Wenn Fußballspieler aus deutschen Landen in anderen europäischen Vereinen antreten, gehört das längst zum Alltag. Der Wechsel einer einheimischen Reisemobilmarke zu einer Gruppe, die in einem anderen Teil Europas zu Hause ist, löst viel eher Verwunderung aus. Für manchen war es eine Überraschung, als die Traditionsmarke Westfalia Ende 2010 an die Rapido-Gruppe verkauft wurde: Da sichert sich ein französischer Hersteller, der sich bislang auf Teilintegrierte und Integrierte spezialisiert hat, kurzerhand die Ikone unter den Campingbusmarken. Sieht man nicht allein auf die Produkte, sondern auf die dahinter stehenden Unternehmen, erscheint ein solcher Transfer in anderem Licht.
Fast die Hälfte der rund 100 Reisemobilmarken, die bei uns vertreten sind, gehören zu einer Gruppe. Nimmt man die wirtschaftliche Kraft dieser Mannschaften zusammen, so bestreiten sie den größten Teil des Umsatzes in der Freizeitfahrzeugbranche. Team-Spieler sind gefragt. Beispiel Rapido: Die Marke hat sich bereits in der Vergangenheit zu einer Gruppe formiert, die allerdings ausschließlich französische Namen verzeichnete. Rapido-Chef Pierre Rousseau: „Der Kauf von Westfalia war für uns eine gute Gelegenheit. Er zeigt, dass wir bei Rapido in europäischen Dimensionen denken.“
An vergleichbare Größenordnungen hat man sich in den Top-Mannschaften längst gewöhnt. Schon seit über zehn Jahren gehört etwa der italienische Hersteller Laika zum Hymer-Konzern. Trigano verfügt über populäre Mitspieler in Frankreich, Italien, England und Deutschland.
Welche Gruppe liegt nun im Reisemobilbau an der Tabellenspitze? Die Hymer AG vermeldet für das vergangene Geschäftsjahr eine Produktion von 12 317 Reisemobilen und einen Umsatz von gut 695 Millionen Euro. Die Vergleichszahlen aus der französischen Trigano-Gruppe: 12 379 Reisemobile und ein Gesamtumsatz von 698,2 Millionen Euro.
Ganz so einfach ist die Gegenüberstellung aber nicht. Die Hymer-Gruppe besteht genau genommen aus zwei Teilen: der Hymer AG und der Dachgesellschaft CMC. Beide verstehen sich als Wettbewerber und als Partner. Dass sie trotz unterschiedlicher Strukturen immer wieder als ein Team auftreten, liegt nicht zuletzt an den Inhabern. Die Familie von Erwin Hymer hält die Aktienmehrheit an der AG und verfügt gleichzeitig über die CMC als Privatbesitz.
Seinen Tabellenplatz kann man aber auch anders interpretieren. Im Trigano-Konzern ist man stolz darauf, die jüngste Krise vergleichsweise gut verdaut zu haben. Holger Siebert, Geschäftsführer der deutschen Trigano-Marken, blickt selbstbewusst in die Zukunft: „Aufgrund der guten Ausstattung mit Eigenkapital sehen wir Trigano als wirtschaftlich stärkste Gruppe in Europa.“
Welchen Einfluss hatte die Wirtschaftskrise auf die Herstellergruppen? Ohne die teils dramatischen Rückgänge in der Produktion wäre Westfalia vermutlich nicht in Rapido-Besitz. Auch Knaus Tabbert hätte sonst nicht so hart um den Erhalt seiner Gruppe kämpfen müssen. Das Bangen um den Abstieg ist vorüber. Geschäftsführer Giovanni Marcon: „Wir gehen in diesem Jahr von soliden zweistelligen Wachstumsraten aus. Auf Dauer sehen wir auch interessante Märkte in China und in den USA.“
Spurlos ging die Krise auch an anderen Unternehmen nicht vorüber. Praktisch alle Kennzahlen bleiben von früheren Rekordjahren entfernt. Die Kästen auf diesen Seiten zeigen die zehn großen Gruppen in Europa: eine Art Champions League unter den Reisemobilherstellern. Die Reihenfolge ist dabei nicht unbedingt eine Rangfolge. Zu unterschiedlich sind die Strukturen. Mancher Konzern bezieht seine wirtschaftliche Stärke mehr aus dem Caravan als durch das Reisemobil. Hier und da zählt auch eine Vermietung und eine Zubehörsparte dazu. Die Differenzen bedeuten nicht immer eine Strategie. Sie spiegeln oft die Historie wider.
