen Skipass für die Seiser Alm besitzt.

Diese Alm bietet ein Skigebiet der besonderen Art. Es erstreckt sich über die ganze Hochalm, die man sich jedoch nicht als flaches Plateau vorstellen darf, sondern als abwechslungsreiche Hügellandschaft, die zwischen 1600 und 2300 Metern freundlich auf und ab wogt. Dazwischen sitzen einzelne Almhütten, verbunden durch ein Netz von sich schlängelnden Wegen und Sträßlein, auf denen im Winter jede Menge Spaziergänger und Pferdeschlitten unterwegs sind.

70 Kilometer Pisten (und beinahe ebenso viele Loipenkilometer) gibt es, die meisten im blauen und roten Bereich. Ein solides Angebot, aber nicht rassig und herausfordernd genug, um die Raser, die Skipass-abfahrer und Pistensäue anzuziehen. Die toben sich lieber nebenan im Grödnertal aus, wo die Pisten länger und anspruchsvoller sind, und überlassen die sanften Hänge der Seiser Alm Leuten wie uns: Familien, Ruhesuchenden und Genießern. In der Hügelwelt der Seiser Alm verwandelt sich der alpine Skisport vom hektischen Massengedrängel zurück in die erholsame Winterfrische, die er einmal gewesen ist. Die Sekretärin der Skischule sitzt mit einem freundlichen Lächeln hinter ihrem Schalter und strickt. Ein Vater zieht einen Schlitten mit seinen kleinen Drillingstöchtern bergan, alle drei behelmt. Eine Familie schnallt vor einer Holzhütte die Ski ab, packt Wurstbrote und Thermosflasche aus dem Rucksack und macht erst einmal Brotzeit. Niemand rempelt an den Liften, niemand führt Designer-Overalls und norwegische Race-Carver vor. Wozu auch – es würde sowieso keiner gucken. Die Alm, man ahnt es bereits, ist für Angeber ein undankbares Pflaster.

Auch riskante Skiakrobatik lohnt sich kaum auf Abfahrten, die von sanft geneigt bis mittelsteil reichen und auf denen es höchstens dann gefährlich wird, wenn man in voller Schussfahrt einem der bimmelnden Pferdeschlitten in die Quere kommt, die immer wieder die Pisten kreuzen. Mittags sitzen wir in der Sonne vor der Sanonhütte, bei Spinatknödeln und einem sensationellen Dolomitenblick. Langkofel und Plattkofel ragen mächtig in den Himmel, dahinter spitzt der Sellastock hervor. Es ist der Kontrast zu den mächtigen Steingipfeln der „Bleichen Berge“, der die Seiser-Alm-Landschaft so reizvoll macht. „Letztes Jahr soll einer mit den Skiern den Plattkofel runtergefahren sein“, erzählt jemand am Nebentisch.

Mag ja sein, aber uns reicht der Florian-Lift gleich neben der gewaltigen schiefen Ebene des Sasso Piatto. „Florian ohne Anhalten“ entwickelt sich zum skifahrerischen Höhepunkt unserer Tage – ein atemloses Herunterfliegen über die anspruchsvollste Piste der Alm, immer wieder, rauf und runter, wir können gar nicht genug bekommen. Und wenn wir nach so einem Skitag im gemütlichen Caravan ausruhen und das Abendessen planen, fühlen sich unsere Oberschenkel gar nicht mehr nach Familienskigebiet an – sondern nach einem langen Tag auf der Kitzbüheler Streif.