Die Welt um uns herum verändert sich rasant. Auch deshalb sind Reisemobile manchem als Mittel der Entschleunigung gerade recht. Doch der Fortschritt macht natürlich vor unseren Urlaubsvehikeln nicht halt, und manchen Impuls zur Veränderung hat die Caravaning-Branche auch wirklich nötig.promobil stellt anhand von aktuellen Beispielen vier Szenarien vor, die unterschiedlich weit in die Zukunft reichen. Manches wird morgen schon Realität sein, auf anderes müssen wir wohl noch viele Jahre warten.
Im ersten Szenario geht es um Grundriss- und Möblierungskonzepte, die sich weiter als bisher vom klassischen Reisemobilbau entfernen und die Anforderungen eines reisetauglichen (also auch notwendigerweise kompakten) Interieurs mit dem modernen Einrichtungsstil von Wohnungen in Einklang bringen wollen – ein inspirierender Ansatz.
Der zweite Musterfall handelt von einer Autonomie der besonderen Art: derjenigen, das Steuern dem Fahrzeug zu überlassen. Bereits heute gibt es Reisemobile, die via Autopilot auf öffentlichen Straßen unterwegs sind. Wann werden wir der Technik das Ruder endgültig übergeben (können)?
Das dritte Szenario zeigt einen radikalen Leichtbau-Ansatz und verspricht damit eine Lösung für ein altbekanntes Problem. Im vierten Exempel beschreiben wir, wie die digitale Vernetzung die Bedienung von Reisemobilen verändern wird.
Alle Beispiele zeigen, dass Design und Technik viele Chancen bieten, das Reisen in Zunkunft entspannter, angenehmer, sicherer oder einfach schöner zu machen. Kommen Sie mit auf eine Reise ins Morgen. Willkommen in der Zukunft.
1. Schöne neue Wohnwelt
Wie schade, dass dieser Bürstner wohl nie in Serie geht. Denn die Harmony-II-Studie ist ebenso überraschend wie geschmackvoll eingerichtet. Ausgesprochen stilsicher bricht das Showmobil mit üblichen Seh- und Einrichtungsgewohnheiten.

Statt einem Schlafzimmer hat es im Heck eine großzügige und lichtdurchflutete Lounge. Man sinkt tief in die dicken Sitzkissen der Eckbank. Sich die Rotweingläser auf dem Couchtisch davor vorzustellen fällt nicht schwer. Der Blick schweift über das niedrige, geschwungene Sideboard, bis hinüber zu dem elegant integrierten 32-Zoll-Bildschirm mit Soundbar. Das bodenhohe Fenster erzeugt optische Weite: Als könnte man einfach hindurch auf die dahinterliegende Terrasse treten. In reizvollem Kontrast: der Boden in rustikalem Eicheparkett. „Das habe ich selbst verlegt“, erzählt uns beim Ortstermin Sylvain Heideier, der als Projektmanager verantwortlich ist für die Umsetzung dieses visionären Designentwurfs von Studio Syn.
Es ist alles da, wie bei anderen Reisemobilen, nur eben anders, neu gedacht, wohnlicher und auch moderner gemacht. Die Studie zelebriert das Spiel mit unterschiedlichen Farben und Oberflächen. Nicht nur dass jeder Wohn- und Funktionsbereich eine eigene Stilwelt präsentiert; auch innerhalb wechseln sich glatte mit strukturierten Oberflächen und lebhafte Dekore mit unifarbenen ab: die fühlbare Maserung von Echtholz, die Struktur einer Textiltapete, der kühle Glanz von Plexiglas. Im vorderen Bereich und an der Küche, die fließend in die angrenzende Chaiselongue übergeht, wird Holzdekor nur sehr sparsam eingesetzt. Dafür verblüfft das Bad mit Wänden im Wildeiche-Look statt der unvermeidlichen weißen Hartplastikverkleidungen. „Möglich wäre das. Das ist wasserfester Schichtstoff“, antwortet Sylvain Heideier.

Natürlich spielt beim Harmony das Design eine herausragende Rolle, die neue Optik vermittelt eine hohe Wertigkeit. Aber es geht auch darum, neue Funktionen sinnvoll und ansprechend zu integrieren: etwa die Kaffeemaschine und den Toaster in der Küche; die Duftwand aus Rosenblättern im Bad; die Rückenlehne an der Eckbank, die sich beim Absenken des Hubbetts automatisch mit nach unten schiebt.
Und noch etwas betont Markus Pangerl, der oberste Produktmanager bei Bürstner: „Clevere und nutzenoptimier-te Grundrissgestaltung.“ Das Wohn- ist gleichzeitig Schlafzimmer, sobald man das Hubbett von der Decke heruntergelassen hat. Die Küche wird, wenn man sie nicht braucht, zur großen Ablage. Dass die Spüle noch keinen Ablauf hat, die Stauraumthematik noch nicht praxis-, sprich reisegerecht gelöst ist und manches noch prototyphaft wirkt – geschenkt. Wir haben verstanden.