Wie sind die Gruppen entstanden? Wie ein Trainer seine Mannschaft formiert, so scharte meist ein erfolgreicher Hersteller weitere Marken um sich. Dabei bestehen zwei Möglichkeiten: Oft übernehmen starke Gruppen weniger erfolgreiche Marken. Zunehmend gründen die Gruppen aber auch ganz neue Marken. Die Entstehungsgeschichte entscheidet oft über die Eigenständigkeit der einzelnen Mitspieler.
Aus Sicht des Käufers sind diese Beziehungen nicht immer durchschaubar. Grundsätzlich aber gilt: Er ist Kunde einer Marke, nicht eines Konzerns. So bekommt etwa ein Sunlight-Besitzer nicht automatisch sämtliche Dethleffs-Serviceleis-tungen. Enttäuschungen, wie sie zuletzt ein promobil-Leser erlebte, bleiben manchmal nicht aus: Als TEC-Fahrer wurde er bei der Hymer-Niederlassung am Standort Bad Waldsee eher wie ein Fremdkunde behandelt. Obwohl in Hymer-Besitz, hat TEC weder technisch noch organisatorisch wesentliche Berührungspunkte mit der Marke Hymer.
Welche Vorteile bietet die Gruppenzugehörigkeit? Eura-Mobil-Chef Holger Siebert sieht bessere Möglichkeiten bei der Konzeption kommender Reisemobilgenerationen: „Wir wären sonst bei der Entwicklung neuer Modelle manches Risiko nicht eingegangen." Siebert betont außerdem die Stabilität: „Für Händler ist es gut, mit einer Gruppe zusammenzuarbeiten, die auch in zehn Jahren noch existiert.“
Die Vorteile eines Verbunds zahlen sich aber vor allem beim gemeinsamen Einkauf aus. Hohe Stückzahlen senken die Preise wichtiger Komponenten - vom Fahrgestell bis zur Heizung. Davon profitieren vor allem jene Marken, die weitgehend standardisierte Modelle in großen Serien herstellen. Der Grundpreis mancher Campingbusse liegt oft kaum über dem Listenpreis eines nackten Fiat-Kastenwagens. Schließlich kommt es auch dem Käufer am Ende auf die Kosten an.
Welcher Spielraum bleibt dabei den Marken, die sich auf günstige Großserien spezialisiert haben? Jörn Koch betreut seit 15 Jahren den Import von Chausson in Deutschland. Er weiß: „Die operativen Entscheidungen werden in der Trigano-Zentrale in Tournon getroffen. Wir haben dennoch Einflussmöglichkeiten. Chausson baut für uns auch Modelle, die ausschließlich in Deutschland verlangt werden." Er verrät aber auch: „Ich habe noch mehr Wünsche auf dem Zettel." Ein Dilemma in den Beziehungen zu großen Gruppen beschreibt Erich Reichart, der SEA in Deutschland vertritt: „Wenn die Stückzahlen nicht groß sind, hält sich der Einfluss in Grenzen. Ohne die richtigen Modelle, kommen wir aber nicht auf große Stückzahlen.“
Oft geht es aber nicht nur um das richtige Modell, sondern auch um die richtige Marke für den Markt. Unvermittelt tauchen neue Mitspieler in den Mannschaften auf, die bei Misserfolg dann rasch wieder ausgewechselt werden.
