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Interview, Joachim Kinscher und Bernd Löher

Dometic-Chefs im promobil-Interview "Im Zuhören sind wir besser als jemals zuvor"

Dometic-Europachef Joachim Kinscher und Prokurist Bernd Löher sprechen mit promobil über den Endkunden als Entwicklungshelfer, neue Produkte und Projekte.

Die jüngsten Zulassungszahlen des Industrieverbands CIVD für Februar zeichnen ein gutes Bild der Branche. Wie sehen Sie das?

Kinscher: Der CIVD spiegelt das deutsche Bild wider. Aber in der Tat sehen auch wir, dass die Zuversicht langsam steigt. Mehr und mehr Länder des Euroraums verlassen den Krisenmodus. Das alles macht sich hier bei uns als Zulieferer zwar noch nicht in einer großen Marktveränderung bemerkbar. Aber wir sind mit leichtem Optimismus ins neue Jahr gegangen, und das scheint sich momentan zu bewahrheiten.
Löher: Wobei man sagen muss, dass das Bild in Europa sehr unterschiedlich ist. Märkte wie England zum Beispiel erholen sich sehr gut. Dort legt die Produktion mit 2,5 Prozent weniger stark zu als die Verkaufszahlen mit 20 Prozent. Heißt, England betreibt aktiven Lagerbestandsabbau. In Frankreich dagegen sieht man eine gewisse Stabilisierung, aber noch keinen richtig positiven Trend.

Dometic ist als internationaler Konzern in vielen Branchen aktiv. Wie wichtig ist der Freizeitfahrzeugmarkt überhaupt für Sie?

Kinscher: Er ist der Ursprung und das Kerngeschäft. Weltweit macht die Dometic-Gruppe knapp 900 Millionen Euro Umsatz. Gut die Hälfte davon im Bereich Reisemobile und Caravans. In Europa liegt der Anteil aufgrund des schwachen Herstellermarkts momentan aber nur bei etwa 30 Prozent.

Ist das der Grund, weshalb sich Dometic in der Produktpolitik im Verlauf der letzten Jahre breiter aufgestellt und mehr den Endkunden zugewendet hat?

Kinscher: Unter anderem. Wir machen mehr als 10 Prozent unseres Umsatzes hier in Europa mit Zubehör. Das hat besonderen Aufwind durch die Integration von Waeco im Jahr 2007 bekommen. Damit haben wir uns ja auch eindeutig zum Endkundenmarkt bekannt. Mit Caravanern und Reisemobilisten keine Produktentwicklungen zu betreiben, würde bedeuten, dass wir uns von ihnen entfernen.

Wie müssen wir uns das vorstellen?

Kinscher: Wir sehen es als Aufgabe der Zulieferer, Innovationen für den Markt voranzutreiben. Der Endkunde und der Zubehörkanal sind wichtig für uns, um im direkten Dialog zu hören, was der Nutzer will. Das geschieht über Kundengespräche, in Workshops, wir sind in sozialen Netzwerken aktiv und so sicherlich mit über 100 Kunden pro Tag im Dialog. Im Zuhören sind wir heute besser als jemals zuvor. Davon profitiert jede Produktentwicklung. Unser Motto ist: "Für jeden das Richtige, statt für alle das Gleiche."

Geben Sie uns doch bitte mal ein Beispiel dafür.

Löher: Aus unserer Sicht ist der Trend zu kompakten Fahrzeugen ungebrochen. Und darauf legen wir den Entwicklungsfokus. Ein Beispiel ist unsere neue Toilette Saneo. Wir haben bei ihr ein Verschlusssystem mit Doppelschieber, das es Ihnen erlaubt, die Toilette noch einmal ohne Einschränkung zu nutzen, wenn die Kassette entfernt ist. Zweitens haben wir eine Impulsspülung vorgesehen. Wasser wird erst gesammelt, bevor es mit Druck in die Keramikschüssel fließt, weil wir nie wissen, wie viel Druck die Wasserpumpe im Fahrzeug aufbaut. Drittens das Autoclosing, ein langsam absenkender Toilettensitz und -deckel zum Nachrüsten. Das sind Punkte, die in die Entwicklung mit eingeflossen sind aus den Erfahrungen mit unserer CT 4000 und aus Kundengesprächen.
Kinscher: Es ist ein Potpourri von Vorteilen, von dem wir denken, dass wir damit Marktanteile hinzugewinnen und Einzug in weitere Fahrzeuggenerationen erhalten.

