60 Jahre Union Lido
La Deutsche Vita

Union Lido ist lebendige Kulturgeschichte des Camping-Tourismus. Nun feiert die größte Freiluft Ferienanlage Europas ihren 60. Geburtstag. Was macht den Campingplatz in Italien so besonders?

60 Jahre Union Lido
Foto: Archiv Union Lido

Vor 60 Jahren hießen Fotos noch Photographien und waren überwiegend schwarz-weiß. Es gab weder Mobilfunk noch Face­book und noch nicht mal PCs. Aber es gab Frieden, bescheidene Urlaubstage und eine wachsende Sehnsucht nach Sonne, Strand und Meer.

Außerdem klang der Name NSU positiv. Denn er bezeichnete noch nicht rechtsterroristische Mörder, sondern leitete sich ganz unschuldig als Markenname von einem Städtchen am Zusammenfluss von Neckar und Sulm ab – eben Neckarsulm. Nach Strickmaschinen und Fahrrädern produzierte NSU dort sehr erfolgreich Motorräder und Autos.

Die Marke NSU belieferte zwei italienische Generalimporteure, Angelo Macola und Ignazio Vok Senior. Diese hatten ein Stück Land und eine revolutionäre Idee.
„Lieber NSU-Motorrad-Fahrer! Am 15. Mai 1955 hat NSU an einem eigenen Strand am adriatischen Meer, ganz in der Nähe Venedigs, einen großen Campingplatz eingeweiht. Alle NSU-Fahrer Europas, die ihre Ferien in Italien verleben möchten, sind auf diesem Platz herzlich willkommen!“ So beginnt der erste, noch bescheidene Prospekt des NSU-Lido.

Macola und Vok pflanzten erst einige Pappeln, heute besitzt Union Lido über 14  000 Bäume, neben Pappeln auch Kiefern, die den Boden befestigen und den Campern Schatten spenden. Die Gründer sicherten sich die Unterstützung des NSU-Pressesprechers Arthur Westrup und des ADAC-Camping-Experten Hans Neumann. Dieser wurde der erste Direktor des Union Lido. Er prägte das Gesicht des Campingplatzes maßgeblich.

Zusammen mit den vorausschauenden Eigentümern sorgte er dafür, dass NSU-Lido stets mehr bot, als Camping im allgemeinen Verständnis erforderte. Schon früh gab es 220-Volt-Stromanschlüsse und stets warmes Wasser in den Duschen, aber auch mietbare feste Unterkünfte. Frischwaren, Eis und eine erschwingliche Restauration gehörten von Anfang an zum Konzept.

Die Deutschen liebten es: Die bauchige Flasche mit Baströckchen wurde zum Inbegriff des Dolce Vita unter der Sonne Italiens­. Quickly-Mopeds und Fox-Maschinen kamen, ein Gast brachte den blinden Bruder auf dem Soziussitz und den Blindenhund im Beiwagen.

Den zweiten Direktor, Armando Ballarin, warb Union Lido gerade 24-jährig aus dem Bayerischen Hof in München ab – eine der ersten Adressen, wenn es ums Hotelfach geht. Er setzte die Professionalisierung der Gastfreundschaft fort. Unter seiner Ägide wurde Union Lido 1994 Gründungsmitglied der Leading Campings of Eu­rope. 1972 hatte man bereits auf NSU im Namen verzichtet und zum Camping Union umfirmiert, das „Lido“ ergänzt das Logo seit den 80er Jahren. Beinamen wie „Vacanze“ (Ferien), „Park & Resort“ oder aktuell „Camping, Lodging, Hotel“ unterstreichen dabei das sich wandelnde Selbstverständnis von Camping. Ebenso signalisieren sie, dass Union Lido nie aufgehört hat, sich selbst neu zu erfinden.

Heute leitet Alessandro Sgaravatti den Union Lido, ein Spross der Macola-Familie. Als promovierter Chirurg musste er zunächst auf dem Südsee-Camp in der Lüneburger Heide lernen, wie Camping funktioniert. Heute steht ihm ein hochqualifiziertes Führungs­team zur Seite – auch dies ein untrügliches Zeichen für die Fähigkeit des Ferienriesen, sich beständig zu erneuern.

Union Lido beweist das im Jubiläumsjahr eindrucksvoll: Als erster Campingplatz in ganz Italien trägt er offiziell fünf Sterne und wird damit Benchmark für alle italienischen Campingplätze, die mehr als die bislang möglichen vier Sterne anstreben. Und: Nach 59 hundefreien Jahren (Blindenhunde ausgenommen, siehe oben) öffnet mit dem Dog-Camp ein abgegrenzter Platzteil für Gäste mit Hund. Union Lido bleibt, wie es scheint, ewig jung, und so fühlen sich auch seine Gäste. Noch immer stammen sie überwiegend aus Deutschland, doch ist das Publikum weit internationaler als jemals vorher. Auf Union Lido haben die Deutschen das Camping unter italienischer Sonne gelernt. Danke dafür, und auf die nächsten 60 Jahre, Salute!