Warum gibt es immer mehr Marken? Wer große Serien fertigt, ist auch schnell in der Lage, Fahrzeuge mit neuen Namen für bestimmte Märkte und Händlernetze zu bauen. Die Hymer-Gruppe nutzt dazu das Capron-Werk im sächsischen Neustadt. Hier entsteht in einer Linie mit Carado und Sunlight auch einmal eine Serie für Handelsmarken wie Orangecamp und Glücksmobil. Das italienische Trigano-Werk belieferte bis vor Kurzem die Discountmarke Nobel-Art. Rimor bringt nun X-Go ins Spiel. SEA begnügt sich in diesem Segment derzeit mit der Marke Miller. Den allzu schnellen Namenswechsel hat man gebremst. Erich Reichart: „Wir wollen uns wieder ganz auf den Fachhandel konzentrieren. Das kostet uns zwar Stückzahlen in Deutschland, ist aber langfristig der richtige Weg.“
Gibt es bald nur noch Marken, die großen Gruppen angehören? Kaum ein Team, das nicht auf mögliche Neuzugänge blickt. Giovanni Marcon von Knaus Tabbert: „Ein Zukauf kann interessant sein, wenn es zu unserer Strategie passt. In manchen Märkten und Segmenten sind wir bislang noch schwach vertreten." Holger Siebert, Chef der Trigano-Tochter Eura Mobil, ist überzeugt: „Langfristig werden nur die starken Gruppen überleben.“
Welche Chancen bleiben dann noch für Einzelmarken? Ein Beispiel zeigt, dass die Ansammlung von Markennamen nicht das alleinige Rezept für den Erfolg sein kann. Obwohl ohne Gruppe im Hintergrund, rückt Carthago den großen Mannschaften Jahr für Jahr ein wenig näher. 2010 betrug der Umsatz rund 110 Millionen Euro, in diesem Jahr peilt man bereits 140 Millionen an. Als wendiger Einzelspieler bewegt sich Carthago damit schon auf dem Niveau der Markenverbände. Vertriebsleiter Bernd Wuschack: „Wir haben nicht die guten Einkaufskonditionen großer Gruppen. Unser Vorteil: wir arbeiten mit kurzen Wegen und daher sehr effizient.“
Besser groß oder überschaubar, einzeln oder gemeinsam? Sichere Erfolgsrezepte wird es für Reisemobilhersteller wohl auch in Zukunft nicht geben. Nur ein Höchstmaß an Flexibilität und Ideenreichtum sichert die nötigen Treffer für Plätze an der Tabellenspitze.
Hymer AG
Unter dem Dach der Hymer AG versammeln sich fünf Reisemobilmarken, die ihre Fahrzeuge mit großer Eigenständigkeit entwickeln, fertigen und vermarkten. Hymer, Bürstner, Laika sowie Niesmann+Bischoff bauen ihre Reisemobile jeweils am angestammten Sitz der jeweiligen Marke. Einzige Ausnahmen: Der Laika-Campingbus kommt aus dem Hymer-Werk in Bad Waldsee und entspricht weitgehend dem Hymer Car; der Hymer Liner wird von Niesmann+Bischoff im Eifelort Polch produziert. Er teilt sich die Technik mit dem Flair.
Carado als jüngste Marke der Hymer AG entsteht im Capron-Werk in Neustadt bei Dresden parallel zu den Modellen von Sunlight, einer Zweitmarke von Dethleffs. Das Capron-Werk gehört je zur Hälfte der Hymer AG und der Holding CMC (siehe Seite 8). Seit 1990 ist der Hymer-Konzern eine börsennotierte AG. Die Aktien befinden sich zu über 80 Prozent im Besitz der Familie von Firmengründer Erwin Hymer. Der inzwischen 80-Jährige begann 1958 mit der Serienfertigung von Caravans, 1961 kamen die ersten Reisemobile hinzu. Zu einem Konzern wurde Hymer durch den Zukauf von Niesmann + Bischoff (1996), Bürstner (1998) und Laika (2000). Die heutige Hymer AG beschäftigt insgesamt rund 2600 Mitarbeiter. Im Geschäftsjahr 2009/2010 betrug der Gesamtumsatz gut 695 Millionen Euro.
Die fünf Marken setzten in diesem Zeitraum 12 317 Reisemobile ab. Hymer und Bürstner verkauften darüber hinaus zusammen 6347 Caravans. Zur Hymer AG gehört außerdem der Zubehörgroßhandel Movera.
Hymer CMC
Zum Privatbesitz der Familie Hymer gehört die CMC genannte Holding. Sie umfasst vier Reisemobilmarken, geführt von Dethleffs-Chef Thomas Fritz. Dethleffs ist größte Einzelmarke. Mit den in Sachsen montierten Sunlight fertigte Deth-leffs im Geschäftsjahr 2009/10 5835 Reisemobile und 3326 Caravans. Rund 700 Mitarbeiter erwirtschafteten einen Umsatz von 265 Millionen Euro. Im Dethleffs-Stammwerk Isny entstehen neben Dethleffs auch Campingbusse für Pössl und Globecar im Lohnauftrag sowie der Campingbus LMC Tourer. Einige Modelle werden gemeinsam von Dethleffs und LMC/TEC entwickelt, sie können wechselseitig gebaut werden. Derzeit kommen alle LMC und TEC jedoch aus Sassenberg im Münsterland; zuletzt waren es knapp 1000 Reisemobile pro Jahr.