Ist Dometic auch in anderen Produktbereichen gut aufgestellt?

Kinscher: Ziel ist es immer, neue Maßstäbe zu setzen. Dometic ist kein Kopierer. Wir kommen mit einem Produkt nur heraus, wenn es eine Handvoll Neuigkeiten an Bord hat. Das gilt auch für unsere neue 9er-Serie. Im Bereich Kühlschränke haben wir damit das größte Angebot auf dem Markt. Dazu kommt noch ein neues Kühlaggregat, nennt sich HPC (High Performance Cooling, Anm. d. Red.), mit dem wir speziell für warme Länder eine optimale Kühlleistung bei unseren zweitürigen Schränken erreichen.

Neue 9er-Serie? Was hat es damit auf sich?

Löher: Die neue 9er-Serie leitet mit 468 Millimetern ein neues Breitenmaß ein, eine neue Grifftechnik und Innenraumgestaltung. Sie bedient zudem auch ein ganz anderes Thema, das der Variantenreduzierung. Bei der 9er-Serie können wir auf den Baukastenkühlschrank zurückgreifen, und der Hersteller verwendet sein eigenes Dekor, statt bei uns mehrere Dekore zu ordern. Zudem hat er die Möglichkeit, Rechts- und Linksanschlag selber zu wechseln, da die Tür symmetrisch ist.
Kinscher: Je nachdem, wie der Markt das annimmt, stellen wir uns das so vor: Der Hersteller baut ein Grundgerät ein, und der Händler wird erstmals in der Lage sein, den Kühlschrank mit dem Kunden und einem großen Sortiment an Ausstattungen seinen Wünschen anzupassen. Das ist ein großer Schritt.

Ein großer Schritt soll auch der branchenweite CI-BUS sein, mit dem die Vernetzung in Freizeitfahrzeugen vorangetrieben werden soll und an dem Dometic beteiligt ist. Wie ist der Stand?

Löher: Nachdem es letztes Jahr veröffentlicht (promobil 8/2013, Anm. d. Red.) worden ist, gibt es bis dato 17 Unternehmen, die auf den CI-BUS zurückgreifen. Das Thema ist inzwischen auch ein europäisches. Erste Anmeldungen aus England liegen vor.

Wie wichtig ist es aus ihrer Sicht, dass der CI-BUS ein Erfolg wird?

Löher: Wenn wir mal überlegen, wie sich die Industrie entwickeln wird, ist die Bedeutung aus unserer Sicht hoch, weil der CI-BUS neue Möglichkeiten eröffnet. Das fängt an bei einer
komfortablen, intuitiven Bedienung der Fahrzeuge, an die die nächste Generation dank Smartphones längst gewöhnt ist, und geht hin bis zum Service. Wie bei Pkw kann sich der Servicetechniker in Zukunft mit einem Laptop ans Fahrzeug andocken und so bei Problemen eine saubere Diagnose stellen.
Kinscher: Wir übernehmen da eine aktive Rolle. Alle unsere Zukunftsprodukte werden die Schnittstelle haben. Dann entscheidet der Markt, ob sie aktiviert wird oder nicht. Aber ein Produkt, das eine mehrjährige Lebenszeit hat, ohne Berücksichtigung dieser Schnittstelle, das passt nicht zu Dometic.

Welche Themen neben dem CI-BUS werden die Branche noch beschäftigen?

Kinscher: Wir müssen es alle gemeinsam schaffen, neue Zielgruppen anzusprechen. Die heute 20- bis 35-Jährigen verfolgen einen viel urbaneren Lebensstil. Es wird später geheiratet, und das Streben nach Besitz ist nicht mehr gegeben, es wird mehr gemietet. Die Van-Zulassungszahlen spiegeln diese Philosophie ein bisschen wider. Schafft es die Industrie, mit Vermietangeboten und/oder Kooperationen mit anderen Branchen attraktive Pakete zu schnüren, gelingt es vielleicht, neue Märkte zu schaffen. Kunden, die mieten, kaufen irgendwann.


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