Wer beim Wintercamping Traktionshilfen im Wohnmobil mitführt, ist dem Wetter immer einen Schritt voraus. Doch welche Hilfe hilft tatsächlich? Fünf Konzepte im Praxisvergleich.
Wer beim Wintercamping Traktionshilfen im Wohnmobil mitführt, ist dem Wetter immer einen Schritt voraus. Doch welche Hilfe hilft tatsächlich? Fünf Konzepte im Praxisvergleich.
Winterreifen sind, zumindest in alpinen Regionen, ein absolutes Muss. Nur mit in Mischung und Profil an tiefe Temperaturen angepassten Pneus ist verlässlicher Vortrieb und vor allem sicheres Bremsen bei allen winterlichen Straßenverhältnissen möglich.
Was aber, wenn’s trotz bester Reifen nicht weitergeht, weil die Fahrbahn vereist oder der idyllische Stellplatz über Nacht in metertiefem Neuschnee versunken ist? Traktion ist gefragt, und neben naheliegenden Hilfsmitteln wie Sand, Salz oder Schaufeln balgen sich neue und bewährte Grip-Spender um die Gunst des Festsitzenden.
An den Start gehen zwei Kategorien: Nur zum Anfahren gedacht sind Traktionshilfen, die dem festgefahrenen Rad untergeschoben werden. Exemplarisch kommen hier anstatt Hausmittelchen wie Schuhabstreifer oder Fußmatten die als Anfahrhilfe optimierten Canoll Traktionshilfematten und – als multifunktionale Kombination aus Auffahrkeil und Traktionshilfe – die Rampe Uniko zum Einsatz. Radgebundene Gripverstärker sind etwa klassische Schneeketten, die hier durch die Rudmatic Classic sowie die noch junge Zunft der textilen Traktionshilfen vertreten werden. Textile Exemplare mit geschlossener Lauffläche vertritt hier der Marktführer Autosock; für die Netzartigen geht die Michelin Easy Grip an den Start.
Vergrößerung der Aufstandsfläche, Reibung oder Verzahnungsprinzipien: Die physikalische Wirkung der unterzulegenden Mobilmacher beruht primär auf der Vergrößerung der Aufstandsfläche, der Reduktion der Ausfahrsteigung aus der Mulde und wie die Kette auf Verzahnungs- oder Reibungsprinzipien.
Bei den geschlossenen textilen Anfahrhilfen ist das Thema Traktion weitaus komplexer. Doch während die Schneekette wie auch die französische Easy Grip von Michelin ihren Vortrieb aus Makro-Verzahnung und Fräswirkung bezieht, herrschen bei der oberflächlich quasi glatten Gewebestruktur der Autosocks andere Gesetze. Das Prinzip hier lautet Adhäsion und Mikro-Verzahnung. Tausende, quer zur Fahrtrichtung verlaufende Fäden aus hochfester Kunstfaser vergrößern die wirksame Oberfläche und ziehen Wassermoleküle in allen Aggregatzuständen nahezu magisch an. Schnee und Eis bleiben sichtlich kleben und schaffen so eine optimale Haftung.
Während die Unterschiede bei Schneeketten weniger in den Wirkung, sondern vielmehr in der Verarbeitungsqualität und damit bei Belastbarkeit und Haltbarkeit zu suchen sind, wird bei den textilen Systemen ausdrücklich vor billigen, teils wirkungslosen und meist illegalen Nachahmerprodukten aus Fernost gewarnt.
Ebenbürtiger Konkurrent zu den patentierten Autosocks wäre die sogenannte Hybrid-Traktionshilfe Soft-Spike aus dem Hause RUD. Ähnlich den Socken wird hier ein, jedoch zusätzlich mit feinen Stahlfäden durchzogenes Textilband um den Reifen gelegt. Ein innovatives Produkt, das allerdings, trotz passender Größen, laut RUD nicht für den Einsatz auf Reisemobilen und Nutzfahrzeugen empfohlen ist und somit am Test nicht teilnehmen kann.
Drei Dinge: Die Verarbeitungs- und Materialqualität, die Anwendung, also das Anlegen und Abnehmen des Produkts, sowie die Haftungs- und Fahrdynamik-Eigenschaften, die natürlich nur bei radgebundenen Systemen relevant sind. Vor dem bewussten Festfahren des Reisemobils in tiefem Schnee wird die Montagefreundlichkeit und Fahrdynamik von Kette und Co. bewertet. In den engen Radkästen von Pkw nicht gerade einfach zu montieren, fällt dies bei den geräumigen Radgehäusen von Transportern und Reisemobilen nicht wirklich schwer.