Ausblick: Der Harmony ist ein spektakuläres Showcar und doch zugleich ganz ausdrücklich viel mehr als eine bloße Fingerübung für den schnellen Effekt. Und das ist gut so. Einige der raffinierten Details wie die abnehmbaren Akku-Lampen werden schon bald in die Serie einfließen; sie haften magnetisch an definierten Punkten, die gleichzeitig Ladestationen sind. Auch auf die tolle Raumwirkung der gestreckten Fenster will Bürstner in Zukunft nicht verzichten; es müsste sich nur ein Lieferant dafür finden. Schon in zwei, drei Jahren werden wir einzelne Elemente aus der Studie in Serienmodellen von Bürstner wiederfinden. Einiges muss für die Serie noch optimiert werden, damit es in der Produktion handelbar ist. Wie realistisch die Umsetzung dieses Gesamtkunstwerks ist? Nun, schon aus dem Harmony I wurde ein Jahr später ein Serienmodell.
Kommentar von Sylvain Heideier, Produktmanager und Projektleiter Harmony II:
„Die Lounge ist definitiv mein Lieblingsbereich im Harmony. Sie ist großzügig und gemütlich zugleich. Das bodentiefe Fenster erzeugt eine ungewohnte optische Weite.“
2. Autonom fahren: Das Auto als Chauffeur
Bitte aufwachen. Sie sind an Ihrem Ziel angekommen„, tönt die sanfte Stimme aus den Lautsprechern, während das Reisemobil automatisch auf dem Stellplatz einparkt. Die Vorstellung hat ihren Reiz. Auch Menschen, die das Steuer gern selbst in der Hand halten, haben sich mitunter schon mal gewünscht, die eine oder andere Zwangspause nicht einlegen zu müssen. Völlig utopisch ist das nicht mehr.

Bereits heute testet die Erwin-Hymer-Group in Kanada Reisemobile mit Autopilot auf öffentlichen Straßen. In Kooperation mit dem Waterloo Center for Automotive Research forscht die EHG-Tochter Roadtrek an dem Projekt. Über die bereits marktreifen ersten drei Autonomiestufen, die Funktionen wie Spurhalte-, Abstands-, Stau- und Einparkassistenten umfassen, gehen die Testmobile dabei weit hinaus. Sie können dank innovativer Techniken sogar einzelne Manöver der Stufen vier und fünf durchführen wie das Fahren mit Autopilot auf der Autobahn oder das echte vollautonome Fahren. Der Fahrer kann getrost die Hände vom Lenkrad nehmen und wird zum Passagier.
Mehrere Sensoren ermöglichen dem Erprobungsfahrzeug die Orientierung im Verkehr. Der Mercedes Sprinter ist mit Radar und Kameras, Abstandssensoren und Nachtsichtsystemen aufgerüstet. Die große Herausforderung ist dabei, alle Daten in einem System zu sammeln, abzugleichen und zu verarbeiten. Das erfordert leistungsfähige Computer, die die Daten in Echtzeit in die richtigen Steuerbefehle an die Hardware übersetzen. Die eigentliche Steuerung des Fahrzeugs übernehmen Stellmotoren.
Statt diese aufwendige Entwicklung den Basisfahrzeugherstellern zu überlassen, will die EHG die “Zukunft aktiv mitgestalten„, sagt der Vorstandsvorsitzende Martin Brand. Weil Reisemobilisten durch das autonome Fahren Zeit für andere Tätigkeiten gewinnen würden, untersucht man zudem, welche Serviceleistungen künftig relevant und wichtig werden, um die hierfür nötigen Produkte und On-Board-Dienste zu entwickeln.
Ausblick: Zweifellos sind Autos technisch schon bald in der Lage, vollautonom zu fahren. Experten gehen davon aus, dass dies in weniger als 15 Jahren der Fall sein wird. Das hängt indes auch von gesetzlichen Rahmenbedingungen ab. Autopiloten dürften die Fahrsicherheit grundsätzlich erhöhen. Trotzdem ist fraglich, ob der Fahrer tatsächlich während der Reise ein Nickerchen machen darf oder als Kontrollinstanz stets wach sein muss.
Kommentar von Jörg Reithmeier, Mitglied des Vorstands der Erwin-Hymer-Group:
“Wir gehen davon aus, dass echtes autonomes Fahren ab dem Jahr 2030 Realität sein wird. Die Technik wird das mobile Reisen spürbar entschleunigen und noch erholsamer machen.„

