Der sieht aber sportlich aus! Ob ein Reisemobil gefällt oder nicht, entscheidet sich meist innerhalb weniger Sekunden. Dabei geht es beim Design nicht nur um die Außenoptik. Auch eine Sitzgruppe oder eine Küche sollten nicht nur rein funktional gestaltet sein, um uns anzusprechen. Ausschlaggebend dafür sind die Emotionen, die das Produkt weckt. Wie aber werden diese Empfindungen bei Reisemobilkäufern stimuliert? Um das herauszufinden, haben wir mit sieben Reisemobil-Designern gesprochen. Ihre Arbeit beginnt quasi mit der Geburtsstunde eines jeden Reisemobils. Denn bevor ein neues Modell auf einer Messe wie dem Caravan-Salon bewundert werden kann, vergehen mitunter mehrere Jahre langer Planung und jeder Menge Denkarbeit.
Ein Designer beschäftigt sich in der Regel circa ein Jahr mit einem Projekt. Ist die Gestaltung einer ganzen Flotte gefragt, verlängert sich der Prozess; steht schlicht ein Facelift eines bestehenden Modells an, verkürzt er sich.

Beschließt ein Reisemobil-Hersteller zum Beispiel die Produktion eines neuen Modells, wendet er sich meist an externe Designer. In einem ersten Briefing vermittelt der Kunde dem Designer zunächst seine Vorstellungen. Im sogenannten Lastenheft werden dann sämtliche Vorgaben festgehalten. Je nachdem ob das Interieur oder das Exterieur gestaltet werden soll, können dazu Aufbauart und Basis, Abmessungen, gewünschte Personenzahl oder späterer Einsatzbereich des Fahrzeugs gehören.
Form folgt Funktion
Die Fülle an Funktionalitäten, die insbesondere Reisemobile mitbringen, zwingt die Designer, sich bei der Gestaltung in einem fest abgesteckten Rahmen zu bewegen. Der grenzt sie jedoch nicht in ihrer Kreativität ein, so der einstimmige Tenor der Designer, mit denen wir gesprochen haben. Für Judith und Lars Bergmann, den Köpfen hinter dem Mainzer Designbüro Neo Neo Design, ist Design untrennbar mit Funktionalität verbunden. Bei der Gestaltung eines Schubladen-Griffs zum Beispiel achten sie zunächst darauf, wie er dimensioniert sein muss, damit er sich gut greift, wie er sich an die Front anschließen muss, damit man beim Vorbeigehen nicht hängenbleibt.
„In unseren Köpfen entsteht schnell die Konfrontation, dass ein Produkt entweder schön oder praktisch sein kann. Das muss aber kein Widerspruch sein. Die Herausforderung ist, beides in Einklang zu bringen“, erklärt auch Tom Klüber-Voss, Inhaber und Gründer von Studio-Syn in Rüsselsheim. Der Leitsatz ‚form follows function‘ ist also nicht nur eine abgedroschene Phrase, die jeder Design-Student im Laufe seiner Ausbildung zigmal zu hören bekommt. Design versteht sich als Symbiose aus Ästhetik und Funktionalität, in der viele Designer überhaupt den Reiz ihres Berufes sehen.

