Wohnmobil-Oldtimer Mini Wildgoose
Das hässliche Gänslein der Retro-Mobile

Campingfahrzeuge aus den 60er Jahren wecken meist Nostalgie. Autor Stefan Grundhoff teilt diese Erfahrung bei der Wildgoose-Testfahrt nicht: Er findet ihn hässlich und unpraktisch obendrein.

Wildgoose Oldtimer
Foto: Stefan Grundhoff

Kultig, nostalgisch und knuffig erscheinen die Campingfahrzeuge aus den 1960ern, wie etwa der Westfalia Sven Hedin oder Joker. Der Mini Wildgoose aus Großbritannien allerdings fällt in eine ganz andere Kategorie: Die verrückten Insulaner kombinierten wohl im Campingfieberwahn ganz dreist einen Wohnwagen mit dem landeseigenen Kultfahrzeug Mini. Das Resultat: Die wilde Gans sieht so aus, als ob ein Mini rückwärts in einen Wohnwagen gekracht sei. Von der weiß-valiantgrünen Farbe mal ganz zu schweigen.

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Mini Wildgoose: Nur 60 Fahrzeuge wurden jemals verkauft

Krampfhaft versucht der Mini die Vorteile eines Caravans mit denen eines Alltagfahrzeugs unter ein fahrendes Dach zu bringen. Mit einer Länge von knapp vier Metern kann man kaum glauben, dass der Mini Wildgoose tatsächlich für bis zu vier Personen gedacht war. Auf Testfahrt stellten wir fest: Selbst zu zweit wird es schon ganz schön eng in dem Gefährt.

Wollte man in den 60er Jahren wider aller Vernunft und guten Geschmacks Besitzer eines Mini Wildgoose werden, musste man sich zunächst einen Mini Van kaufen und dann je nach Ausstattung nochmals 400 bis 650 britische Pfund in den Umbau investieren. Die schlechten Verkaufszahlen von damals bestärken die These des hässlichen Entleins, äh, Gänsleins: Insgesamt sollen nicht mehr als 60 Fahrzeuge davon verkauft worden sein.

Weder Wohnaufbau noch Raumkonzept überzeugen

Der hässliche Brite ist klein, aber oho. Der Mini Wildgoose hat ein elektrisches Hochdach an Bord. Hat sich das Hochdach halbelektrisch in den Himmel gereckt, geht der Spaß erst richtig los: Das Dachkonstrukt wird über ein Kettensystem mit einer Handkurbel hinter dem Fahrersitz arretiert. Nach langer Fummelei ist der Wohnraum hinter der winzigen Fahrgastzelle zu einem eben solchen geworden. Zusätzliches Gepäck befördert der klobige Brite übrigens in einer gebastelten Box über der Fahrgastzelle.

Nach einer gefühlten Ewigkeit sind die Polster der Inneneinrichtung in die rechte Position gebracht und man kann Platz nehmen, um die außerhalb des Campers auf einem Gasherd bereiteten Speisen zu verdrücken. Nach dem Abendessen wird der Tisch per mehrteiliger Stabkonstruktion zur Unterlage des Bettes. Die Sitzkissen klettern ebenfalls nach oben während der Mini Wildgoose getreu seinem Namen wild im Wind wankt.

Wirklich dicht ist das Wohnmobil rund 50 Jahre nach dem Stapellauf nicht mehr. Durch die porösen Gummidichtungen pfeift der Wind, als hätte man die hintere Tür geöffnet. Ist sie aber nicht. Gleiches gilt für die kaum vorhandene Isolierung für Wärme oder Geräusche. Die Mini Wildgoose bietet nur einen Hauch mehr Komfort und Wetterschutz als ein wackeliges Zelt.

Fahrkomfort ist gleich null

Die Fahreigenschaften des Mini Wildgoose sind kaum besser als der nicht vorhandene Wohnkomfort: Die Platzverhältnisse in der schmalen Fahrgastzelle sind so karg, dass man nicht nur bei den zahlreichen Schaltvorgängen schon einmal Körperkontakt mit dem oder der Beifahrerin aufnimmt.

Der Zahn der Zeit hat an einem der wenigen verbliebenen Einzelstücke mit der laufenden Nummer 18 genagt. Egal ob im Stand oder während der Fahrt: Die Holzkonstruktion des verlängerten Mini ächzt als hätte ihr letztes Stündlein geschlagen. Besonders schlimm ist es bei Kopfsteinpflaster oder unebener Fahrbahn. Hier scheint der Retro-Camper jede Sekunde in seine Bestandteile auseinanderzubrechen.

Das kleine Motörchen hat Mühe, auf Touren zu kommen. Tempo 80 ist locker drin – alles Schnellere wird zum Himmelfahrtskommando auf winzigen 10-Zöllern. Der Geradeauslauf des Brit-Campers ist kaum als solcher zu bezeichnen. Auch auf schnurgeraden Strecken windet sich das kleine Campingmobil wie eine Klapperschlange auf dem Weg zur Nachspeise.

Da schadet es nicht, dass der gerade einmal 848 Kubikzentimeter große Vierzylinder mit seinen 34 PS nur die schmalsten Ansprüche an ein flottes Fortkommen befriedigt. Geschaltet wird mit Zwischengas. Nach hinten sieht man nichts, denn das Fenster der zweiteiligen Hecktür ist von einer schmucken Gardine nicht nur gegen neugierige Blicke von außen geschützt. Passend zum Gesamteindruck geben die Teleskop-Außenspiegel kaum Informationen über den nachfolgenden Verkehr. 

Fazit: Mini Wildgoose im Test

Die Nacht verbringen wir in der nur 20 Meilen entfernten Bed-and-Breakfast-Pension, noch bevor wir uns zum ersten Mal im Wild Goose herum gedreht haben. In einem solche Campingfahrzeug sollte man nur die Tage "genießen". Die sind spannend genug. Da tut Erholung Not. 

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Erscheinungsdatum 03.05.2023

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