Trigano
Als Markenname taucht Trigano heute ausschließlich an Faltcaravans auf. Dabei spielen Reisemobile längst die Hauptrolle in dem gleichnamigen französischen Konzern. In allen wichtigen europäischen Märkten ist Trigano mit Produktionsstandorten und Marken vertreten. Aus Frankreich kommen die baugleichen Modelle von Challenger und Chausson, aus Italien die parallel produzierten Ci und Roller Team sowie die Edelmobile von Arca. Auch in Spanien und England ist Trigano mit Benimar beziehungsweise Auto Trail präsent. Beide haben zurzeit keinen Deutschlandvertrieb. Nicht bei uns aktiv sind außerdem die französischen Marken Autostar und Font Vendôme. Seit 2005 hat Trigano jedoch mit Eura Mobil und Karmann Mobil ein festes Standbein in Deutschland. Die konzernweite Zusammenarbeit spiegelt sich zum Teil in der Produktion wider. So kommen die Wände für die Modelle von Eura Mobil aus dem Trigano-Werk im südfranzösischen Tournon. Im italienischen Atessa werden die Campingbusse für Chausson, Challenger, Ci, Roller Team und Karmann ausgebaut.
Insgesamt lieferte Trigano im zurückliegenden Geschäftsjahr 12 379 Reisemobile aus. Hinzu kommen 5904 Caravans, die vor allem unter den Markennamen Sterckeman und Caravelair gefertigt werden. Zum Gesamtumsatz von über 698 Millionen Euro trugen aber auch Mobilheime, Zubehör für Camping und Garten sowie Transportanhänger bei. Der Anteil der Reisemobile am Umsatz erreichte dennoch 61,5 Prozent. Insgesamt beschäftigt Trigano rund 3600 Mitarbeiter.
Gut die Hälfte der Trigano-Aktien befindet sich im Besitz von François Feuillet. Der 63-Jährige ist im Aufsichtsrat zusammen mit seiner Frau Marie-Hélène für das operative Geschäft verantwortlich. François Feuillet kam 1981 zunächst als stellvertretender Direktor zu Trigano und übernahm 1987 die Mehrheit am Unternehmen. 1990 sicherte sich Trigano die französische Traditionsmarke Chausson. Die einzige von Trigano selbst gegründete Reisemobilmarke ist Challenger, die 1985 mit Alkovenmobilen ins Rennen ging.
Knaus Tabbert
Zwei Namen stehen in der Knaus-Tabbert-Gruppe für Reisemobile: Weinsberg und die Muttermarke Knaus. Beide sind in unterschiedlichen Segmenten aktiv, greifen aber auf gleiche Ressourcen für Entwicklung und Produktion zurück. Am Knaus-Sitz in Jandelsbrunn im Bayerischen Wald laufen Alkoven, Teilintegrierte und Integrierte sowie Caravans vom Band. Die Campingbusse werden im ungarischen Nagyoroszi in einem Tochterwerk der Gruppe gebaut.
Der dritte Standort, das einstige Tabbert-Werk Sinntal-Mottgers nahe Bad Kissingen in Hessen, konzentriert sich auf Caravans. Sie machen den größeren Teil der rund 10 500 Freizeitfahrzeuge aus, die Knaus Tabbert zuletzt pro Jahr produzierte. Neben Tabbert gehören auch die Caravanmarken Wilk und T@b zur Gruppe. Die Namensrechte von Eifelland befinden sich nicht mehr im Besitz von Knaus Tabbert; nicht mehr aktiv ist die Marke FFB.
Die Knaus-Tabbert-Gruppe entstand 1996 durch den Zusammenschluss von Knaus AG und TIAG (Tabbert Industrie AG). Nach einer Insolvenz übernahm Anfang 2009 der niederländi-sche Investor HTP unter Führung von Wim de Pundert das Unternehmen. Im Geschäftsjahr 2010 erzielte die Gruppe mit 1000 Mitarbeitern einen Umsatz von über 180 Millionen Euro.