Mit den im Lastenheft festgehaltenen Vorgaben sind die Feuer in den Kreativschmieden der Designer also entfacht. Erste Ideen werden in Form von Scribbles gesammelt. In der wörtlichen Übersetzung bedeutet Scribble zwar „Kritzelei“, doch auch bei solch ersten Handskizzen verliert man die vorgegebenen Abmessungen nie aus den Augen. Viele Designer verzichten heute auf das analoge Zeichnen auf Papier und skizzieren stattdessen auf digitalen Grafik-Tablets, die das Gezeichnete direkt auf den Bildschirm übertragen. „In unserem Designstudio benutzen wir eigentlich kein Blatt Papier mehr“, erzählt Klüber-Voss. Im besten Fall liefert der Kunde einen dreidimensionalen Datensatz, der unter die Skizze gelegt wird. So stimmen die Proportionen vom ersten Scribble an. Anschließend werden die Ideen dem Kunden präsentiert und gemeinsam wird eine der Alternativen ausgewählt.
Es folgt die CAD-Phase. CAD steht für Computer-Aided Design, zu Deutsch computerunterstütztes Entwerfen. Mittels CAD wird der Entwurf dann bis ins Detail ausgearbeitet. Ein großer Vorteil dreidimensionaler CAD-Modelle ist die Möglichkeit, das zukünftige Reisemobil aus jeder Blickrichtung betrachten und bearbeiten zu können. Daraus entstehen dann fotorealistische Darstellungen, sogenannte Renderings, die heutzutage sogar durch die Virtual-Reality-Brille betrachtet werden können. So können sich die Designer wie auch ihre Kunden durch ein Reisemobil bewegen, das noch nicht existiert. „Virtual Reality ist für uns tägliche Routine“, erzählt Judith Bergmann von Neo Neo Design.
Geht es zum Beispiel um Teilbereiche des Interieurs, wie etwa den Küchenblock, werden im nächsten Schritt teilweise noch reale, physische Mock-ups auf Basis der CAD-Daten gebaut. Diese 1:1-Modelle werden aus Schaum gefräst und in Kombination mit originalen Komponenten aufgebaut. Aufgrund der Möglichkeiten der virtuellen Realität entfällt dieser kostenintensive Aufbau immer häufiger. In diesem Stadium können noch letzte Feinheiten angepasst werden, bevor der finale Datensatz für die Konstrukteure erzeugt wird.
Design-Werkzeugkasten

Wer an das Exterieur von Wohnmobilen denkt, denkt meist an weiße, kastenförmige Schachteln. Die haben eher weniger mit ausgefallenem Design zu tun, wie man es beispielsweise aus der Automobilbranche kennt. Die Gestaltungsmöglichkeiten bei teilintegrierten Modellen und noch mehr bei Kastenwagen sind zudem wegen des vorgegebenen Fahrerhauses begrenzt und Raum für Kreatives bleibt dem ersten Anschein nach kaum.
Designer nutzen aber die Beklebung, um Kontur auf die eckigen Kisten zu bringen. Dieses Werkzeug verwendete auch Swen Dluzak, Geschäftsführer des Designbüros Deskon.D in Stuttgart, bei den Vantourer-Modellen: „Um die Höhe eines Kastenwagens nicht zusätzlich zu unterstreichen, verläuft ein breiter Querstreifen über die gesamte Fahrzeuglänge. Die großen Flächen, die bei einem Kastenwagen nun mal gegeben sind, werden dadurch optisch aufgelockert“, erklärt er. „Außerdem entsteht eine optische Vergrößerung der Fenster, was eine zusätzliche Leichtigkeit verschafft.“
Mehr Spielraum bei der Gestaltung lassen vollintegrierte Reisemobile. Hier kann und muss die komplette Bugmaske mitentworfen werden. Moderne Designs orientieren sich immer öfter am Automobilbau. Deutlich wird das zum Beispiel beim neuen Morelo Palace, der wie aktuelle Pkw mit markanten Lichtkanten um Scheinwerfer und Frontspoiler spielt.
Mobiles Heim der Zukunft
Ausreichend Diskussionsstoff bietet die Frage, wie das Reisemobil der Zukunft aussehen könnte. Den Köpfen der Fahrzeug-Designer entspringen allerhand Ideen, die teilweise in Zukunftsstudien zu Papier respektive auf den Bildschirm gebracht werden. Auch Hersteller geben hin und wieder Designstudien in Auftrag, die auf Messen in Form von Showcars den staunenden Besuchern präsentiert werden.
Bislang nur als digitales Modell gibt es das Initiativkonzept namens Cara-Link von Designer Michael Studer aus dem baden-württembergischen Biberach. Mit dem Cara-Link soll es möglich sein, den Sportwagen selbst zu fahren, statt ihn in der Heckgarage des Luxus-Reisemobils zu transportieren.
Futuristisch mutet auch die Studie des Kölner Fahrzeug-Designers Alexander Christ an, die in Kooperation mit der Technischen Universität Delft in den Niederlanden entstand. Die großflächigen Fenster sollen das knubbelige Gefährt offen und freundlich wirken lassen. Von innen entpuppen sich die Fensterfronten als riesige Touchscreens.

