Historischer Bulli Westfalia Sven Hedin auf VW LT
Camping-Oldie mit Fernweh-Gen

Fast 40 Jahre hat dieser Sven Hedin auf der Uhr. Sein Name stammt vom waghalsigen Erforscher der Wüsten und Gebirge Zentralasiens. Und auch heute noch ist er ein Camping-Oldie mit Fernweh-Gen. Man muss es nur rauslassen …

Fast 40 Jahre hat dieser Sven Hedin auf der Uhr. Sein Name stammt vom waghalsigen Erforscher der Wüsten und Gebirge Zentralasiens. Auch heute noch ist er ein Camping-Oldie mit Fernweh-Gen.
Foto: Kai-Uwe Knoth, Prospektabbildung: Christoph Boltze/www.vwpix.org

Schon Anfang der 50er Jahre brachte Westfalia dem VW Bulli das Campen bei, war bald der wichtigste Fernwehspezialist für die Nutzfahrzeuge aus Hannover. Entsprechend hatten die Mannen aus Rheda-Wiedenbrück auch ein paar Ideen für den LT, als dieser 1975 debütierte – und allein mit seinem Platzangebot völlig andere Möglichkeiten bot als der zu jener Zeit noch so rundliche VW T2. Folglich nannte Westfalia den LT-Camper auch "das außergewöhnliche Wohnmobil".

Kultig, knuffig, kurios - promobil zeigt Camping-Oldies

Fahrgefühl im VW LT

Dem stimme ich sofort zu, schon auf den ersten Metern – ja eigentlich schon beim Entern des Fahrergestühls. Dann kurz orientieren: Die Handbremse sitzt links, der Schalthebel ist gefühlt einen Meter lang, und rechts neben mir wölbt sich ein Blechgebirge, hinter dem gerade der 75 PS starke Vergasermotor startet.

Der VW LT ist ein typischer Frontlenker, die Sitzposition auf der Achse bürgt für ein angenehm direktes Fahrgefühl, während das Aggregat – das gab es auch im Audi 100 – rasch in gediegenes Brummeln verfällt; man merkt dem Vierzylinder an, dass er erst 3400 Kilometer auf dem Buckel hat. Na ja, über Jahrzehnte hinweg war dieser Camper ja auch ein behütetes Museumsfahrzeug. Und ein echtes Jubel-Mobil.

Die Geschichte des Kultbus Sven Hedin

Ein Blick zurück: Die 70er sind eine wilde Zeit in der Ehe zwischen VW und Westfalia. Bis zu 125 Bulli-Camper werden gefertigt, täglich wohlgemerkt. Und dann – der LT! Den stellt Volkswagen als großen Bruder des T2 vor, bald präsentiert Westfalia einen Ausbau, der viel mehr kann als der Bulli. Ein Bad hält nun Einzug und eine Sitzgruppe, wobei die Vordersitze außen vor bleiben, ein Vorhang trennt den Wohnraum ab. Der besticht bis heute mit diesem speziellen Charme der 70er Jahre: braunes Velours, hellbraune Möbel, schlichtbrauner Teppich – dazu der braune Teddy meiner beiden Foto-Begleiterinnen Alma und Lene, welch ein Schick! Aber auch gemütlich, wie gesagt.

Der Sven Hedin nimmt im Innenausbau Details der 1979 startenden T3-Camper vorweg, denen der LT auch beim Außendesign vorangeht. Innen fällt das Ausziehbett auf: Dieses befindet sich bei Typ 1 – Typ 2 behielt das Original-Blechdach und verzichtete auf das obere Bett – über dem Fahrerhaus und bietet eine opulente Liegefläche von 196 auf 158 Zentimeter. Hier zu nächtigen ist ein ebenso entspannendes wie spannendes Vergnügen, haben wir es doch mit einem echten Sammlerstück zu tun, das uns Volkswagen Nutzfahrzeuge für ein Campingwochenende zur Verfügung gestellt hat.

So wohnt es sich im Kultcamper

Entsprechend bitten andere Camper – das Einparken gelang dank der übersichtlichen Karosse und des überraschend kleinen Wendekreises von knapp zwölf Metern sehr lässig – bald um einen "Blick ins Innere". Ein netter Herr meint angesichts des Dachbetts, dass heutige Campingbusse von so einer Schlafstatt nur träumen könnten. Ich muss ihm am nächsten Morgen zustimmen, die Nacht war himmlisch – und selbst zu zweit wäre es nicht eng geworden. Wenn ich da an meinen Hochdach-T3 denke …

An den erinnert mich auch die Schiebetür, die ihre technische Nähe zum Bulli keineswegs verbergen kann. Der Heavy-Metal-Sound der "Ratsch-Bumm-Fraktion" ist Legende, aber das kennt man ja: Zuerst versucht einer, die Tür zart, aber erfolglos zu schließen, bevor er sie schlussendlich zudonnert. Das weckt dann meist den nächsten VW-Fan, der nun ebenfalls – nein, nicht was Sie denken; Westfalia hatte eine Spültoilette für 345 Mark im Angebot.