Hobby
Mit einem Umsatz von 192 Millionen Euro in der Saison 2010 zählt die Marke Hobby zu den bedeutenden Unternehmen der Freizeitfahrzeugbranche. Die Produktion von Reisemobilen blieb in diesem Zeitraum mit 1100 Einheiten jedoch überschaubar. In der gleichen Saison entstanden im schleswig-holsteinischen Fockbek dagegen 13 000 Caravans. Damit kann sich Hobby als Weltmarktführer bei den Wohnwagen bezeichnen. Das Unternehmen beschäftigt derzeit 1030 Mitarbeiter und befindet sich im Besitz von Harald Striewski, der Hobby 1967 gründete. 1998 übernahm der heute 74-Jährige die Caravan-Sparte von Fendt im bayerischen Mertingen. In einem neu errichteten Werk sind inzwischen knapp 600 Menschen beschäftigt. Der Umsatz von Fendt liegt bei rund 130 Millionen Euro. Seit der Saison 2008 kommen alle Fendt-Reisemobile aus Fockbek. Dort entstand bereits 1984 der erste Hobby 600.
Rapido
Vor genau 50 Jahren tauchte der erste Faltcaravan mit dem Namen Rapido auf. Im Herbst 1982 folgten Reisemobile gleichen Namens. Einen Grundstein für die Markengruppe legte Rapido 1993 mit der Übernahme von Esterel. Die ebenfalls mit Klappcaravans bekannt gewordene Marke bekam im Unternehmen die Rolle eines weitgehend eigenständigen Herstellers für hochklassige Integrierte. 2005 stieß Fleurette zu der Gruppe, ein Name, den man in Frankreich seit 1967 kennt. Fleurette wird aktuell in Deutschland nicht angeboten, soll jedoch unter der Bezeichnung Florium auch wieder Integrierte und Teilintegrierte für den deutschen Markt produzieren.
Als Neugründung der Gruppe überraschte 2007 die Marke Itineo, die sich auf Integrierte konzentriert. Die jüngsten Neuerwerbungen betreffen dagegen ausgebaute Kas-tenwagen: 2008 kaufte Rapido Campérêve, einen nur in Frankreich vertretenen Hersteller. Ende 2010 gelang die Übernahme von Westfalia, dem nicht nur europaweit wohl bekanntesten Namen für Campingbusse. Seit den 70er Jahren hat Rapido seinen Sitz im nordwestfranzösischen Mayenne, wo 2009 ein komplett neues Werk in Betrieb genommen wurde. Neben den Modellen der Muttermarke werden dort auch Itineo gebaut. Während man für die aufwendige Esterel-Produktion ein eigenes Werk in Angers errichtete, blieben Fleurette, Campérêve und Westfalia ihren Standorten treu.
Insgesamt beschäftigt die Gruppe etwa 600 Mitarbeiter und erwirtschaftet mit rund 4000 Reisemobilen pro Jahr einen Umsatz von 180 Millionen Euro. Die Rapido-Gruppe, die auch die Mobilheimmarke Rapidhome umfasst, zählt zu den Familienunternehmen. Nach dem Tod des Gründers Constant Rousseau im Jahr 1985 übernahm sein Sohn Pierre Rousseau - damals gerade 32 Jahre alt - die Führung von Rapido.
Sea
Eine Stückzahl von 4500 Reisemobilen pro Jahr macht die italienische SEA-Gruppe zu den großen Mitspielern im Freizeitfahrzeugeschäft. Die drei Buchstaben stehen für Società Europea Autocaravan und vereinen die vier italienischen Marken Elnagh, Mobilvetta, McLouis und Miller. Zur Gruppe gehört außerdem die britische Marke Auto Sleepers, die auf dem deutschen Markt nicht präsent ist. Die spanische Tochtermarke Joint wurde im vergangenen Jahr ebenso eingestellt wie die Handelsmarke Sharky.