Betrachtet man Entwürfe wie diesen, stellt sich schnell die Frage, wie sich Reisemobile mit Einzug des autonomen Fahrens verändern werden. Die Fahrerkabine wird plötzlich zur Lounge, was völlig andere Gestaltungsmöglichkeiten im Interieur zulässt. Der mögliche Umstieg vom Verbrennungsmotor auf den platzsparenden Elektroantrieb und die damit verbundene Umverteilung von Gewicht und Bauraum in den Fahrzeugen könnten unter Umständen sogar ganz neuartige Grundrisse ermöglichen.
Ein kurzfristigerer Blick in die Zukunft lässt vermehrt kompaktere Reisemobile vermuten. Der Meinung ist auch Swen Dluzak. Er selbst sieht hybride Fahrzeugarten kommen: „Auch ein Kastenwagen lässt sich verändern. Das beginnt mit einem Aufstelldach, kann aber beliebig weitergedacht werden.“
Heutzutage tendieren viele Reisemobilisten zum Kauf kleinerer Modelle, was nicht zuletzt auf den zunehmenden Mangel an Abstellflächen in den Städten zurückzuführen ist. Variabilität und die Möglichkeiten der flexiblen Fahrzeugnutzung würden ein kompaktes Reisemobil zum idealen Begleiter sowohl in urbanen Gegenden als auch draußen in der Natur machen.

Ein Wunsch vieler Designer ist der Mut zu individuelleren Konzepten der Hersteller. Während des Reisemobil-Booms der vergangenen Jahre konnten Hersteller wenig an grundlegend neuen Ideen arbeiten. Oft wird nur Bewährtes in neuem Look präsentiert. Im momentanen Umbruch der gesamten Mobilitätsbranche sehen viele Designer auch eine Chance. Eine Chance zu einzigartigen Modellen und neuartigen Funktionen. Wir dürfen also gespannt in die Zukunft blicken und uns auf innovative Reisemobil-Designs freuen.
Alexander Christ: „Design ist ein Ausdruck von Individualität.“
Digital Design Solutions (DDS) aus Köln gestaltet seit 2000 Produkte vom „Teelöffel bis zur Yacht“, wie CEO und Mitbegründer Alexander Christ sagt. Aber eben auch Reisemobile. Zu den bekannten Kunden von DDS gehören unter anderem Adria, Knaus und Eura Mobil. Als Designer sieht sich Christ stets vor der Herausforderung, die Veränderung der Branche im Blick zu haben. Sich immer wieder neu zu erfinden sei Teil des Berufs, was sich auch in Reisemobil-Designs widerspiegelt.
Die Idee eines Glasdachs im vorderen Teil eines Teilintegrierten, wie erstmals 2004 im Sun TI von Knaus zu sehen, stammt von DDS – zu den Leistungen der Firma gehört auch die Patententwicklung. Innovation macht einen wesentlichen Teil der DDS-Philosophie aus. Nicht weniger Wert legt Christ auf die Einzigartigkeit der Produkte, die kundenspezifisch ausgelegt sind.
Judith & Lars Bergmann: „Präzision bedeutet Qualität.“

2015 wagten sie mit Neo Neo Design den Schritt in die Selbstständigkeit. Gearbeitet wird zwar disziplinübergreifend, Judith Bergmanns Schwerpunkt liegt aber im Interieur-, Lars Bergmanns im Exterieur-Design. Ein Konzept, das aufgeht, wie sich an der Liste ihrer Kunden ablesen lässt. Mit Neo Neo Design verwirklichten sie bereits Projekte für namhafte Marken wie Knaus, Weinsberg und Morelo. Für beide Designer startete die Karriere 2006 im heutigen Studio-Syn. In dieser Zeit gestaltete Lars Bergmann unter anderem das aktuelle Exterieur der Niesmann + Bischoff-Flotte. Für die nahe Zukunft würden sich Judith und Lars Bergmann eine Revolution im Bereich Aufbau und Chassis wünschen. „Auf diese Weise wäre es uns möglich, ganzheitlich und kompromissloser zu gestalten“, erklärt Lars Bergmann.
Michael Studer: „Design ist die Kunst des Zuhörens.“
Studer Design feiert kommenden Herbst 20-jähriges Bestehen. Etwa genauso lange ist Michael Studer selbst zwei bis drei Mal im Jahr mit dem Reisemobil oder Caravan unterwegs. Während seiner Reisen mit der Familie erhält Studer unbezahlbaren Input. „Aus der Praxis, zahllosen Gesprächen mit anderen Reisenden und Beobachtungen auf den Stellplätzen entstehen viele Ideen, die weit über den rein gestalterischen Aspekt hinausgehen“, erzählt der Diplom-Designer.
Vor der Gestaltung von Reisemobilen lag Studers Fokus auf Möbeldesign. Egal, an welcher Art Projekt er arbeitet, es sei immer wichtig zuzuhören. „Wir Designer reden gerne viel, aber geht es um ein Projekt, müssen wir uns zurücknehmen. Wir müssen nicht nur das Fahrzeug und die Materialien betrachten, sondern auch das Unternehmen unserer Kunden.“ Kunden wie Dethleffs wissen das zu schätzen, stammen doch die meisten Außendesigns der Marke seit 2002 von Studer.
Manfred Lang: „Ein Reisemobil ist kein Rennwagen. Es braucht keinen Heckdiffusor.“

