Noch zu Beginn der 1970er Jahre wurden bei Hymer Wohnwagen auf die Ladefläche von Transportern aufgesetzt. 1975 erhielten die Reisemobile aus Bad Waldsee mit dem Hymermobil erstmals ein einheitliches Aussehen mit umlaufender Zierleiste, geteilter Frontscheibe und Dachgepäckträger. Insbesondere der 520 D, das kleinste der vier Geschwistermodelle, sollte den damals vorherrschenden Campingbussen Konkurrenz machen.

Zweifellos, der Hymer 520 D war geräumig, technisch auf dem Höhepunkt seiner Zeit, und an Wohnzimmeratmosphäre mangelt es auch aus heutiger Sicht nicht im Geringsten. Eigentlich drei schlagkräftige Argumente, um dem Bulli den Rang abzulaufen. Wäre da nicht der Preis von 34 400 D-Mark, der damals doppelt so hoch angesetzt war wie bei einem Volkswagen T2 mit Westfalia-Ausbau Zum 60. Firmengeburtstag veranstaltete das inzwischen zur Hymer Gruppe herangewachsene Unternehmen eine Rally für historische Fahrzeuge. Daran durfte auch promobil teilnehmen – mit einem dieser geschichtsträchtigen Integrierten, die eine Zäsur einläuteten.
Einsteigen, aber bitte von hinten!
Der Hymer 520 D besitzt weder Fahrer- noch Beifahrertüre. Der avocadogrüne Veloursteppich erstreckt sich nicht nur über den Fußboden, auch die Staufächer links undrechts der Sitze sind damit überzogen. Wer hinter dem Lenkrad Platz nimmt, muss seine Beine akrobatisch um den aus dem Bodenblech ragenden Schalthebel und die Parkbremse winden. Sie wirkt wie ein Gehstock, der in Richtung des Fahrersitzes aus dem Armaturenbrett hervorragt.
Als Basis für den knapp zwei Tonnen leichten Integrierten dient ein Daimler-Benz L 206 DG, Baureihe Harburger-Transporter. 60 PS sind ausreichend, um das Hymermobil auf bis zu 110 km/h zu beschleunigen. Alternativ gab es den 520 auch mit einem 70 PS starken Benziner.

Dass dieser 15 statt zwölf Liter schluckt, dürfte bei damaligen Literpreisen von rund 40 Pfennig kaum relevant gewesen sein – zumindest bis zur zweiten Ölkrise 1979/80. Die Gangwechsel erfordern Feingefühl, denn der Schalthebel bietet dem Arm kaum Führung. Erster und dritter Gang sind nur eine leichte Seitwärtsbewegung voneinander entfernt. Bei aufwendigen Lenkmanövern greift die Hand immer wieder in eine der drei Speichen – ein Mehr an Kraft muss die fehlende Servolenkung kompensieren.
Bei heutigen Reisemobilen praktisch nicht mehr existent: ein großes Ausstellfenster am Heck. Bei dem nur fünf Meter langen Hymermobil erleichtert es das Rangieren zusätzlich. Das Auge tritt beim Blick in den mittleren Rückspiegel auf eine in der Heckscheibe eingelassene Fresnel-Linse. Dieses Weitwinkelglas vergrößert den Sichtbereich.
So komfortabel ist der Hymermobil-Oldie
Schon vor 40 Jahren mussten Reisende auf nichts verzichten. Duschen und der Toilettengang sind im Hymermobil problemlos möglich – zumindest wenn man einige Häkchen auf der Preislistesetzt. Porta-Potti und Dusche mussten nämlich gesondert bestellt werden.
Der Frischwassertank ist unter dem Waschbecken untergebracht und fasst großzügige 60 Liter. Gasflasche und Bordbatterie finden sich unter der Hecksitzgruppe. Damals waren abgedichtete Gaskästen noch nicht vorgeschrieben – für Oldtimer gilt Bestandsschutz. Beheizt wird das Reisemobil mit einer Truma-S-Heizung. Der Hymer 520 D ist übrigens an Wänden und Boden isoliert und somit auch für Winterurlaube geeignet. Das zeigt sich auch in historischen Werbeprospekten.

Verzichten muss der Urlauber in dem Hymermobil auf ein fest eingebautes Bett. Stattdessen wird abends die Hecksitzgruppe zur Liegefläche umgebaut. Ein Rundholz stützt den abgesenkten Tisch auf den Sitzbänken, wodurch ein mit 1350 x 1950 Zentimetern recht geräumiges Querbett entsteht. Sind Jalousien und die blickdichten Vorhänge geschlossen, steht im historischen Hymermobil garantiert eine erholsame Nacht bevor.
Fazit
Wer auf Oldtimer steht, der findet ein wahres Schätzchen im Hymer 520 D. Als Liebhaberstück oder als Zweit-Wohnmobil ist das Wohnmobil Baujahr 1975 perfekt: Die heimelig-urige Einrichtung verbreitet Hüttenfeeling und eine mehrtägige Tour oder einen Oldtimer-Treff mit Gleichgesinnten ist das Hymermobil unbedingt geeignet.
Allerdings muss man sich bei einem 70er-Jahre-Mobil eben daran gewöhnen, dass das Kurbeln am Lenkrad echte Handarbeit ist. Da der Hymer 520 D mit seinen 70 PS etwas schwach auf der Brust ist, ist es nicht empfehlenswert, sämtliche Campingutensilien, die man sonst beim Jahresurlaub dabei hat, in das Mobil zu packen. Hier würde ich es halten wie bei einem Pkw-Oldtimer: Es ist ein Genießerfahrzeug.