Das große Thema Reformstau beherrscht die aktuelle politische Debatte. Die Käufer oder Bewunderer von Karmann-Reisemobilen könnten darin gleich mit einstimmen: Zu lange konzentrierte sich die Modellpolitik auf behutsame Pflege des Bestehenden. Karmann Mobil war mit sich selbst beschäftigt, musste nach der Trennung vom Osnabrücker Automobilhersteller erst wieder Tritt fassen.
Inzwischen sind die Weichen für die Reisemobilmarke gestellt. Höchste Zeit also für einen Befreiungsschlag im Modellprogramm: Erste Bilder des vom Fahrgestell bis zum Dach neu entwickelten Colorado beweisen, dass Karmann die Offensive wieder beherrscht.
Die Voraussetzungen sind günstig wie selten: Der ebenfalls brandaktuelle VW T5 wurde als Basisfahrzeug schon sehnsüchtig erwartet. Gleichzeitig hat sich die Marke Karmann innerhalb der Eura-Mobil-Gruppe etabliert und profitiert jetzt von den Erfahrungen der großen Schwester ebenso wie von den neu errichteten Montagehallen im rheinhessischen Sprendlingen.
Mitunter ruft diese Vorstellung bei treuen Karmann-Freunden allerdings auch Skepsis hervor: Ein Karmann als lediglich umdekorierter und auf VW-Fahrgestell montierter Eura Mobil? Undenkbar für einen würdigen Spross des einst westfälischen Traditionsherstellers.
Optisch hätte man sich einen solchen Flachbau schon früher vorstellen können. Einen Sinn ergibt er aber erst mit der neuen Generation: Erst durch die von 1,99 auf maximal 2,15 Meter gewachsene Innenbreite haben die in Teilintegrierten gefragten Längsbetten neben einem Bad Platz. Während Siebert als Karmann-Chef dem „über die Jahre sichtbaren roten Faden im Karmann-Design" Respekt entgegenbringt, hält er die bisherige Funktionalität für stark verbesserungsbedürftig. Die neuen Karmann-Macher brachen mit verkrusteten Denkstrukturen: Warum soll beispielsweise das Dach allein aus optischen Gründen weit heruntergezogen werden, wenn es die Aufbautür einschränkt? Der künftige Einstieg wird nicht nur markentypisch breit, sondern auch ausreichend hoch ausfallen. Neue Dimensionen erreicht ebenso der Alkoven, der mehr Kopffreiheit und Bettfläche mitbringt. In seiner Spitze blieb sogar noch Platz für eine Ablage. Karmann-Interessenten jedoch, die zum ersten Mal einen neuen Colorado betreten, werden solch nützliche Zugaben bestenfalls auf den zweiten Blick bemerken. Das Auge wandert von den mit zwei Holztönen dekorierten und S-förmig gewölbten Hängeschrankklappen mit Zierleisten in Aluminiumoptik über die mit unterschiedlichen Stoffen abgesetzten Polster bis zu gerafften Stores und Leuchtenbaldachinen. Aus der früher klinischen Kargheit des Karmann-Wohnraums wurde ein fast schon verspielt wirkendes Schmuckkästchen. Damit gibt Karmann eine klare Antwort auf die Frage, wie tiefgreifend wirksame Reformen sein müssen. Über Details wollen die Entwickler noch mit sich reden lassen, doch die Richtung ist klar. Siebert: „Die früheren Modelle waren doch so gemütlich wie ein Kühlschrank." Beim Interieur verließ man bewusst die strengen Linien des Automobilbaus. Designer Ruhdorfer: „Von den VW-Innenräumen gehen für uns keine Impulse aus. Wir haben uns stärker am Yachtbau, aber gerade auch an den Ansprüchen von Reisemobilfahrern orientiert." Parallelen zu den innen jüngst renovierten Eura-Mobil-Modellen sucht man dennoch vergebens. Bis auf wenige, nicht direkt sichtbare Teile wie zum Beispiel am Möbelkorpus bleibt der Colorado so eigenständig wie eh und je. Trotzdem profitiert der neue Karmann von den Eura-Tugenden: Angefangen beim 5,70 Meter kurzen Modell 550 verfügen alle Alkoven- und TI-Grundrisse über eine separate Dusche. Mindestens 100 Liter große Wassertanks unterstreichen den praktischen Wert. Ein Doppelboden mit enormem Stauraum wird auch in Zukunft ein Eura-Privileg bleiben, doch übernehmen zumindest alle Colorado-Alkoven die Grundidee: Der acht Zentimeter hohe, beheizte Funktionsboden vereinfacht Schlauch- und Kabelverlegung und sorgt im Winter für warme Füße. Ein Außenfach, etwa für Abwasserschlauch oder Sanitärflüssigkeit, realisiert Karmann an ungewohnter Stelle: Die Entwickler nutzen einen Teil der Freifläche zwischen den leitwerkartig hervortretenden Kanten des Hecks für einen flachen Gepäckraum. Und das ist nur eine von vielen Ideen, die auch Traditionalisten davon überzeugen dürften, dass im neuen Colorado der Geist der Marke weiterlebt. Karmann Mobil geht einen mutigen Schritt in die Zukunft. In der Politik können das nicht alle behaupten.
Technische Daten (Stand: Juni 2003) Hersteller: Karmann Mobil Modell: Colorado 625 TI Basisfahrzeug: VW T5 Typ: Alkoven Preis: ab 57258 EUR Sitze mit Gurt: 4 Schlafplätze: 2 Zul. Gesamtgewicht: 3500 kg Länge: 6623 mm Breite: 2280 mm Höhe: 2640 mm Basismotor: Diesel