Mobile Menschen - Dino Kortas
Endlich wieder mobil

Vor sechs Jahren hatte Dino Kortas einen Unfall und sitzt seitdem im Rollstuhl. Heute entwickelt er einen behindertengerechten Paravano von Hymer mit – und genießt die so wiedergewonnene Bewegungsfreiheit.

Mobile Menschen: Dino Kortas
Foto: Reiner Rosenfeld

Endlich wieder im Wohnmobil unterwegs zu sein, das war wie ein Traum„, berichtet Dino Kortas mit bewegter Stimme von seiner ersten Tour im behindertengerechten Paravano von Hymer. Dabei war das Reisen im Wohnmobil für den Schwaben bis vor sechs Jahren noch selbstverständlich. Damals hatte er sich regelmäßig das Mobil des Onkels ausgeliehen und war zusammen mit Freundin Maren kreuz und quer durch Europa gefahren. Bis zu seinem fürchterlichen Unfall: ein Überschlag mit dem eigenen Wagen, danach die Diagnose Querschnittslähmung und damit das Aus, selbstbestimmt im Wohnmobil unterwegs zu sein.

Für den 38-Jährigen, der bei Hymer bis dahin Fahrzeuge montiert hatte und seit dem Unfall als Konstrukteur arbeitet, war das besonders hart. Tag für Tag musste er zusehen, wie andere die große Wohnmobilfreiheit genießen, während für ihn nur noch Urlaub in barrierefreien Hotels möglich war. Einen Weg zurück ins Reisemobil schien es für ihn als Rollstuhlfahrer nicht zu geben: Bei Standardmodellen sind die Einstiege zu hoch, die Türen zu schmal und drinnen zu wenig Platz. Ohne spezielle Umbauten geht gar nichts. In Einzelfällen gibt es die auf dem Markt, Dino Kortas gingen sie aber nie weit genug.

Unabhängig Reisen mit dem Wohnmobil – trotz Rollstuhl

Was er sich erträumt, das ist die ultimative Unabhängigkeit im Wohnmobil – trotz Rollstuhl. Diesen Traum durfte er nun realisieren, zusammen mit Hymer und Paravan, einem Spezialisten für behindertengerechte Fahrzeuge.

Vier Monate lang ist Dino Kortas dazu jeden Tag nach der Arbeit in die Werkstatt bei Hymer oder Paravan gerollt. Dort hat er stundenlang mit Schreinern und Elektrikern getüftelt, wie eine Hymer B-Klasse auf die Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern zugeschnitten werden kann. Immer mit der Vorgabe im Kopf, ein Mobil zu bauen, das für Personen mit den unterschiedlichsten Bewegungseinschränkungen maximal alltagstauglich ist – sowohl am Steuer als auch im Wohnbereich. Und schon 2013 soll der Paravano sogar als Mietfahrzeug zur Verfügung stehen.

Rollstuhllift und Handgas ermöglichen Mobilität

Nun ermöglichen ein Rollstuhllift und eine 85 Zentimeter breite Tür den Einstieg ins Wohmobil. Hinterm Lenkrad können es sich Fahrer mit oder ohne Handicap bequem machen und das Automatikfahrzeug per Fußpedal oder Handgas und -bremse an die schönsten Urlaubsziele lenken. Selbst mit elektrischen Rollstühlen kann das Fahrzeug genutzt werden. Dazu werden Fahrer- und Beifahrersitz mit einem einzigen Handgriff ausgebaut. An deren Stelle können die schweren Elektro-Rollis binnen Sekunden unfallsicher auf einer speziellen Bodenplatte verankert werden.

Im Wohnbereich lassen sich Hängeschränke auf Knopfdruck so weit absenken, dass sie vom Rollstuhl aus erreicht werden können. Ein Handwaschbecken wurde beweglich wie eine Schublade gelagert und der Küchenblock auf rollstuhlkonforme Höhe herabgesetzt. Eine besondere Herausforderung war es für Dino Kortas und das Hymer-Team, eine Dusche zu entwickeln, die mit dem Rollstuhl befahren werden kann. Erst das stellt die volle Bewegungsfreiheit von der Fahrerkabine bis zum Heckbett sicher. Möglich wurde dies mit einer Dusche aus dem Wohnungsbau. „Nur die war ausreichend groß, um einen Rollstuhl aufzunehmen und gleichzeitig flach genug, um hineinzufahren“, erklärt Dino Kortas, der im Rolli sitzend duscht. Für die anderen steht ein medizinischer Duschstuhl zur Verfügung.

Dino Kortas neue Rolle als Fahrzeug-Tester

Die Praxistauglichkeit der mutigen Konstruktion konnte er gleich auf seiner viertägigen Jungfernfahrt mit dem Paravano in der Praxis erproben. Jetzt schwärmt er davon, dass trotz der speziellen Bauart kein Tropfen Wasser Richtung Wohnraum geflossen ist. Und das, obwohl er das Fahrzeug vor dem Haus der Verwandtschaft reichlich schief abstellen musste.

Häufig konnte das Team um Dino Kortas auf Komponenten aus der Hymer-Ausstattungspalette zugreifen, um den Paravano zu optimieren, beispielsweise beim Rollo an der Frontscheibe. Das lässt sich genauso wie Licht, Heizung oder Klimaanlage entweder per Fernbedienung oder über eine Smartphone-App bedienen. Und wo es keine Elektromotoren gibt, die per Fernbedienung angesteuert werden können, greift Dino Kortas zu einer speziellen Stange aus dem Handicapzubehör. Damit lassen sich Sonnen- oder Fensterrollos öffnen und schließen.

Für Dino Kortas ist der Paravano ein Quantensprung in Sachen Reisefreiheit. Ob Wasser, Abwasser, Elektrizität oder Gas: Alles lässt sich vom Rollstuhl aus bedienen. „Damit“, so Kortas, „kann ich theoretisch auch alleine unterwegs sein!“ Er ist sich sicher, dass er die wiedergewonnene Mobilität in den kommenden Jahren voll auskosten wird. Als Erstes geht’s im Frühjahr mit dem Paravano Richtung Hockenheim- und Nürburgring, um dem Rennsport zu frönen. Jetzt kann er endlich wieder mit Freunden direkt an der Strecke übernachten, nachdem er tagsüber seinen Rennwagen über die Rundstrecke gescheucht hat. Danach stehen Urlaubsziele in Italien und Deutschland auf dem Programm – natürlich mit Gefährtin Maren, die den lebenslustigen Schwaben seit 19 Jahren durch dick und dünn begleitet.