Leichtbau beschäftigt alle Hersteller. Wer hier die Nase vorn hat, sichert sich einen wichtigen Wettbewerbsvorteil. Keine Marke geht dabei so weit wie Knaus mit der sogenannten Frametechnologie. Der Aufbau entsteht – gänzlich anders als im konventionellen Kabinenbau – zunächst als Skelett aus vorgefertigten Rahmenteilen. Diese Formteile werden in eigenen Formen geschäumt, versiegelt und anschließend zu einem selbsttragenden Käfig zusammengefügt. Kleben und Dichten erfolgt in einem Arbeitsgang; nach etwa 15 Minuten hat das Gerüst seine Endfestigkeit. Die Wände werden erst nachträglich eingeklebt.
Der Rahmen ist nicht nur leicht, sondern auch besonders steif. Die übrigen Teile des Aufbaus müssen so nicht wie üblich tragende Funktionen mit übernehmen. Das stabilisierende Fachwerk in den Außenwänden kann entfallen. Stehwände oder Möbelplatten im Inneren können aus leichtem Sandwichmaterial mit Schaum- oder Papierwabenkern bestehen. Das Einsparpotenzial ist enorm. Der Caravan Travelino etwa ist 30 Prozent leichter als ein gleich großer konventionell gefertigter Wohnwagen.

“Wir arbeiten seit Jahren am Thema Leichtbau und investieren viel Geld in unsere Forschung„, erläutert Knaus-Geschäftsführer Werner Vaterl. Sein Kollege Gerd Adamietzki betont die Bedeutung der neuen Technik: mehr Zuladung, geringerer Spritverbrauch und die Möglichkeit, in Zukunft auch Hybrid-Mobile bauen zu können, weil genug Luft für die schweren Batterien des Antriebs bleibe. Darüber hinaus ermöglicht die Frametechnik einen höheren Automatisierungsgrad bei der Fertigung, wodurch diese günstiger wird.
Ausblick: Knaus wendet die Technik zunächst auf die Caravans Travelino und Deseo an. Bei diesen stückzahlschwächeren Wohnwagen erprobt man die komplett neuen Fertigungsverfahren, die die Frametechnik erfordert. Auch wenn das Abspeckpotenzial bei Reisemobilen geringer ist, verspricht die Technik auch hier große Vorteile. Die ersten motorisierten Modelle wird Knaus mutmaßlich innerhalb der nächsten fünf Jahre vorstellen.
Kommentar von Gerd Adamietzki, Geschäftsführer der Knaus Tabbert GmbH:
“Dank Frame-Technologie werden unsere Produkte trotz höherer Karosseriesteifigkeit signifikant leichter. Das gilt jetzt schon für Caravans und bald auch für unsere Reisemobile.„
4. Das vernetzte Reisemobil
Digitalsteuerbare Reisemobile haben viele Hersteller schon präsentiert. Warum hier die e.home-Studie von Dethleffs als Beispiel für ein mögliches Zukunftsszenario herausgehoben wird? Weil das Bedienkonzept erstmals auch moderne Smart-Home-Steuersysteme für den Haushalt im Reisemobil erlebbar macht. Sprachsteuerung ist dabei ein zentrales Element, das durch die Einbindung des bekannten Amazon-Service möglich wird. Wer im e.home im Bett feststellt, dass das Licht an der Sitzgruppe noch brennt, sagt einfach: “Alexa, mach das Licht aus!„, und die Bordsteuerung setzt den Befehl um.

Darüber hinaus lassen sich viele der eingebauten Komponenten auch über Smartphone oder Tablet via App kontrollieren. Strom, Spannung und aktueller Energieverbrauch werden angezeigt. Einzelne Lampen lassen sich nicht nur an- und ausschalten, sondern auch dimmen. Neben den Basisfunktionen ist aber auch die Kühlschranktemperatur steuer- und die verschiedenen Heizungssysteme bedienbar. Das ist dann praktisch, wenn man das weiter entfernt parkende Reisemobil von zu Hause startklar machen will. Sicherheitsrelevant ist etwa die Kontrolle und Fernbedienung von Türen und Klappen. Basis all dieser Funktionen ist eine umfangreiche Vernetzung der Komponenten. Die Installation im e.home ist beispiellos aufwendig.
Ausblick: Vereinzelt gibt es bereits serienreife, vernetzte Reisemobile. Doch die Digitalisierung spaltet die Kunden, teils auch, weil manche Systeme zu komplex oder mit sinnlosen Funktionen überfrachtet sind. Nur eine Vernetzung, die die Bedienung wirklich erleichtert, stiftet einen Zusatznutzen zu gängigen analogen Methoden. Sprachsteuerung ist ein Ansatz, auch die Kontrolle und Bedienung aus der Ferne. Dass Reisemobile demnächst online gehen, wird höchste Zeit. So aufwendige Systeme wie das von Dethleffs werden es in der Serie aber schwer haben, auch weil Kunden der hohe Mehrpreis schwer vermittelbar wäre.
Kommentar von Christoph Gawalleck, technischer Leiter bei Dethleffs:
“Unser Schwerpunkt bei der Entwicklung lag auf der Vernetzung aller Komponenten über ein BUS-System. So wurde eine einheitliche, zentrale Steuerung via App möglich.„