Zum Anlegen der professionell verarbeiteten Rudmatic-Kette am Federbügel bleibt nicht viel zu sagen; das System arbeitet perfekt und geht leicht von der Hand, Handschuhe und etwas Übung vorausgesetzt. Auch die Autosocks passen wie ein gut geschnittener Maßanzug. Wie eine Duschhaube über den Reifen stülpen, den Gummizug so weit möglich hinter die Lauffläche ziehen, eine halbe Radumdrehung fahren, den Gummizug jetzt oben nach hinten heben, fertig. Die Zentrierung der Socke erfolgt nach wenigen Metern von selbst. Fast gleich einfach, aber etwas kraftintensiver, funktioniert die Montage der Michelin Easy Grip.
Ohne das Rad zu drehen ist keines wirklich sicher montierbar. Doch was tun, wenn sich das Rad nicht mehr bewegt, weil das Wohnmobil sich schon festgefahren hat? In solchen Situationen helfen nur unterlegbare Systeme wie Matten oder Schienen à la Canoll oder Uniko. Klare Grip-Vorteile hat hier die multifunktionale Uniko, die aber bei kräftigem Gaseinsatz unter den Rädern hervorschleudert und Schäden am Fahrzeug verursachen kann. Die elastische Canoll löst dieses eleganter.
as können die Traktionshilfen im dynamischen Betrieb wenn’s drauf ankommt? Recht gut schneidet in diesem Test mit dem Sunlight Alkovenmobil auf frontgetriebenem Fiat-Ducato-Chassis die Schneekette ab. Mit stark durchdrehenden Rädern ist sie durch ihre radikale Fräswirkung der Traktionskönig, wenngleich sie in ihrer Wirkung beim ABS-Bremsen wie Autosock und Easy Grip keine signifikante Verbesserung bringt.
Wer sich weniger spektakulär bewegen will, findet in der Michelin Easy Grip und – bei ausgewogenerer Querdynamik fast noch sicherer zu fahren – mit den Autosocks eine kompakte Alternative, die durch ihre geschlossene Lauffläche zur Not auch mal auf schlechten Reifen für Vortrieb sorgt.
Autosock | Michelin Easy Grip | Rudmatic Classic | Toyo HO9 (ohne Traktionshilfe) | |
Traktion mit ASR: Beschleunigungszeit von 10–30 km/h. Messung mit aktiver Antriebsschlupfregelung (Fenstermessung) | 15,6 s | 17,1 s | 21,7 s | 23,3 s |
Traktion ohne ASR: Von 10–30 km/h wird hier mit leicht bis stark durchdrehendem Rad das optimale Ergebnis ermittelt. | 15,4 s* | 10,7 s * | 8,8 s* | 17,3 |
Seitenführung: Durchschnittsgeschwindigkeit auf einer Kreisbahn, Durchmesser 30 Meter. Festgefahrene Schneedecke. | 24,8 km/h | 27,8 km/h | 28,8 km/h | 24,2 km/h |
Bremsleistung: ABS-Vollbremsung auf festgefahrener Schneefahrbahn. Bremsweg von 30–10 km/h. | 10,4 m | 9,8 m | 9,9 m | 10,0 m |
Autosock | Michelin Easy Grip | Rudmatic Classic | Toyo HO9 (ohne Traktionshilfe) | |
Traktion mit ASR: Beschleunigungszeit von 10–30 km/h. Messung mit aktiver Antriebsschlupfregelung (Fenstermessung) | 15,6 s | 17,1 s | 21,7 s | 23,3 s |
Traktion ohne ASR: Von 10–30 km/h wird hier mit leicht bis stark durchdrehendem Rad das optimale Ergebnis ermittelt. | 15,4 s* | 10,7 s * | 8,8 s* | 17,3 |
Seitenführung: Durchschnittsgeschwindigkeit auf einer Kreisbahn, Durchmesser 30 Meter. Festgefahrene Schneedecke. | 24,8 km/h | 27,8 km/h | 28,8 km/h | 24,2 km/h |
Bremsleistung: ABS-Vollbremsung auf festgefahrener Schneefahrbahn. Bremsweg von 30–10 km/h. | 10,4 m | 9,8 m | 9,9 m | 10,0 m |
* Subjektive Schlupfskala von 0–10: 0 = sofortiger Traktionsabriss; 10 = bester Vortrieb bei maximal durchdrehenden Rädern.
Textilüberzug mit geschlossener Lauffläche für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge.
Netzartiger Überzug aus hochfestem Kunststoffseilgeflecht.
Viergliedrige Multifunktionsrampe aus hochfestem Kunststoff. Kann als Anfahrhilfe, Hocker, Trittstufe, Auffahrrampe oder massiver Unterlegkeil verwendet werden.
Gleitschutzkette mit Federbügel für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge.
Der promobil-Tipp: Matten plus Ketten – wer beides hat, ist klar im Vorteil.