Wie glatt es wirklich ist, merkt man erst, wenn man wieder auf den eigenen zwei Beinen steht. Vier wären besser. Also lieber wieder hochklettern ins wohnlich temperierte Cockpit, Platz nehmen hinter dem handlichen Lenkrad und noch eine Runde unter die Räder nehmen. Unter denselben eine geschlossene Schneedecke, und darunter reines Eis. Nichts für ängstliche Fahrer, doch Paradebedingungen für den Mercedes Sprinter mit Vierradantrieb.
Die robuste, aber nicht übermäßig moderne Technik hat sich schon im Vorgängermodell bewährt. Vortrieb liefern die Vorderräder auf Knopfdruck, bei Bedarf über den ganzen Geschwindigkeitsbereich. Das Zuschalten klappt bis 10 km/h. Dann greift das an die Kardanwelle angeflanschte Verteilergetriebe ins Geschehen ein und leitet die Antriebskraft mechanisch zu 35 Prozent der Vorder- und zu 65 Prozent der Hinterachse weiter. Die Folgen sind – mit einem Wort – völlig unspektakulär. Und gerade das vermittelt dem Fahrer ein Gefühl hoher Sicherheit. Trotz tückischer Haftwerte draußen in der realen Welt.
Mercedes Sprinter 4x4 im Härtetest
Eine bewusst zu schnell angefahrene Kurve: Der Wagen schiebt zehn Zentimeter über die Vorderräder. Das ESP regelt Leistung weg. Die Traktionselektronik bremst den Bus ein bisschen ein. Und schon ist der Sprinter wieder in der Spur. Ein provoziert derber Lastwechsel: Die Hinterräder brechen minimal aus. Dasselbe Spiel. Stoisch zieht der Sprinter durch den Schnee vorwärts.
Blitzschnell registriert das elektronische Traktionssystem 4ETS durchdrehende Räder, bremst sie ab und lässt diejenigen mit guter Traktion zum Zug kommen. Dadurch erübrigen sich zum Beispiel auch Differenzialsperren. Optional gibt es dagegen ein Untersetzungsgetriebe. Bei reduzierter Geschwindigkeit, jedoch mit deutlich mehr Drehmoment, lässt sich der Sprinter so kupplungsschonend rangieren oder abseits der Straße bewegen.
Allrad mit Wandlerautomatik kombiniert
In den meisten Fällen kann man sich das sparen, erst recht, wenn man den Allrad mit einer Wandlerautomatik kombiniert. Mit ihren fünf Fahrstufen ist diese zwar schon betagt, aber noch immer komfortabler als die serienmäßige Sechsgangbox. Die moderne Siebengang-Automatik ist mit Allradantrieb derzeit nicht kompatibel.
Mit den bekannten Dieselmotoren mit 129 und 163 PS sowie dem sahnigen 190-PS-Sechszylinder lässt sich der Allradantrieb verheiraten. Die harmonischste Liaison bilden 4x4 und 316 CDI. Wer auf den teuren 3,0-Liter-Diesel verzichtet, schont auch die Reisekasse. Der Vierradantrieb schlägt allein schon mit knapp 10.000 Euro zu Buche.
Schotterpisten können kommen
Ein kleiner Trost: Dass der Allradantrieb nicht permanent, sondern nur zuschaltbar agiert, macht die Geschichte wirtschaftlicher. Zwei angetriebene Räder bedeuten im Normzyklus rund 0,4 bis 0,8 Liter weniger Verbrauch. Darin bildet sich freilich auch das Gewicht ab, das der 4x4-Sprinter extra schleppen muss: 115 bis 135 Kilo sind zwar technisch gesehen wenig, für ein Wohnmobil aber ein erklecklicher Verlust an Zuladung. Verfügbar ist der Allrad für Kastenwagen und Fahrgestelle mit mittlerem und langem Radstand.
Bei normalen Straßenverhältnissen wirkt sich der Allradantrieb praktisch nicht aufs Fahren aus. Asphalt-Cowboys schalten ihn besser ab. Wahre Abenteurer indes freuen sich beim Durchqueren einer Fuhrt in der Mongolei über ganze 61 Zentimeter Wattiefe. Und: Ein Allrad-Bus schafft bis zu 20 Prozent steilere Steigungen als der Hecktriebler. Perfekt für marokkanische Dünen, Schotterpisten. Oder eben für verschneite Alpenpässe. Doch Vorsicht beim Aussteigen. Es könnte glatter sein, als Sie denken.