Adria Twin SL im Test
Solo für zwei

Ein Campingbus. Zwei Personen. Zwei Einzelbetten. Mit seinem ungewöhnlichen Grundriss verspricht der Adria Twin SL hohen Schlafkomfort im kompakten Kastenwagen. Geht das ohne Kompromisse in anderen Bereichen? promobil hat den Twin SL getestet.

Solo für zwei
Foto: Foto: Konstantin Tschovikov

Von der Quadratur des Kreises spricht man, wenn sich widersprechende Ansprüche miteinander in Einklang gebracht werden sollen. Bezogen auf ausgebaute Kastenwagen kann man sich da vieles Mögliche und Unmögliche vorstellen. Von den machbaren Aufgaben ist sicher eine der kniffligsten, die guten Fahreigenschaften der kompakten Fahrzeuge mit dem gehobenen Komfort von zwei separaten Betten zu verbinden. Und das ohne den Verzicht auf Bad, Küche und Sitzgruppe.

Die Innenarchitekten von Adria dürften ins Schwitzen geraten sein. Doch der zum Saisonbeginn 2009 vorgestellte Twin SL hat tatsächlich alles an Bord. Das Ganze auf sechs Meter Länge und wenig mehr als zwei Meter Breite – jenem Kompaktmaß, das der Fiat Ducato in seiner zweitlängsten und beliebtesten Variante vorgibt.

Wer Twin SL fährt, setzt klare Prioritäten. Er will in erster Linie Schlafkomfort und nimmt dafür einige Kompromisse in Kauf. Ein paar Zentimeter mehr Gesamtl­­änge würden dem Raumgefühl – besonders im Bad – jedoch guttun. Überzeugen kann die robuste Ausbauqua­lität. Ebenso die Fahreigenschaften.

Fahren

Der Fiat Ducato als Basis des Adria Twin SL chauffiert die Pas­sa­giere sicher und unkompliziert. Wie die fast baugleichen Peugeot Boxer und Citro­ën Jumper ist der Ducato in der Klasse der großen Campingbusse bestens eingeführt. Die Gründe dafür sind der günstige Preis, die praktischen Abmessungen und die ausgewogenen Fahr­eigen­schaf­ten, die auch der Twin SL an den Tag legt. Die straffe Federung kann zwar die Nutzfahrzeugherkunft nicht verleugnen, doch ein besonderer Härtefall ist der Ducato mit Adria-Ausbau nicht.

Mit der Bedienung im etwas verspielten, doch funktionalen Cockpit kommt man auf Anhieb zurecht. Ergonomie und Sitzverhältnisse stimmen. Die Sicht nach vorn wird bei durchschnittlicher Körpergröße durch die Falt­rollo-Führungsschiene oben an der Wind­schutzscheibe nur wenig eingeengt. Beweglichkeit und damit Funktion der Sonnenblenden sind jedoch eingeschränkt. Der Verzicht auf seitliche Falt­verdunklungen zugunsten einfacher Vorhänge lässt einen ungehinderten Blick in die gro­ßen Spiegel zu, wovon die Übersicht profitiert.

Erfahrungsgemäß kommt der 100-PS-Basismotor schnell an seine Grenzen. Die 800 Euro für den völlig ausreichenden 120-PS-Motor sind gut investiert. In der Stadt dreht die Maschine selten über 2000 Touren. Auf der Autobahn schwimmt der Twin bis Tempo 120 gut mit. Nur an langen Steigungen gilt es, früh zurückzuschalten.

Ein wendiges Reisemobil ist der Twin SL nicht. Der lange Radstand beschert dem Kastenwagen zwar ein sicheres Fahrverhalten und einen stoischen Geradeauslauf, aber auch einen immensen Platzbedarf beim Umdrehen. Da geht einem in der Stadt schon mal die Straße aus.

Wohnen

Die Einzelbetten dominieren die Einrichtung und das Raumgefühl im Adria Twin SL. Die eingangs angedeutete Einteilung ist ungewöhnlich für Campingbusse. Die Einzelbet­ten im Heck, die über zwei Stufen gut erreichbar sind, dominieren die Einrichtung deutlich. Der Schlafkomfort, besonders im langen rechten, doch auch im kurzen linken Bett, ist dank hochwertiger Matratzen sehr gut. Velourverkleidete Aus­sparungen links und rechts, in die je zwei kleine Ablagen eingelassen sind, bringen im Bereich von Schulter und Hüfte ein beachtliches Breitenmaß. Durch ein Zusatzpolster lässt sich der Graben zwischen den Betten nivellieren. Gleich vier Leselampen hängen unter den Dachstaukästen, die die Kopffreiheit teilweise begrenzen.

Plastikverkleidungen am Kopf­ende decken das nackte Blech der Hecktüren ab. Den Spalt zwischen den nicht immer ganz dicht schließenden Türen füllt ein Profil aus PE-Schaum – schlicht, aber wirkungsvoll. Wegen der tiefen Einbauposition der Heckfenster, respektive der hohen Lage der Betten, kommt man schlecht an den Griff für die Kombirollos. Die Tür hingegen lässt sich von innen öffnen; der Griff wurde nach oben verlegt.