Die SEA-Gruppe ging im Jahr 2000 aus einer Fusion der Traditionsmarken Elnagh und Mobilvetta Design sowie der noch jungen und erfolgreichen Marke McLouis hervor. Fünf Jahre später erhielt die private Investorengruppe Bridgepoint die Aktienmehrheit der SEA. Bridgepoint ist in vielen europäischen Ländern vertreten und besitzt Firmen unterschiedlichster Branchen mit einem Gesamtumsatz von 4,3 Milliarden Euro. SEA ist darin mit einem Umsatz von 140 Millionen vertreten und beschäftigt 450 Menschen. Während praktisch alle Elnagh nahe Mailand gebaut werden, kommen McLouis, Mobilvetta und Miller aus einem neuen Werk in der Toskana. Dort entstehen auch sämtliche Integrierten der SEA-Marken, die gemeinsam entwickelt wurden.
Adria
In Slowenien ist die Heimat der Adria-Gruppe. Vor gut 45 Jahren baute man hier die ersten Caravans. Die jüngere Geschichte beginnt aber erst 1996. Unter der Führung von Sonja Gole übernahm das Management den dahinsiechenden Betrieb. In der Folge wuchs das Unternehmen rasant und verzeichnete 2009 einen Umsatz von 160 Millionen Euro. Die Gesamtzahl der produzierten Freizeitfahrzeuge lag in diesem Zeitraum bei 7130. Am Standort Novo Mesto verlassen Reisemobile und Caravans der Marken Adria sowie Sun Living das Werk. Sun Living hat als Neugründung die Aufgabe, das Einstiegssegment abzudecken. Zur Adria-Gruppe gehört außerdem der spanische Hersteller Sun Roller. Er fertigt nahe Barcelona Mobilheime und Caravans für Südeuropa.
Nachgefragt: Hymer-Vorstand Pfaff im Interview
promobil: Herr Pfaff, VW will mit vier Marken weltweit Autohersteller Nummer eins werden. Wieso braucht Hymer fünf Reisemobilmarken?
Pfaff: Jede Marke positioniert sich in speziellen Segmenten. Wir brauchen Marken für die Einsteiger-, Mittel- und Oberklasse sowie das Top-Segment. Wir können die Marken außerdem über die Ausstattung und den Qualitätsanspruch differenzieren. Schließlich sind einzelne Marken auch unterschiedlich stark in verschiedenen Märkten.
promobil: Wer legt die Positionierung fest?
Pfaff: Das geschieht im Konzern gemeinsam mit den Geschäftsführungen der einzelnen Marken. Wir sind im Moment dabei, die Markenpositionierungen noch klarer und prägnanter zu schärfen. Bei zu großen Überschneidungen wird gemeinsam entschieden, wie wir damit umgehen.
promobil: Sind die Hymer- und die CMC-Gruppe in ihrer Markenpolitik selbstständig?
Pfaff: Ja, zwischen den Gruppen gibt es keine Abstimmung über die Positionierung. Wir sind harte Wettbewerber, auch wenn wir zum Teil dieselben Gesellschafter haben.
promobil: Herr Korsten, nutzen Sie als Produktionsvorstand gemeinsame Plattformen innerhalb der Hymer-Gruppe?
Korsten: Nicht in der Art, in der es der von Ihnen angesprochene VW-Konzern tut. Fahrzeuge unserer Marken wie Hymer, Bürstner oder Laika haben jeweils ihre eigenen Identitäten und Ausprägungen. Sie haben zum Teil unterschiedliche Stärken oder setzen verschiedene Schwerpunkte. Das muss auch so bleiben. Wir wollen keine einheitlichen Standardfahrzeuge, die sich nur noch durch das Markenlogo auf dem Kühler unterscheiden. Wo es für den Kunden von Vorteil ist, arbeiten wir in der Gruppe aber natürlich auch eng zusammen, so dass die einzelnen Marken von dem gemeinsamen Know-how und den Größenvorteilen der Hymer-Gruppe profitieren können.
promobil: Können Sie Beispiele nennen?
Korsten: Wir haben in der Hymer-Gruppe markenübergreifende Arbeitskreise, in denen sich die Technik- und Einkaufsleiter gemeinsam überlegen, wo wir Synergien im Einkauf und in der Entwicklung nutzen können. Das einfachste Beispiel sind Kühlschränke, da gibt es Festlegungen für Typen und Modelle, die die Marken einkaufen können. Durch die größeren Stückzahlen kommen wir dann zu besseren Einkaufskonditionen. Auch das Know-how zur Entwicklung etwa von Wassertanks kann man durchaus konzentrieren. Ein ganz zentrales Thema sind natürlich alle Sicherheitsthemen. Hier können alle Marken auf das gemeinsame, vertiefte Know-how der Gruppe zugreifen.
promobil: Was hat der Käufer davon?
