Die Erwin Hymer Group (EHG) hat ihre Zukunftsstrategie und Nachhaltigkeitsoffensive auf einer Pressekonferenz vorgestellt. Dazu befragten Ingo Wagner (CARAVANING) und Jürgen Bartosch (promobil) exklusiv den Vorstandsvorsitzenden Martin Brandt.
Wir arbeiten daran schon länger. Wir wollten aber erst einmal ein Stück vorwärtskommen, bevor wir darüber reden. Also haben wir analysiert, wo die Hebel sind, und dann zunächst das umgesetzt, was vergleichsweise schnell und einfach geht: zum Beispiel die Umstellung auf grüne Energie und die Unterstützung von weltweiten Projekten zur CO2-Kompensation. Ein Punkt auf unserer CO2-Agenda ist natürlich auch das Produkt. Wir haben ja schon in der Vision-Venture-Studie mit Filz, Bast und Schiefer gearbeitet. Das geht in diese Richtung. In unserem Innovation Center testen wir bereits neue Materialien. Wir müssen aber auf das Gewicht und auf Sicherheitskriterien achten. Wir werden also in diese Richtung gehen. Zunächst übrigens mit der Marke Dethleffs. Aber da reden wir nicht über Monate, sondern Jahre.
Wir haben gesagt, spätestens 2050. Wir sind Schwaben und deshalb lieber etwas vorsichtig (lacht). Wir produzieren seit dem 1. August CO2-neutral und reden erst jetzt darüber. Wir haben Respekt vor den letzten zehn Prozent, weil die vermutlich hart werden. Ich bin trotzdem sicher, dass wir es früher hinkriegen. 2050 ist übrigens auch das Ziel, das Thor Industries seinen Investoren kommuniziert hat.

Wir sind da in Diskussionen mit unseren Partnern, also vor allem Fiat und Mercedes. Als reines Elektrofahrzeug funktioniert das bei kleinen Stadtlieferwagen schon ganz gut. Aber für Reisemobile brauchen wir Reichweiten von 400 bis 500 Kilometer. Wichtig ist außerdem die Ladegeschwindigkeit. Eine 80-prozentige Vollladung sollte maximal 15 bis 20 Minuten dauern. Das haben wir im Moment noch nicht, aber wir sind überzeugt, dass wir da technologisch hinkommen. Mit Mercedes arbeiten wir parallel an der Brennstoffzelle als möglichem Antrieb. Außerdem beschäftigen wir uns mit dem Thema Rangeextender, um die Reichweite elektrisch angetriebener Fahrzeuge zu verlängern. Wir müssen hier in verschiedene Richtungen arbeiten, weil noch unklar ist, was sich durchsetzen wird. Dabei müssen wir auch die Infrastruktur im Blick haben, denn es nützt ja wenig, wenn man zwar in Deutschland Wasserstoff tanken kann, aber in wichtigen Reiseländern nicht.
Eigentlich geht es dabei um eine europäische Regelung. Laut den Verbänden sind die Chancen ganz gut, dass wir 2023 so eine Erweiterung des B-Führerscheins bekommen. Doch wir brauchen dafür auch die Unterstützung des deutschen Verkehrsministeriums.
Wir haben an allen Standorten Mitarbeiter aufgebaut, insgesamt 1550. Nach Zahlen waren es in Sassenberg, Neustadt, Isny und Bad Waldsee am meisten. Prozentual ist die Mitarbeiterzahl im italienischen Laika-Werk am stärksten gestiegen.
Es sind vor allem Reisemobile betroffen, weil Fiat und Mercedes ihre Produktion zeitweise gestoppt haben. Wir werden in den nächsten Wochen verstärkt Caravans produzieren, um das auszugleichen. Es ist paradox: Wir haben den größten Auftragsbestand der Geschichte und reden über Kurzarbeit. In Isny bei Dethleffs haben wir Ende Oktober, Anfang November zwei Wochen zu gemacht. Manche Standorte können mit Caravan-Produktion die Ausfälle kompensieren. Wir müssen quasi jeden Tag umplanen.

Könnte ich die Preisentwicklung vorhersehen, säße ich nicht hier, sondern würde als Milliardär enden. Meine persönliche Einschätzung ist, dass die Preise irgendwann wieder leicht sinken, aber nicht mehr auf das Niveau vor dem jüngsten Anstieg. Aktuell ist es so, dass ich noch nicht einmal eine weitere unterjährige Preisanpassung ausschließen kann.
(lacht) Es ist so, dass Airxcel in Europa relativ klein ist, also noch meilenweit weg davon, in Konkurrenz mit Dometic und Truma zu treten. Wir müssen zunächst einmal mit Airxcel sprechen, was die so vorhaben. Die Firma muss ja jetzt erst mal ankommen in der Gruppe.
In der neuen Halle endmontieren wir Chassis für unsere Reisemobile auf Mercedes-Sprinter-Basis aus angelieferten Teilen von Alko und anderen Zulieferern. Wir haben keine eigene Metallverarbeitung oder Verzinkerei in Bad Waldsee.
Es geht um beide Transit-Modelle. Wir werden bereits im Januar, Februar 2022 damit starten, zunächst bei den Camper Vans, weil es da am schnellsten umzusetzen ist. Wir wollen das Risiko einfach streuen, falls ein Chassishersteller Lieferschwierigkeiten hat.
Tatsächlich sind wir da mit den Bürgermeistern einiger Gemeinden in Oberschwaben im Gespräch. Wir wollen hier eine Art Modellregion machen und erstellen dafür gerade ein Konzept. Damit wollen wir uns an das Wirtschaftsministerium in Stuttgart wenden und nach Fördermöglichkeiten fragen. Und wenn sich das Modellprojekt umsetzen lässt, kann das durchaus als Beispiel für andere Regionen in Deutschland oder auch Europa dienen.