Testfahrt mit neuem Alko-Fahrwerk
Die nächste Dimension

Alko entwickelt ein neues Fahrwerk für den X 250. Wir haben das System Probe gefahren. Erster Eindruck der promobil Testfahrt: Der Fiat Ducato lässt sich damit richtig komfortabel fortbewegen.

Testfahrt: Fahrwerksoptimierung, Ducato
Foto: Jacek Bilski

Nein, eine Sänfte war der Fiat Ducato noch nie. Da die fahrdynamischen Qualitäten aber für einen gewissen Ausgleich sorgen, ist das bei Kastenwagen selten ein großes Problem. Aber es ist ein Ansatzpunkt – spätestens dann nämlich, wenn die ersten Stoßdämper hinüber sind, und man sich mit dem Tausch beschäftigen muss. Gäbe es ein Fahrwerk, das Asphaltfalten glatter bügelt, aber genau so einfach nachzurüsten ist wie das Original. Ja, das wäre was.

Kann der Fiat Ducato komfortabel fahren?

Da Campingbusfahrer eher selten über eine Luftfederung zur Komfortverbesserung nachdenken, entwickelt Alko ein System das in seiner Grundkonfiguration dem Fiat-Original entspricht. Es soll dem Ducato seine Holperigkeit austreiben, ohne die gute Fahrstabilität und -dynamik zu verderben. Darin liegt die Kunst: Dynamik und Komfort sind in Bezug auf das Fahrverhalten ein Stück weit Gegenspieler. Der Fokus der Entwickler liegt auf beiden Achsen, auch wenn die vordere das Komfortempfinden stärker beeinflusst. Schließlich sitzt die Besatzung direkt auf ihr.

Der Stoßdämpfer ist dabei die entscheidende Größe. Die Druckstufe fürs Einfedern und die Zugstufe fürs Ausfedern müssen fein aufeinander abgestimmt sein. Das klingt lapidar, doch wer jemals einen aufgemotzten Opel Manta vom Mc-Donalds-Parkplatz hoppeln sah, weiß, dass einem dabei auch entscheidende Fehler unterlaufen können.

Der freie Federweg kommt hier zum Tragen, der Bereich also, in dem die Stoßdämpfer arbeiten können. Ihn zu verlängern ist vor allem wichtig, um das als besonders unkomfortabel empfundene, gelegentliche Durchschlagen der Radaufhängungen bis auf die Anschlagpuffer zu verhindern.

Mehr Federweg bei gleicher Standhöhe

Alko hält sich noch bedeckt, welche Komponenten bei dem neuen Fahrwerk genau geändert werden. Doch im Prinzip sind die Stellschrauben klar. Im Gegensatz zu einigen aufgebauten Reisemobilen ist bei Campingbussen auf Fiat Ducato eine Höherlegung überflüssig. Bei gleicher Standhöhe bleibt als einzige Möglichkeit, den freien Federweg zu verlängern, nur der Einbau von kürzeren Anschlagpuffern. Aus demselben Grund kommt auch vorne die längere Schraubenfeder, die Alko beim ähnlich aufgebauten Comfort-Suspension-Federbein für aufgebaute Reisemobile mit Tiefrahmen verwendet, nicht zum Einsatz.

An der Hinterachse wäre ein Austausch der Blattfedern zu aufwendig, wenn der Preis im Rahmen bleiben soll. Den Stabilisator zu tauschen, ist unnötig, denn der Ducato ist von Haus aus wankstabil. Hinten dürfte es also ebenfalls auf gekürzte Puffer und veränderte Stoßdämpfer hinauslaufen.

Wie fährt es sich?

Genug Theorie: Wie sich das anfühlt, wollen wir wissen. Draußen stehen zwei Carthago Malibu, sechs Meter lang, einer mit Original-Fahrwerk, einer mit dem neuen von Alko. Im direkten Vergleich fällt sofort auf, dass das Alko-System kurze Stöße von Gullydeckeln oder Querfugen souveräner pariert als das Original. Druck- und Zugstufe der Stoßdämpfer schlucken die Unebenheit geschmeidig weg. In diesem Punkt liegt der Ducato auf Sprinter-Niveau. Das will etwas heißen. Nach einer Anregung beruhigt sich der Wagen außerdem spürbar schneller. Auch bei langen Wellen. Die A 7 nördlich von Ulm mit ihren extremen Plattenversätzen ist für Ducato und Fahrer ein echter Höllenritt. Doch auch bei diesem Härtetest schwingt der Testwagen merklich kürzer auf und ab. Die Lenkung vermittelt eine gute Rückmeldung von der Straße, ohne Stöße oder Antriebseinflüsse von den Vorderrädern durchzulassen.

Die Grundcharakteristik des Fahrwerks bleibt dabei sportlich straff, ist also in Sachen Komfort kein Quantensprung. Die Alko-Techniker sagen, dass das Optimum noch nicht erreicht sei. 80 Prozent billigen sie sich zu. Bis zur Serienreife will man dem Wagen auch das Stuckern noch abgewöhnen, die Vibrationen, die bei welligen Belägen störend durch das Fahrerhaus laufen. Entscheidend wird dabei sein, das Losbrechmoment der Dämpfer zu reduzieren, um sie weicher und schneller ansprechen zu lassen.

Im ersten Schritt wird das System für den Fiat Ducato X 250 als Kastenwagen mit 5,99 Meter Länge zur Serienreife entwickelt und vermutlich im ersten Halbjahr 2015 zum Verkauf angeboten. Unter 2000 Euro soll die Nachrüstung für beide Achsen kosten. Geprüft wird auch eine günstigere Einzellösung für die Vorderachse – analog zur bereits erhältlichen Comfort Suspension. Später klärt man, ob sich diese Lösung auch für die kürzeren Radstände sowohl des X 250 als auch des neuen X 290 eignet oder ob es dort einer veränderten Abstimmung bedarf.

Campingbusse sind insoweit anspruchsvoll, als dass zwischen unbeladenem und beladenem Zustand oft hohe Gewichtsdifferenzen bestehen. Der Komfortgewinn des Fahrwerks soll aber sowohl im Alltagsbetrieb, in dem Campingbusse oft ebenfalls eingesetzt werden, als auch reisefertig beladen spürbar sein.

Absehbar ist, dass Alko das Komfortkit auch für aufgebaute Reisemobile anbieten wird. Nur wann wir dort sänftengleichen Fiat-Komfort genießen dürfen, steht noch nicht fest.

Das Fahrwerk des Ducato X 250/X 290

Der Fiat Ducato X 250 und der davon abgeleitete neue X 290 haben an der Vorderachse ein Mc-Pherson-Federbein, also eine Schraubenfeder mit innenliegendem Stoßdämpfer. Die Hinterachse ist blattgefedert. Da die Konfiguration des neuen Alko-Systems dem Original entspricht, sind Schraubenfeder und Stoßdämper die Stellschrauben, an denen Alko dreht, um den Fahrkomfort zu verbessern. Entscheidende Bedeutung kommt den Stoßdämpfern zu, deren Anteil am Komforteindruck bei etwa 80 Prozent liegt. Kürzere Anschlagpuffer erhöhen dabei den freien Einfederweg.