Korsten: Wir kommen zu einer größeren Entwicklungstiefe und einer höheren Qualität. Außerdem können wir Preisvorteile erzielen. Und die einzelnen Marken gewinnen Freiräume und können noch mehr Zeit in die Optimierung ihrer Fahrzeuge stecken.
promobil: Betreiben die Hymer AG und die CMC-Gruppe den Einkauf von Komponenten
zusammen?
Korsten: In Maßen, wir haben uns auf einige gemeinsame Artikel geeinigt. Insbesondere was teuer ist und ein großes Volumen hat, etwa Chassis, Kühlschränke oder Toiletten.
promobil: Wie viele der fünf Reisemobilmarken in der Hymer-Gruppe wird es in fünf oder zehn Jahren noch geben?
Korsten: Unsere Marken sind alle so stark, dass wir im Moment nicht vorhaben, eine unserer Marken aus dem Portfolio zu nehmen.
Pilote
Schon früh blickte man bei Pilote über den Heimatmarkt hinaus. Bereits 1990 erwarben die Franzosen den deutschen Hersteller Frankia, beließen der Marke jedoch bei der Entwicklung und Produktion größtmögliche Selbstständigkeit. Ähnliche Gedanken verfolgte Pilote im Jahr 2000 mit dem Erwerb der französischen Edelmarke Le Voyageur. Sie ist wie Pilote im Westen Frank-reichs zu Hause, genauer in Angers, gut 100 Kilometer vom Sitz der Muttermarke entfernt. Eine andere Wendung nahm die Geschichte des deutschen Nobelfabrikats RMB. Es gelangte 2001 unter das Dach der Pilote-Gruppe, verließ aber wenige Jahre später den angestammten Standort in Wolfegg. Inzwischen kommen RMB aus dem nord-bayerischen Marktschorgast, wo die Marke bei Frankia eine neue Heimat gefunden hat.
Übersichtlich gestaltet sich die Historie von Bavaria (seit 1997) und Moovéo (seit 2006). Beide Marken wurden von der Gruppe gegründet. Die Modelle laufen in den Pilote-Hallen in La Limouzinière vom Band. Während sich Moovéo um preissensible Einsteiger kümmern soll, will sich Bavaria vor allem als Design-alternative zu den Pilote-Modellen profilieren. Nur kurz tauchte 2008 die Marke City Van auf. Die Kompaktmodelle gingen inzwischen in der Pilote-Palette auf.
Pilote kann auf eine nahezu 50-jährige Geschichte zurückblicken. 1962 beginnt die Fertigung von Caravans. Bereits 1978 debütiert ein Alkovenmobil. Heute ist Pilote eine der wenigen Freizeitfahrzeuggruppen, die keine Wohnwagen anbietet. Sie befindet sich im Besitz der Familie Padiou. An der Spitze steht seit vielen Jahren Philippe Pa-diou. Er formte aus den Marken eine Gruppe, die zuletzt einen Umsatz von rund 125 Millionen Euro verzeichnete. 750 Mitarbeiter sorgen für einen jährlichen Ausstoß von etwa 3500 Reisemobilen.
Rimor
Der italienische Hersteller Rimor wird meist als Einzelmarke wahrgenommen, hat sich jedoch in den vergangenen Jahren zu einer Gruppe entwickelt. Rimor erwarb die in Italien populäre Marke Kentucky Camp, um sie demnächst mit neuem Leben zu füllen. Parallel dazu gründete man X-Go und baut im Lohnauftrag Reisemobile für die Vermietmarke Blucamp.
240 Beschäftigte arbeiten an zwei Produktionsstandorten, dem Unternehmenssitz in Poggibonsi und dem Werk in Radicofani, beide in der Toskana gelegen. Hier entstanden zuletzt 3000 Reisemobile pro Jahr, was einer Umsatzgröße von etwa 120 Millionen Euro entspricht. 72 Prozent des Unternehmens gehören einer Bankengruppe aus Mailand, 18 Prozent sind im Besitz von Simone Niccolai. Der Sohn des Rimor-Gründers ist als geschäftsführendes Vorstandsmitglied tätig. Anfang 1978 hatte Luano Niccolai mit dem Bau von Rimor-Caravans begonnen.