Die Ausstattung des VW LT-Ausbau

Viel mehr als ein Feuerlöscher, ein Vorzelt oder eine Kabeltrommel tauchen in der Zubehörliste nicht auf, der Sven Hedin ist komplett ausgestattet. Unter dem 50 Millimeter dick mit Mineralwolle isolierten Dach finden sich nicht nur luftige 2,12 Meter Stehhöhe, sondern auch ein kompletter Wohnmobilgrundriss mit Sitzgruppe, Küche und Bad im Heck sowie ordentlich Stauraum. Und das bei einem Auto, das nur 4,84 Meter lang, aber dafür stolze 2,02 breit ist. Respekt! Selbst ein 45-Liter-Kühlschrank ist an Bord, das Feierabendbierchen ist gesichert.

Für Wärme sorgt die Gasheizung mit 12-Volt-Gebläse, zwei Fünf-Kilo-Flaschen reichen eine Weile, wobei im Heck ein Gas-Durchlauferhitzer für Dusche und Spüle sitzt. Bis zu 70 Liter Frischwasser fahren mit, im Parterre hängt der um fünf Liter größere Abwassertank. Alles da also – für 19.362 Mark, wie beispielsweise eine Preisliste von 1979 verrät. Für den "VW LT 28 Hochraumkastenwagen" musste man natürlich weitere 23.620 Mark anlegen, im Falle des anfangs nicht überzeugenden Dieselmotors und eines Fünfgang-Getriebes war man mit 25 920 Mark dabei.

Kultcamper: Gemütlich und beliebt

Heute sind diese Preise ohnehin rein fiktiv: Der Sven Hedin ist ein gesuchter Klassiker, und im hier zu sehenden Zustand eigentlich unauffindbar. Es ist ja aber auch ein "Hurra-Modell", wie bereits angesprochen: 1978 feierte Westfalia mit exakt diesem Fahrzeug das 200 000. Wohnmobil. Inzwischen ist der Oldie bei Volkswagen Nutzfahrzeuge in Hannover unterkommen – er ist sozusagen heimgekommen –, wobei die besondere Historie des Wagens auch sichtbar erhalten wird: Der Jubiläums-Aufkleber ist sakrosankt.

Sakrosankt sind auch Tempi im dreistelligen Bereich, alles über 100 quält den Motor zu sehr. Ein fünfter Gang wäre schön, und auch die im Fahrzeugschein vermerkte Spitze von 120 ist eher eine theoretische. Dafür hat der Camper diese sündig schönen Ausstellfenster in den Vordertüren, eines der coolsten Features älterer Autos überhaupt.

Lässig liegt der Arm derweil auf dem Fensterschacht, gediegen rollen wir vom letzten Fotostopp am Blauen See bei Hannover heimwärts. Aber nicht so schnell, die Minuten im Sven Hedin wollen genossen sein. Denn jenseits seiner überraschend hohen Alltags- und Urlaubstalente ist er ein liebenswerter Oldie, der zu erzählen weiß, wie des Campers Traum der 70er aussah. Welch wunderbare Zeitreise!

Daten & Preise für gebrauchte Westfalia Sven Hedin

Basis: VW LT 28, Kastenwagen
Länge/ Breite/Höhe: 4840/2020/2900 mm
Radstand 2500 mm
Leergewicht: 2300 kg
zul. Gesamtgewicht: 2800 kg
Räder vorn: Einzelradaufhängung (Doppelquerlenker, Schraubenfedern), hinten: Starrachse (Blattfedern, Panhardstab)
Wendekreis: 11,9 m
Motor: 4-Zylinder- Benzinmotor, 1960 ccm, 75 PS bei 4300 U/min, 4-Gang-Schaltgetriebe
Verbrauch: ca. 12 L/ 100 km
Preise: Gute "Sven Hedin" sind gesucht, indes rangieren sie nicht in so absurden Regionen wie der VW Bulli. Ab gut 7000 Euro wird man fündig.

Die Produktions-Historie

Den Sven Hedin bot Westfalia ab 1977 in zwei Varianten an: mit Hochbett – oder ohne. Dann spielte sich das Campingleben unter dem Original-VW-Hochdach ab, wobei der Stauraum über den Vordersitzen auch als Kinderbett angepriesen wurde. 1985 entfielen beim Facelift die klassischen Rundscheinwerfer. Dieselmotoren gab es im LT schon 1976, ab 78 gar als Sechszylinder und mit Turbo. Der Florida setzte die Tradition des Sven Hedin 1989–1995 fort, hier waren beispielsweise auch die Heckflügeltüren nutzbar.

Die aktuelle Ausgabe
Promobil 06 / 2023

Erscheinungsdatum 03.05.2023

148 Seiten