Test
Maesss Evolution 7

Handlich wie ein Kastenwagen, aber so komfortabel wie ein Integrierter: Kann der Maesss Evolution tatsächlich beides?

Maesss Evolution 7
Foto: Pankok/factum

Der belgische Betrieb mit den ungewöhnlichen drei S im Namenszug führt selbst Kenner aufs Glatteis. Beim Maesss Evolution scheinen die Grenzen zwischen üblichen Aufbauformen zu verschwimmen. Gehört das Mobil mit Stern im Grill zur Gattung der Kastenwagen? Kann man ihn in die Klasse der Teilintegrierten einordnen, oder handelt es sich um einen Integrierten? Bei genauerer Betrachtung wird klar: Der Evolution ist in der Tat ein Integrierter. Motorhaube, Kotflügel und Stoßstange sehen den Mercedes-Teilen zwar täuschend ähnlich, fallen aber zwei Kleidergrößen üppiger aus und bestehen aus GfK. Ähnliches hatten die Karossiers bereits auf Basis des preiswerteren Fiat Ducato vollbracht. Weil die Frontstruktur in ihrer Substanz nicht angetastet wird, sind sogar Airbags lieferbar. Der Evolution bietet serienmäßig zwei Fahrerhaustüren, die hochwertig und automobil ausfallen – kein Wunder, denn Maesss verwendet die Originaltüren. Selbst auf Annehmlichkeiten wie Fensterheber und kräftige Türgriffe samt soliden Schlössern muss niemand verzichten. Einzigartig: Sogar Teile der Innenverkleidung und die Höhenverstellung der vorderen Dreipunktgurte stammen aus dem Sprinter. Der gesamte GfKAufbau verdient beim getesteten Evolution bis hin zur Zweifarben- Lackierung mit erstklassigem Finish kräftigen Applaus.

Bei einem Grundpreis von über 90 000 Euro für das 7,40 Meter lange Topmodell mit der Kennziffer 7 darf man allerdings auch etwas erwarten. Da fallen Details um so stärker ins Gewicht. Etwa die hakeligen Schlösser an der Klappe zur Garage im Heck. Der Laderaum selbst gefällt mit sauber an den Seiten verlegtem Teppichstoff und Alu-Riffelblech am Boden. Die gerundeten Wände bewirken einen praktischen Nachteil: Beim Einsteigen müssen stets beide Teile der Aufbautür einzeln geöffnet werden. Am Lenkrad Platz genommen, begeistern die Fahreigenschaften und Fahrleistungen. Das geschickt verbreiterte Original- Armaturenbrett kaschiert die wahre Breite des Maesss, so dass man das Gefühl hat, einen Kastenwagen zu bewegen. Zum Straßenfeger mutiert der Evolution aufgrund des serienmäßigen 156-PS-Turbodiesel. Windgeräusche produziert die elegante Karosserie kaum. Mit dem automatisierten Sprintshiftgetriebe und Tempomat (Aufpreis) nähert sich der Evolution dem Komfortgipfel. Die Isri-Schwingsitze bilden das i-Tüpfelchen. Doch auch wenn’s schwer fällt: wegen des Gewichts ist in Deutschland Tempo 80 angesagt. Die Wahl des 416 CDI als Chassis beschert dem Maesss auf Grund der verloren im Radkasten wirkenden kleinen Räder einen schmalbrüstigen Auftritt, dank Zwillingsbereifung gibt es aber zumindest hinten jede Menge Zuladung. Vorne wird’s eher knapp, zudem könnte die Radlastverteilung ausgewogener sein. Der Grundriss des Evolution Nummer 7 spricht Paare an. Ein Dreipunktgurt an der L-Sitzbank vorn wird nur auf Wunsch installiert, zwei längs platzierte Einzelbetten im Heck sprechen für sich. Die auf Kundenanregung verwirklichte Aufteilung zeigt bei genauerer Betrachtung Flexibilität. Der Bereich zwischen den Einzelliegen kann verschlossen und mit Polstern ausgelegt werden, so dass hier eine riesige Schlafoase entsteht. Nachteil:

Der Sonder-Siebener verfügt über keinen echten Kleiderschrank mit akzeptabler Hanghöhe. Eher einem Kinderbett denn einer Erwachsenen- Liege genügt mit seinen knappen Maßen das Hubbett. Die Begeisterung, die der Evolution außen entfacht, bekommt beim Blick auf den Innenausbau weitere Dämpfer. Die Stehhöhe gerät knapp, die Einrichtung könnte der Einsteigerklasse entstammen. Schubladen ohne Rollenführungen und Endanschlag, schlampig verlegte und ungleich offenbar von Hand gebogene Gasleitungen, die sich am Verteilerblock berühren, offen in den Schränken verlegte Elektroleitungen und eine herzhaft lärmende Wasserdruckpumpe sind dieser Preisklasse schlicht unwürdig. Dazu kommen Schwächen bei der Passgenauigkeit der Möbel. Standesgemäß geriet der Zuschnitt von Küche und Bad: Hoher AES-Kühlschrank, Gasbackofen, kraftvoller Dunstabzug und genügend Stauraum stehen auf der Habenseite. Der mit einer haltbaren Bodenwanne aus GfK ausgelegte Sanitärraum eröffnet den Komfort einer separaten Dusche. Doch das Abteil hinter dem Vorhang entpuppt sich bei der Nutzung als relativ enge Nasszelle. Vor allem rund um die drehbare Toilette mit ihren zahlreichen Schmutzecken wird die Badreinigung eine unnötig mühsame Angelegenheit. Die ohnehin beschränkte Kopffreiheit wird durch die Bodenwanne noch etwas stärker gemindert. Einem guten Ausstattungsniveau entsprechen Brausestange, Einhebelmischer, großer Wasserablauf, breites Waschbecken und Kleiderhaken. Die lobenswerten drei Spiegel werden indessen zu hoch montiert. Nichts im Bad verloren hat aus Sicherheitsgründen die 230- Volt-Steckdose. Die übrige Bordtechnik des Evolution birgt ebenso Stärken. Beispiel dafür sind die sauber beschrifteten und gut zugänglichen Sicherungen oder der starken Batterien. Die Heizung verteilt ihre Wärme über klug platzierte Ausströmer im ganzen Mobil. Ein doppelter Boden passte jedoch nicht in Konzept. Der Maesss Evolution erschwert nicht nur wegen seines ungewöhnlichen Aufbaus ein klares Urteil: Bleibt sein Innenausbau unter den Erwartungen, begeistern Aufbau und Fahrverhalten. So ist der Evolution vor allem ein Fall für Anhänger des Mottos „Aus Freude am Fahren“.

Technische Daten (Stand: Februar 2002) Hersteller: Maesss Modell: Evolution 7 Basisfahrzeug: MB Sprinter 416 CDI Typ: Integrierter Preis: ab 95895 EUR Sitze mit Gurt: 2 Schlafplätze: 6 Zul. Gesamtgewicht: 4600 kg Länge: 7400 mm Breite: 2250 mm Höhe: 2800 mm Basismotor: Diesel KW: 115 PS: 156