Wer sich mit Reisemobil-Design beschäftigt, kommt an diesem Namen nicht vorbei. Mit dem markanten Heckdesign des Knaus Traveller prägte Manfred Lang die Szene wie kein anderer zu einer Zeit, als Design nur wenig bis keine Bedeutung für Wohnmobil-Hersteller hatte. Als der Traveller 1987 auf den Markt kam, sollte sein Design Abenteuerlust und Outdoor-Feeling vermitteln.
Dem Reisemobil ist Lang bis heute treu geblieben. Das Portfolio seines Designbüros pro industria zählt mittlerweile weit über 70 Modelle und zum Kundenwerdegang gehören neben Knaus unter anderem Größen wie Hymer, Bürstner, Niesmann + Bischoff, Concorde und Carthago. Besonders großen Wert legt Lang auf ein neues und eigenständiges Design, ohne aus dem Automobilbereich abzukupfern. „Trotz allem soll es dem Zeitgeist entsprechen, um für den Endkunden eine Langzeit-Investition zu schaffen“, so Lang.
Swen Dluzak: „Gutes Design ist anfangs nicht wahrnehmbar.“
Reisemobile und die Reiseform, die mit ihnen verbunden ist, stehen für Swen Dluzak für Naturerlebnisse und Outdoor-Feeling. Für ihn müssen Reisemobile agil und multifunktional sein. „Vor allem aber muss in jedem Design auch ein Nutzen stecken“, sagt Dluzak, der das Business seit 25 Jahren kennt. Nach Stationen beim Hymer-Innovations- und Design-Center und bei Knaus betrat der Designer 2017 neues Terrain und gründete Rocket Camper. Für ihn bedeutete das den Einstieg in den Fahrzeughandel.

„Das sollte das Thema im Stuttgarter Raum erlebbarer machen“, erklärt Dluzak. Außerdem erhält er so als Designer den wertvollsten Input, den er sich wünschen kann: den vom Kunden selbst. „In den Kundengesprächen erfahre ich, wie sich potenzielle Käufer das perfekte Fahrzeug vorstellen. Mit Rocket Camper habe ich die Möglichkeit, auch auf individuelle Kundenwünsche einzugehen und diese speziell für sie zu gestalten.“
Tom Klüber-Voss: „Ästhetik, Funktionalität und Ergonomie verstehen sich als Gesamtpaket.“
Als gelernter Schreiner war die Spezialisierung auf Reisemobile nur logische Konsequenz für den Diplom-Industriedesigner. Seit 25 Jahren widmet sich Tom Klüber-Voss nun dem Thema. Sein Rüsselsheimer Designbüro Studio-Syn realisierte unter anderem Projekte für Hymer, Niesmann + Bischoff und Bürstner. Als Designer sieht er sich in der Pflicht, sich auch für den Endverbraucher stark zu machen, damit dieser den größtmöglichen Nutzen von seinem Fahrzeug hat. „Für mich stellt der Designer die Schnittstelle zwischen einem Produkt und dem Menschen dar“, so Klüber-Voss.
Die Ergonomie ist demnach eine entscheidende Größe des Designs. „Das Produkt muss in erster Linie für den Menschen gemacht sein.“ Sobald die Basisfunktionen einmal stehen, nutzt Klüber-Voss den verbleibenden Spielraum für die Gestaltung. „Wenn wir das gut gemacht haben, gehen diese beiden Aspekte synergetisch ineinander über.“