Ans rechte Bett schließt sich die kleine Kombüse an, die gut 70 Zentimeter in den Ausschnitt der Schiebetür ragt. Besonders die offenen Ablagen seitlich im Küchenblock sind praktisch, nicht nur für Essenszutaten. Ansonsten steht nicht viel Stauraum zur Verfügung, und die Besteckschublade ist winzig. Abhilfe schaffte, den zweiten Kleiderschrank mit Zwischenböden zu versehen.

Teilweise ragen die Schließbleche der Drucktastenschlösser scharfkantig in die schmalen Unterschranköffnungen. Am großen Ab­sorberkühl­schrank (Komfort-Kit) gefallen die Zünd­automatik und das praktische Gemüsefach, weniger die tiefe Einbauposition im Gang zwischen den Betten.

Gegenüber steht das Bad, das mit nur einem guten hal­ben Quadratmeter Grundfläche aus­kommen muss. Die pragmatische Einrichtung ist handwerklich sauber eingebaut. Rund um die Kunststoff-Bodenwanne und das ausladende Waschbecken ziehen sich ordentliche Silikonfugen. Von der Auszieh-Brausearmatur bis zum Zahnputzbecher ist das Nötigste versammelt. Sogar eine Duschmöglichkeit, die mit 47 Zentimeter Abstand zwischen den beiden Trennvorhängen jedoch äußerst knapp dimensioniert wurde. Regel­äßige Gäste auf Campingplätzen finden dort meist die komfortableren Sanitäreinrichtungen. Immerhin: Eine private Toilette hat unterwegs durchaus etwas für sich.

An praktischen Details fehlt es nicht: Aufhänger für Waschlappen und Handtuch machen sich ebenso nützlich wie die Kleiderstange an der Decke, ideal für vom Regenspaziergang durchnässte Klamotten.

Wer abgelegt hat, nimmt zunächst mal Platz. Was gar nicht so einfach ist, da auch die Sitzgruppe sich dem Fokus auf hohen Schlafkomfort unterordnen muss. Der kleine Tisch nimmt trotz praktischer, ausschwenkbarer Zusatzplatte gerade mal so zwei Gedecke auf. Knie an Knie sitzt man schon sehr intim. Die Bank ist wegen der steilen Rückenlehne auf Dauer unbequem. Und weil die Cockpitsitze nach dem Drehen wieder ganz zurückgeschoben werden müssen, stehen die metallenen Sitzschienen in Unterschenkelhöhe ein ganzes Stück hervor. Vorsicht Verletzungsgefahr!

Damit Passagiere auf der Rückbank den Tisch nicht wie einen Bauchladen vorm Körper haben, würde man das Teil gerne abbauen. Doch einen festen Platz zum Verstauen hat Adria nicht vorgesehen.

Beladen

Zwei Personen kommen mit Stauraum und Zuladung der Adria Twin SL durchaus zurecht. An Stauraum für zwei Urlauber herrscht im Twin SL dagegen kein Mangel. In acht Hängeschränken lässt sich Kleidung übersichtlich verstauen. Der größere der beiden Kleiderschränke sitzt unter dem linken Bett und kommt dem Benut­zer mit einer ausziehbaren Aufhängestange entgegen.

Der abgeschottete Heck­stauraum verwandelt sich bei Bedarf in ein praktisches Gepäckabteil mit Durchlade. Zwei Fahrräder bekommt man vor Schmutz geschützt unter, wenn man das rechte Bett hochklappt und die Trennwand zum Innenraum zur Seite schwenkt. Nach dem Lösen zweier Flügelschrauben lässt sich auch die kleine Treppe aus dem Weg räumen. Eine Möglichkeit, sie an anderer Stelle rutschsicher zu fixieren, wäre wünschenswert. Mit Zurrösen am Boden ließe sich der Kofferraum noch besser nutzen.

Die Nutzlast jedenfalls hält dafür durchaus Reserven bereit. Wer mit 525 Kilo partout nicht klar kommt, kann für 600 Euro von serienmäßigen 3,3 Tonnen Gesamtgewicht auf 3,5 Tonnen aufstocken. Nötig dürfte das in den seltensten Fällen sein, zumal auch die Zuladung vorn aus­reicht. Für eine bessere Gewichtsbalance hat Adria den großen Frischwassertank rechts im Heck platziert, was die Vorderachse spürbar entlastet.

Kosten

Das Grundpreis-Schnäppchen ist mit wenig Extras komplett. Mit 37687 Euro Grundpreis zählt der Adria Twin SL zu den günstigen ausgebauten Kastenwagen auf Fiat-Basis. In die­-sem großen Marktsegment sind Grundrisse mit Einzelbetten eher die Ausnahme. Sinnvolle Extras für mehr Komfort und Sicherheit treiben den Grundpreis dann doch über die 40?000-Euro-Marke. Empfehlenswert ist auch der größere Motor mit 120 Pferdestärken. Damit geht’s eindeutig stressfreier auf Reisen.

Modelle: Die Vans von Adria bürgen für den Erfolg der Marke in Deutschland. Allein auf dem Ducato gibt es fünf Modelle. Als einer der wenigen Campingbus­se mit Einzelbetten ergänzt der Twin SL seit 2009 das Angebot.

Typ:CampingbusseSchlafplätze:2Preis:30.000 bis 40.000 €